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Neuer Vergleich zwischen Acalabrutinib und Zanubrutinib

Acalabrutinib und Zanubrutinib weisen eine vergleichbare Wirksamkeit auf. Zu diesem Ergebnis kam bereits ein indirekter Vergleich der beiden BTK-Inhibitoren der zweiten Generation bei rezidivierter/refraktärer CLL. Eine neue Analyse bestätigt nun die Ergebnisse – mit einigen feinen Unterschieden.

Kernpunkte:

  • Als Monotherapie sind die beiden Zweitgenerations-BTKi laut indirektem Erstlinientherapie-Vergleich ähnlich wirksam.1
  • Im indirekten Vergleich der Erstlinientherapien weist Acalabrutinib in Kombination mit Obinutuzumab gegenüber Zanubrutinib eine stärkere Wirksamkeit auf. Allerdings steigt damit auch das Risiko für Neutropenien und Arthralgien.1
  • Hinsichtlich des Hypertonierisikos bestätigt sich die Überlegenheit von Acalabrutinib gegenüber Zanubrutinib.1

Von der ersten zur zweiten Generation

Ibrutinib 2014, Acalabrutinib 2020, Zanubrutinib 2022 – die Bilanz der BTK-Inhibitoren kann sich sehen lassen. Das Wirkprinzip, das auf der selektiven Hemmung der Signalübertragung in B-Zellen beruht, hat sich seit nunmehr knapp 10 Jahren bewährt. Die pharmakologische Forschung und Entwicklung ist in dieser Zeit stetig vorangeschritten. So wurden die Substanzen immer weiter optimiert. Während der Erstgenerations-BTKi Ibrutinib noch mit zahlreichen Nebenwirkungen behaftet war, wurde das Wirkprofil der zweiten Generation durch ihr hochselektives Bindungsverhalten geschärft. In Vergleichsstudien konnte gezeigt werden, dass die Verträglichkeit dadurch deutlich zunahm.2,3

Kein Direktvergleich zwischen Zweitgenerations-BTKi

Ein solcher Direktvergleich liegt zwischen den beiden Nachfolgesubstanzen Acalabrutinib und Zanubrutinib bislang noch nicht vor. Auch wenn sie sich allenfalls in Nuancen unterscheiden, können leichte Abweichungen für die hoch individualisierte CLL-Therapie durchaus relevant sein. Vor allem das Sicherheitsprofil ist von großer Bedeutung. Je nach Vorerkrankungen und Allgemeinzustand kann es letztlich den Ausschlag für die Therapiewahl geben.

Wie also gelingt die Abwägung zwischen den beiden Zweitgenerations-BTKi? Eine Möglichkeit bietet die indirekte Vergleichsanalyse, die sogenannte MAIC (Matching-Adjusted Indirect Comparison).

Hintergrundwissen: Matching-Adjusted Indirect Comparison4,5

MAIC-Analysen kommen dann zum Einsatz, wenn keine direkten Vergleichsstudien vorliegen. Sie erlauben einen indirekten Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten und anderen medizinischen Interventionen. Dazu werden separate Studien gegenübergestellt, deren Patientenpopulationen möglichst ähnlich sind. Um bleibende Unterschiede zu reduzieren und Verzerrungen zu vermeiden, werden individuelle Patientendaten (IPD) einer bestimmten Studie verwendet und anhand aggregierter Daten mit der Vergleichsstudie abgeglichen (Matching). Dadurch werden die Patientencharakteristika trotz heterogener Studienpopulationen angeglichen. Nach dem Matching erfolgt der Vergleich der Studienergebnisse.

MAIC-Analyse Step by Step:

Schritt 1: Matchingvariablen identifizieren

Anhand einer Cox-Regressionsanalyse werden prognostisch relevante Variablen erhoben, die mögliche Effektmodifikatoren sein könnten.

Schritt 2: Patientenmatching

Die individuellen Patientendaten der einen Studie werden nach den gefundenen prognostischen Variablen gewichtet und mit aggregierten Daten der anderen Studie abgestimmt.

Schritt 3: Vergleich von Wirksamkeit und Sicherheit

Nach dem Matching sind die Daten beider Studien weitgehend vergleichbar. Nun können Endpunkte wie das progressionsfreie Überleben (PFS) oder unerwünschte Nebenwirkungen abgeglichen werden.

Schließlich unterscheidet man je nach Vergleichsstudien Analysen mit oder ohne Brückenkomperator, d. h. mit gemeinsamen oder unterschiedlichen Vergleichsarmen. Bei letzteren spricht man auch von sogenannten unanchored MAIC.

Wichtig zu wissen: MAIC-Analysen ersetzen keine Head-to-Head-Studien. Auch nach dem Matching bleiben Limitationen und mögliche Verzerrungen bestehen. Die Ergebnisse sind daher als hypothesengenerierend zu verstehen.

