Von Leitlinien zur klinischen Praxis: Fortschritt in HPB
Die Leitlinien für hepatobiliäre und pankreatische (HPB) Erkrankungen wurden kürzlich aktualisiert, mit besonderem Fokus auf Bauchspeicheldrüsenkrebs, exokrine Insuffizienz, Pankreaszysten und nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH).
Deutsche Leitlinien für Bauchspeicheldrüsenkrebs
Thomas Seufferlein (Deutschland) präsentierte Aktualisierungen der deutschen Leitlinien für Bauchspeicheldrüsenkrebs und unterstrich den Übergang zu einer „lebendigen“ Leitlinie, die jährliche Überarbeitungen auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse ermöglicht. Die Leitlinie enthält Empfehlungen zum Umgang mit Risikofaktoren wie Fettleibigkeit, Alkoholkonsum, Rauchen und Diabetes. Zwar gibt es keine definitive Ernährungsrichtlinie zur Senkung des Bauchspeicheldrüsenkrebsrisikos, doch werden Änderungen des Lebensstils, insbesondere die Reduzierung des Alkoholkonsums, die Raucherentwöhnung und die Steigerung der körperlichen Aktivität, dringend empfohlen.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der genetischen Veranlagung für Bauchspeicheldrüsenkrebs. Personen, in deren Familie bereits Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs aufgetreten sind, insbesondere solche, bei denen zwei oder mehr Verwandte ersten Grades betroffen sind, wird empfohlen, sich einem Gentest zu unterziehen. Mutationen in Genen wie BRCA1, BRCA2 und CDKN2A sind mit einem erhöhten Risiko verbunden, und Personen mit bestätigten Mutationen sollten im Alter von 50 Jahren oder 10 Jahre jünger als das Alter des jüngsten Verwandten zum Zeitpunkt der Diagnose mit dem Screening beginnen.
Für Patienten, bei denen Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde, empfehlen die Richtlinien eine Operation in spezialisierten Zentren mit hoher Fallzahl, um die Sterblichkeitsrate zu senken. Deutsche Daten zeigen, dass Zentren, die mehr als 20 Pankreasresektionen pro Jahr durchführen, deutlich bessere Ergebnisse erzielen. Im Bereich der systemischen Behandlung hat sich die Zugabe von nanoliposomalem Irinotecan zu FOLFIRINOX als vielversprechend für die Verbesserung der Überlebensrate erwiesen, insbesondere bei fortgeschrittener Erkrankung, obwohl die Kosten weiterhin eine Herausforderung darstellen.
Richtlinien für die exokrine Pankreasinsuffizienz (PEI)
Juan Enrique Dominguez-Munoz (Spanien) überprüfte die europäischen Richtlinien zur Diagnose und Behandlung der exokrinen Pankreasinsuffizienz (PEI) und erweiterte deren Definition über die traditionellen Pankreaserkrankungen hinaus. PEI, die durch eine unzureichende Sekretion von Verdauungsenzymen gekennzeichnet ist, kann bei Patienten mit Erkrankungen wie Zöliakie oder nach einer Gastrektomie auftreten.
Die Richtlinie betont einen umfassenden Ansatz bei der Diagnose, der klinische Bewertungen, Ernährungsmarker und Pankreasfunktionstests kombiniert. Der Stuhlelastase-Test ist nach wie vor der am leichtesten zugängliche Test, weist jedoch Einschränkungen in der Spezifität auf. Die Richtlinie schlägt vor, dass bei Hochrisikobedingungen wie einer totalen Pankreatektomie oder einer Pankreatikoduodenektomie eine empirische Behandlung mit einer Pankreasenzymersatztherapie (PERT) eingeleitet werden kann, ohne auf die Bestätigung durch einen Test zu warten.
PERT bleibt der Eckpfeiler der Behandlung, wobei magensaftresistente Präparate die bevorzugte Wahl sind. Die Dosierung sollte auf den Schweregrad der Insuffizienz und den Nährstoffbedarf des Patienten abgestimmt werden, wobei bei Erkrankungen wie Bauchspeicheldrüsenkrebs höhere Dosen erforderlich sind. Protonenpumpenhemmer (PPI) werden als Zusatztherapie empfohlen, wenn PERT allein die Symptome nicht ausreichend kontrolliert.
Auch eine diätetische Behandlung ist unerlässlich. Patienten sollten sich normal und gesund ernähren, wobei die Enzymdosen entsprechend angepasst werden. Bei Patienten, die ballaststoffreich essen, kann eine Reduzierung der Ballaststoffe erforderlich sein, da Ballaststoffe die Lipaseaktivität hemmen können. Die Leitlinie unterstreicht die Bedeutung einer individuellen Ernährungsberatung, die idealerweise von einem Ernährungsberater durchgeführt wird.
