Zusammenhänge zwischen MASLD und schweren COVID-19-Verläufen Logo of esanum https://www.esanum.de

Fettleber bei Post-COVID: Was ist Henne, was ist Ei?

Wie hängt die Metabolisch-assoziierte Steatotische Lebererkrankung (MASLD) mit schweren COVID-19-Verläufen und Post-COVID-Syndrom zusammen? Studien zeigen, dass Betroffene aufgrund metabolischer und inflammatorischer Prozesse gefährdeter sind.

Interview mit Dr. Stefanie Quickert

esanum: Frau Dr. Quickert, welche Mechanismen liegen dem Zusammenhang zwischen Metabolisch-assoziierter Steatotischer Lebererkrankung (MASLD) und schweren COVID-19-Verläufen zugrunde, und warum scheint MASLD als Komorbidität das Risiko für schwerere Krankheitsverläufe zu erhöhen?

Dr. Quickert: Wir haben eine klinische Studie mit 1.000 Post-Covid-Patienten durchgeführt, um zu sehen, ob sie nachfolgend eine Fettleber aufweisen. Bei 560 Personen aus dem Studienkollektiv haben wir eine spezielle Ultraschalltechnik angewendet, die Elastographie, die zeigt, wie verfettet und wie vernarbt die Leber ist. Bei 60 Prozent fanden wir eine Fettleber - überproportional viel. Das hat uns selbst überrascht. In der Normalbevölkerung nimmt man 30 Prozent Betroffene an. Da es eine Querschnittsanalyse war, hatten wir keine Vordaten. Daher wissen wir nicht, ob vor der SARS-CoV-2-Infektion bereits eine Fettleber bestand. Die Frage bleibt also: Was ist Henne und was ist Ei? Die Daten zeigen jedoch ganz klar, dass es sich um ein Risikokollektiv handelt, sodass man Patienten mit Post-COVID-Syndrom auf Fettleber screenen sollte. 

Komorbiditäten sind vor allem kardiometabolische Risikofaktoren, wie Übergewicht, Bluthochdruck, das war im Patientenkollektiv ebenfalls überproportional repräsentiert. Sie waren also insgesamt multimorbider als der Durchschnitt.

Eine Hypothese ist, dass sich Patienten mit Fettleber und Komorbiditäten von einer SARS-CoV-2-Infektionen schlechter erholen und damit höhere Risiken für Post-COVID aufweisen. Es wurde aber bereits gezeigt, dass es durch eine SARS-CoV-2-Infektionen nachfolgend u.a. zu metabolischen Veränderungen kommt - also etwa zu Stoffwechselstörungen, aber auch zu (auto-)inflammatorischen Prozessen, die wiederum zur Entstehung bzw. Progression einer Fettleber führen können. Doch ohne Vordaten lässt sich nicht vollkommen klären, ob jene, die bereits eine Fettleber hatten, begünstigt waren, Post-COVID zu entwickeln oder ob Post-COVID die Ursache der Fettleber ist. Daran arbeiten wir in unserer Arbeitsgruppe weiter. 

esanum: Welche Herausforderungen stellt dies alles für die Nachsorge und das Langzeitmanagement von COVID-19-Patienten dar? 

Dr. Quickert: Wir konnten herausarbeiten, dass Post-COVID ein wichtiger Prognosefaktor für MASLD ist. Wir müssen daher die Patienten screenen, und natürlich haben wir damit auch einen Ansatz der Therapie bei Post-COVID. Wir müssen den Patienten Möglichkeiten zur Lebensstiländerung aufzeigen oder sie auch medikamentös gegen Komorbiditäten wie Diabetes mellitus behandeln. Viele der Betroffenen haben eine Fatigue, sie sind eingeschränkt und nehmen schnell zu. Es wurde gezeigt, dass Patienten auch zwei Jahre nach der Infektion noch an einer Fatigue zu leiden haben. Sie genesen zu einem geringen Anteil.  

esanum: Es gibt Hinweise, dass MASLD nicht nur mit schweren COVID-19-Verläufen, sondern auch mit neurokognitiven Beeinträchtigungen assoziiert ist. Welche pathophysiologischen Verbindungen zwischen der Lebererkrankung und kognitiven Störungen bestehen, und wie sollte dies das Management von MASLD-Patienten beeinflussen?

