Noch vor dem in vier Wochen beginnenden Ärztetag erwartet der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, weitere Konkretisierungen der von der Bundesregierung geplanten großen Krankenhausreform. Noch viel zu wenig Beachtung hätten bislang die Auswirkungen der Reform auf die ärztliche Weiterbildung und die Nachwuchssicherung insbesondere in der fachärztlichen Versorgung gefunden, sagte Reinhardt bei der Vorstellung der Ärztetags-Programmatik am 18.04. in Berlin.
Die im bisherigen Reformkonzept vorgesehene Zuordnung von medizinischen Leistungsgruppen zu bestimmten Versorgungslevels könne dazu führen, dass in etlichen Krankenhäusern nicht mehr der komplette Inhalt von fachärztlichen Weiterbildungsgängen absolviert werden kann. Das erfordere, ähnlich wie in der Allgemeinmedizin, die Organisation von klinik- und sektorenübergreifenden Weiterbildungsverbünden, die angehenden Fachärzten eine möglichst nahtlose Absolvierung ihrer Weiterbildung ermöglichen. Dabei sei es dringend notwendig, den Sachverstand der Praktiker und der Landesärztekammern systematischer als bisher einzubeziehen.
Weder ist bisher bekannt, in welchem Ausmaß die Klinikreform bislang im stationären Sektor vorhandene Weiterbildungskapazitäten einschränken könnte noch ist bislang systematisch von den Landesärztekammern erhoben worden, welche Kapazitäten in der ambulanten fachärztlichen Versorgung zur Verfügung stehen und wie sich diese entwickelt haben. In einigen Fachgebieten, insbesondere in der Inneren Medizin – Gastroenterologie, Rheumatologie oder Diabetologie –, habe die Zahl der Weiterbildungsstellen bei den Vertragsärzten zugenommen. Abhängig sei dies zunächst von der Initiative von Ärzten, die zur Weiterbildung bereit sind und bei den Kammern einen entsprechenden Antrag stellen müssen.
Noch völlig ungeklärt, so Reinhardt, sei die Finanzierung der fachärztlichen Weiterbildung in der ambulanten Versorgung. Anders als in der Allgemeinmedizin, wo Kassen und KVen verpflichtet sind, insgesamt 7.500 Weiterbildungsstellen zu finanzieren, existiert eine solche Verpflichtung für die zukünftigen Fachärzte nur in geringem Umfang für grundversorgende Fächer. "Wir sind darüber mit dem Bundesgesundheitsminister im Gespräch", so Reinhardt.
Vor dem Hintergrund zunehmender staatlicher Regulierungen wird Sicherung von Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession eines der Schwerpunktthemen des Ärztetages sein. Die Bundesärztekammer hat hierzu einen herausragenden Gastreferenten gewonnen: den Richter am Bundesverfassungsgericht Peter Müller.
Das zweite Schwerpunktthema werden Gesundheitsbildung und Health Literacy als Notwendigkeit früher Primärprävention sein. Vor dem Hintergrund der Morbiditätslast durch Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems sei es notwendig, zusätzlich in Kitas und Schulen zu investieren, um diese zur Gesundheitsbildung zu befähigen. Im Unterschied zu den skandinavischen Ländern und der Schweiz habe Deutschland hier einen beträchtlichen Nachholbedarf.
Vor dem Hintergrund der Debatte um Investoren-MVZ wird sich der Ärztetag auch mit den möglichen negativen Auswirkungen der Kommerzialisierung in Teilen der Medizin befassen. Es sei allerdings nicht das Ziel der Bundesärztekammer, das Engagement von privaten Investoren generell zu verhindern oder Investitionen in "gutes" oder "schlechtes" Geld zu differenzieren. Notwendig sei allerdings, eine bessere Transparenz zu schaffen, um evidenzbasiert Fehlentwicklungen identifizieren zu können, so Reinhardt. Angesichts immer wiederkehrender Meldungen aus der Ärzteschaft über sogenannte "Rosinenpickerei" könne es notwendig sein, Medizinische Versorgungszentren zu verpflichten, das vollständige Leistungsvolumen der bei ihnen vertretenen Fachgebiete sicherzustellen.
Nicht zuletzt stehen beim Ärztetag auch Neuwahlen auf der Agenda: neben dem Amtsinhaber Klaus Reinhardt bewirbt sich auch die Vorsitzende des Marburger Bundes, die Infektiologin Dr. Susanne Johna, um das Präsidentenamt. Gewählt werden ferner der/die Vizepräsident:in sowie zwei weitere Vorstandsmitglieder.