Globale Leitlinien für Pankreaszysten
Giovanni Marchegiani (Italien) sprach über den dringenden Bedarf an einheitlichen globalen Richtlinien für die Behandlung von zystischen Pankreasläsionen. Die aktuellen Richtlinien verschiedener Regionen und Organisationen enthalten widersprüchliche Empfehlungen, insbesondere bei der Überwachung und Behandlung asymptomatischer Zysten. Dieser fehlende Konsens führt zu Unterschieden in der klinischen Praxis, mit erheblichen Unterschieden in der Häufigkeit und Art der bildgebenden Nachsorgeuntersuchungen sowie in den Kriterien für chirurgische Eingriffe.
Marchegiani betonte, dass viele der bestehenden Leitlinien auf einer geringen Evidenz basieren, die oft auf Expertenmeinungen oder retrospektiven chirurgischen Serien beruht. Er plädierte für eine globale Zusammenarbeit, um evidenzbasierte Leitlinien zu erstellen, die einheitlich angewendet werden können, um die Behandlungsergebnisse für Patienten zu verbessern und unnötige Eingriffe zu reduzieren. Insbesondere die Entwicklung von Biomarkern und KI-gesteuerten Instrumenten könnte Klinikern helfen, Patienten besser nach Risiken zu stratifizieren.
Es wurde auch betont, wie wichtig es ist, die Berichterstattung über Pankreaszysten zu standardisieren, insbesondere bei radiologischen Untersuchungen. Es werden klare, einheitliche Kriterien benötigt, um Entscheidungen darüber zu treffen, wann ein chirurgischer Eingriff oder eine weitere Überwachung erforderlich ist. Da bis zu 49 % der über 70-Jährigen Pankreaszysten aufweisen, besteht die Herausforderung darin, diejenigen zu identifizieren, bei denen ein echtes Malignomrisiko besteht.
NASH und MASH: aktuelle Herausforderungen
Jörn Schattenberg (Deutschland) stellte die neuesten Entwicklungen bei der nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH) und der metabolisch-assoziierten Steatohepatitis (MASH) vor. In den neuen europäischen Leitlinien werden diese Erkrankungen unter dem breiter gefassten Begriff „metabolisch-assoziierte steatotische Lebererkrankung“ (MASLD) zusammengefasst. Schattenberg betonte, dass Änderungen des Lebensstils zwar nach wie vor den Eckpfeiler der Behandlung bilden, einschließlich Gewichtsverlust und Ernährungsumstellung, dass aber die jüngsten pharmakologischen Fortschritte Hoffnung für Patienten mit fortgeschrittener Fibrose bieten.
Schattenberg erörterte die entscheidende Rolle des kardiovaskulären Risikomanagements bei Patienten mit MASLD, da diese Patienten häufig mehrere Komorbiditäten aufweisen, darunter Typ-2-Diabetes und Adipositas. Die kardiovaskuläre Mortalität ist nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen in dieser Bevölkerungsgruppe, und Ärzte müssen dies parallel zur Behandlung der Lebererkrankung angehen. Er wies auch auf die Bedeutung des Einsatzes nicht-invasiver Instrumente wie des Fibrosis-4 (FIB-4)-Index hin, um Patienten nach ihrem Fibroserisiko zu stratifizieren. Obwohl FIB-4 nicht perfekt ist, machen seine Einfachheit und Kosteneffizienz es zu einem wertvollen Instrument in der Routinepraxis.
Mit Blick auf die Zukunft hob Schattenberg die bevorstehende Zulassung von Resmetirom, einem Schilddrüsenhormonrezeptor-Beta-Agonisten, als erste Pharmakotherapie speziell für NASH in Europa hervor. Dieses Medikament, das in den Vereinigten Staaten bereits zugelassen ist, hat vielversprechende Ergebnisse bei der Verbesserung der Fibrose bei Patienten mit metabolischer Lebererkrankung gezeigt und stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung dar.
- Thomas Seufferlein. Neuartige Aspekte der aktualisierten deutschen Leitlinie für Bauchspeicheldrüsenkrebs. UEG WEEK 2024 - Von Leitlinien zur klinischen Praxis: HPB. 13.10.2024
- Juan Enrique Dominguez-Munoz. Europäische Leitlinie zur Diagnose und Therapie der exokrinen Pankreasinsuffizienz. UEG WEEK 2024 - Von Leitlinien zur klinischen Praxis: HPB. 13.10.2024
- Giovanni Marchegiani. Zystische Pankreasläsionen: Warum wir eine harmonisierte globale Richtlinie brauchen. UEG WEEK 2024 - Von Leitlinien zur klinischen Praxis: HPB. 13.10.2024.
- Jörn Schattenberg. NASH, MASH: Aktuelle Entwicklungen, die die aktuellen Leitlinien in Frage stellen. UEG WEEK 2024 - Von Leitlinien zur klinischen Praxis: HPB. 13.10.2024.