Dr. Quickert: Man sagt ja manchmal umgangssprachlich: Die Leber geht auf den Kopf. Wir wissen, dass es eine Darm-Leber- und auch eine Hirn-Leber-Achse gibt. Es kann eben auch zu systemischer Inflammation im Körper kommen, auch zu Neuroinflammation. Es entwickeln sich entzündliche Prozesse im Gehirn, bis hin zu Enzephalomyelitis bzw. chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Also müssen antiinflammatorische Therapien entwickelt werden, die bei der Neuroinflammationen ansetzen. Mit einem speziellen Test, der beispielsweise auch bei Demenzerkrankten angewendet wird, haben wir die neurokognitiven Beeinträchtigungen erfasst. Unsere Patienten mit Fettleber erreichten niedrige Scores - ein Ausdruck einer neurokognitiven Dysfunktion. Den Pathomechanismus konnten wir nicht bis ins Detail untersuchen. Wir wissen nicht genau, was „im Kopf“ passiert. Wir werden weiter untersuchen, ob es eventuell entsprechende Marker im Blut gibt. 

esanum: Was sollten Gastroenterologen und Hepatologen in der klinischen Praxis beachten, wenn sie MASLD-Patienten betreuen, die eine COVID-19-Infektion durchgemacht haben? Gibt es spezifische Überwachungs- oder Behandlungsstrategien? 

Dr. Quickert: Überwachungs- und Behandungsstrategien gibt es derzeit nicht. Für Post-COVID gibt es keine spezifischen Therapien. Es wurde beispielsweise versucht, Antikörper aus dem Blut auszuwaschen (Immunapherese), weil man davon ausgegangen ist, dass autoimmune Prozesse eine wichtige Rolle spielen – jedoch ohne Erfolg. Es gibt zwar eine Leitlinie zum Post-COVID-Syndrom. Darin ist das Screening der Fettleber noch nicht enthalten. Aber unsere Daten zeigen ganz klar: wir müssen die Patienten screenen und die auslösenden Komorbiditäten und damit die Fettleber rechtzeitig behandeln, hierzu zählen neben medikamentösen Strategien auch eine intensivierte Physiotherapie und Gewichtsreduktion. Die Zeit wird zeigen, welchen Benefit das für die Patienten bringt. 

esanum: Welche langfristigen Auswirkungen erwarten Sie bei MASLD-Patienten, die an COVID-19 erkrankt sind? Wie sollten die Behandlungspläne langfristig angepasst werden, um das Risiko von Lebererkrankungen zu minimieren?

Dr. Quickert: Wir wissen jedenfalls: je länger eine chronische Lebererkrankung vorliegt, die nicht behandelt wird, desto wahrscheinlicher werden Patienten über die Jahre eine Leberzirrhose entwickeln. Auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, wie Schlaganfall und Herzinfarkt, ist bei dieser Gruppe erhöht. Daten dazu haben wir nicht, aber man muss diese Risiken berücksichtigen. Es handelt sich bei Post-COVID-Patienten eben um ein vulnerables Patientenkollektiv. Wir müssen versuchen, die Kausalitäten zu verstehen. Es gibt sicher Patienten, die primär ein metabolisches Problem haben, diese muss man aufklären und beraten. Und es gibt auch virale Ursachen, wie Hepatitis B und C, sowie autoimmune Ursachen. All das muss bei diesen Patienten strikt abgeklärt werden. Wir sehen neben all den metabolischen Problemen auch häufig psychische Erkrankungen, die zum Teil schon vorher bestanden, sodass sich das dann aggraviert. Bei allem ist immer daran zu denken: Es handelt sich um sehr kranke Patienten, die unserer Hilfe bedürfen und zu denen unbedingt weiter geforscht werden muss. 

Neben Patienten, die Post-COVID entwickelt haben, weil sie bereits andere Risikofaktoren hatten, habe ich in der Post-COVID-Ambulanz auch viele Patienten betreuen dürfen, die jung, normalgewichtig und ohne erkennbare Risikofaktoren waren. Diese Patienten, etwa 20 bis 30 Prozent der Post-COVID-Erkrankten, entwickeln ebenfalls nicht selten ein chronisches Fatigue Syndrom mit depressiver Verstimmung und sind im Verlauf nicht mehr arbeitsfähig. Das muss man ernst nehmen, auch in den Hausarztpraxen und man muss neben Physio- und Psychotherapie neue medikamentöse Strategien entwickeln. Wir wissen noch zu wenig, aber das ist eben das Spannende in der Medizin, dass es immer weiter viel zu erforschen gibt.

Wer ist Dr. Stefanie Quickert?

Dr. Stefanie Quickert ist Assistenzärztin an der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena (UKJ) in Deutschland. Ihr Fachgebiet umfasst die Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie.