Neue Studie: Sozialversicherung bis 2040 unbezahlbar? Logo of esanum https://www.esanum.de

Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Wird die Sozialversicherung unbezahlbar?

Eine neue Studie warnt: Die Sozialversicherungsbeiträge könnten bis 2040 über 50 Prozent der Löhne verschlingen. Ohne Reformen droht ein Kipp-Punkt. Außerdem scheint das Potential von Gesundheits-Apps in der Praxis oft ungenutzt zu bleiben.

Wird die Sozialversicherung unbezahlbar?

Die Beitragslast für die gesamte Sozialversicherung könnte ab dem Jahr 2040 50 Prozent oder mehr der Löhne aufzehren – gegenwärtig betragen die Beiträge 41,5 Prozent inklusive Arbeitsgeberanteil. Zu dieser Prognose kommt eine neue Sozialstaatsstudie, die Ökonomen im Auftrag der Verbände "Die Familienunternehmer" und "Die jungen Unternehmer" erstellt haben. Unterstellt wird dabei, dass es keine kostendämpfenden Reformeinschnitte gibt. Die Forscher sprechen von einem bereits in wenigen Jahren bevorstehenden "Kipp-Punkt" der Sozialversicherung, weil ab einer bestimmten Belastungsgrenze Bürger nicht mehr bereit sein könnten, einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen und somit die Beitragseinnahmen bei demografisch bedingt steigenden Ansprüchen an Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung austrocknen könnten. Entscheidend werde die nächste Legislaturperiode sein, diesen Kipp-Punkt zu verhindern. Für die Krankenversicherung empfehlen die Ökonomen mehr Wettbewerb, eine höhere Selbstbeteiligung, insbesondere durch Wiedereinführung der Praxisgebühr, und für die Rentenversicherung eine stärkere Dämpfung des Anstiegs der Rentenzahlungen in Abhängigkeit von der Zahl der Neuverrentungen.

Dagegen lehnte Bundeskanzler Olaf Scholz soziale Einschnitte, etwa eine von der Union geforderte Erhöhung des Renteneintrittsalters, kategorisch ab. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte stets Leistungskürzungen in der Kranken- und Pflegeversicherung zurückgewiesen; er will dagegen das Leistungssystem ausbauen, etwa durch das niedrigschwellige Angebot von Gesundheitsleistungen durch Gesundheitskioske.

Potential von DiGA bei weitem nicht ausgeschöpft

Die seit Herbst 2020 geschaffene Möglichkeit zur Verordnung Digitaler Gesundheits-Anwendungen (DiGA) auf Kassenrezept wird bei weitem nicht ausreichend genutzt. Zu dieser Einschätzung kommt der Gesundheitsforscher Prof. Joachim Szecsenyi vom Göttinger AQUA-Institut als Autor des Barmer Arzt-Reports, der aktuell den Einsatz von digitalen Gesundheits-Apps analysiert hat. Grundlagen der Analyse sind Routinedaten der Barmer sowie Umfragen unter 1.700 Patienten und 1.000 Ärzten. In den zwölf Monaten vor der Befragung Ende 2023 hatten 44 Prozent der Ärzte keine DiGAs verordnet, ein Drittel sagte, es hätte einen schlechten Kenntnisstand von den Einsatzmöglichkeiten. Patienten wiederum brechen die Nutzung von Gesundheits-Apps zu einem Drittel vorzeitig ab, rund 15 Prozent sogar schon nach vier Wochen, obwohl die vorgesehene Erstanwendungsdauer 90 Tage beträgt. Als ursächlich sieht Barmer-Vorstandschef Christoph Straub unzulängliche Informationen über die Anwendung dieser Medizinprodukte auch durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das die DiGAs zulässt. Szecsenyi verweist bei den Ärzten auf das Ausmaß einer digitalen Affinität als eine der Determinanten für den Einsatz von DiGAs. 47 Prozent der Ärzte sehen ihre Anwendung häufig oder sogar sehr häufig als sinnvoll an. Einen Einfluss auf die Einstellung haben dabei eigene Erfahrungen. Vor allem durch das Nachrücken ärztlichen Nachwuchses wird eine dynamische Entwicklung erwartet.

Marburger Bund ruft zu Warnstreiks an Unikliniken auf

Der Marburger Bund hat Ärztinnen und Ärzte an 234 Unikliniken für den 11. März zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Zuletzt hatten die Ärztegewerkschaft und die Tarifgemeinschaft der Länder in vierter Verhandlungsrunde am 22. und 23. Februar getagt, ohne ein Ergebnis zu erzielen. Der Marburger Bund will in der laufenden Tarifrunde insbesondere erreichen, dass der notwendige Gehaltsabstand zwischen Ärzten an Unikliniken und denen an anderen Krankenhäusern wieder hergestellt wird. Begründet wird dies mit der überdurchschnittlichen Wochenarbeitszeit, der hohen Behandlungskomplexität in der Maximalversorgung und der Mitwirkung an Forschung und Lehre durch die Uni-Ärzte. Daraus resultiert eine Forderung nach 12,5 Prozent höheren Gehältern mit einer Laufzeit von zwölf Monaten. 

Cannabis-Gesetz: Neue Hürden im Bundesrat

Das Inkrafttreten eines Gesetzes zur Teil-Legalisierung des Besitzes, Konsums und Anbaus von Cannabis am 1. April könnte doch noch durch den Bundesrat verzögert werden. Zwar ist das Gesetz nicht zustimmungspflichtig, formal beschäftigt sich die Länderkammer aber am 22. März mit dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz. Dann könnte noch der Vermittlungsausschuss angerufen werden.  Darin sieht der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, eine Chance, das Gesetz zu verhindern oder stark zu modifizieren. Reinhardt begründet dies mit vielen Warnungen aus der Ärzteschaft, aber auch aus der Justiz, Polizei und Pädagogik. Der richtige Ort, die Bedenken zu artikulieren, sei daher der Vermittlungsausschuss.

Unterdessen prüft die CSU eine Organklage des Freistaats Bayern beim Bundesverfassungsgericht gegen das Cannabis-Gesetz. Mögliche Begründungsaspekte können die Zustimmungspflichtigkeit durch den Bundesrat, aber auch die Gefährdung der Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sein. In jedem Fall werde das Gesetz – sollte es wirksam werden – in Bayern äußerst restriktiv angewendet werden. 

Charité – eine der weltbesten Kliniken

Im Ranking "World’s Best Hospitals" des US-Magazins Newsweek erreicht die Berliner Charité Universitätsmedizin Platz 6. Ausgewertet worden waren dazu die Daten aus 2400 Kliniken aus 30 Ländern. Platz 1 belegt die Mayo-Klinik im US-Bundesstaat Minnesota. Die Charité lag in den vergangenen Jahren stets unter den ersten zehn Kliniken, rückte nun aber auf den europäischen Spitzenplatz vor der Stockholmer Karolinska, dem Hôpital Universitaire  Pitié Salpêtrière in Paris und dem Universitätsklinikum Zürich auf. Entscheidend für die Platzierung sind internationales Renommee und Vernetzung.