Kittai et al. haben bereits auf dem EHA-Kongress im Juni 2023 eine erste MAIC-Analyse vorgestellt.6 Als Vergleichsstudien dienten ALPINE3 und ASCEND7.

Das Ergebnis:

Nun legten die Autoren mit einer weiteren Untersuchung nach. Zum indirekten Vergleich zogen sie diesmal folgende Studien heran:

a) ELEVATE-TN: RCT bei Patienten mit therapienaiver CLL8

b) SEQUOIA: RCT bei Patienten mit CLL/SLL ohne 17p-Deletion9

In der MAIC aus beiden Studien ging es letztlich um den Vergleich von Acalabrutinib +/- Obinutuzumab auf der einen und Zanubrutinib auf der anderen Seite – beides häufig verwendete Therapieschemata, für die aber keine randomisierten, prospektiven Daten verfügbar sind.

Nach dem Matching bestand das Studienkollektiv einheitlich aus therapienaiven Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) ohne del(17p). Primärer Endpunkt war jeweils das progressionsfreie Überleben (PFS).

Beim International Workshop on Chronic Lymphocytic Leukemia vom 6.-9. Oktober 2023 in Boston wurden die Ergebnisse vorgestellt.1

1. Effektivität: Unterschiede zwischen Mono- und Kombinationstherapie

Abbildung 1: INV-PFS unter Acalabrutinib + Obinutuzumab bzw. Acalabrutinib Monotherapie vor und nach Matching im Vergleich zu Zanubrutinib.1

Als Monotherapie schnitt Acalabrutinib im Vergleich zu Zanubrutinib ähnlich ab. Nach 36 Monaten gab es keinen signifikanten Unterschied in der Wirksamkeit (86 %, 95 % CI: 78–91 vs 84 %, 95 % CI: 79–88). In Kombination mit dem CD20-Antikörper Obinutuzumab war Acalabrutinib allerdings überlegen (95 %, 95 % CI: 90–97 vs 84 %, 95 % CI: 79–88).

„Das war keine wirkliche Überraschung, denn schon in ELEVATE-TN war Acabrutinib plus Obinutuzumab Acalabrutinib Mono überlegen“, kommentierte Hauptautor Adam Kittai von der Ohio State University, Columbus, die Ergebnisse.10

2. Sicherheit: gemischtes Bild

Abbildung 2: Nebenwirkungen unter Acalabrutinib + Obinutuzumab bzw. Acalabrutinib Monotherapie im Vergleich zu Zanubrutinib.1

Auch die Sicherheitsprofile von Acalabrutinib +/- Obinutuzumab und Zanubrutinib stimmten weitgehend überein, mit einigen Ausnahmen:

Zwar fielen auch die meisten anderen Odds Ratios zu Gunsten von Acalabrutinib aus, die Unterschiede waren jedoch nicht signifikant.

Therapieschema individuell abwägen

Damit bestätigt sich die gute Verträglichkeit von Acalabrutinib. Schon im ersten MAIC-Vergleich mit Zabubrutinib war es beim Endpunkt Hypertonie überlegen. Bei Patienten mit Bluthochdruck sprechen die Ergebnisse daher für eine Präferenz dieses BTK-Inhibitors. Ob als Monotherapie oder zusammen mit Obinutuzumab ist individuell abzuwägen. Zwar wird mit der Kombinationstherapie eine stärkere Wirksamkeit erreicht, allerdings um den Preis eines erhöhten Risikos für Neutropenie und Arthralgie. Hier muss im Einzelfall je nach Alter, Fitness und Komorbiditäten entschieden werden.

Autor Adam Kittai meint zum indirekten Verlgleich folgendes: „We have very different ways of analyzing research. We should approach research in these very different ways to try to answer questions that otherwise can't be answered. That being said, I would love to have a randomized phase 3 clinical trial of acalabrutinib vs zanubrutinib, but I don't think it's ever going to happen. [Therefore], at least we have this analysis to compare trials. [These types of analyses have] broad applications in hematological diseases, solid tumors, and internal medicine in general, where we don't have data.“10


Referenzen:

  1. Kittai A et al. A matching-adjusted indirect comparison of acalabrutinib with and without obinutuzumab versus zanubrutinib in treatment-naive chronic lymphocytic leukemia. Poster number: 1207, presented at the International Workshop on Chronic Lymphocytic Leukemia, October 6–9, 2023, Boston, MA, USA.
  2. Byrd JC et al. Acalabrutinib Versus Ibrutinib in Previously Treated Chronic Lymphocytic Leukemia: Results of the First Randomized Phase III Trial. J Clin Oncol. 2021;39(31):3441–3452 und Supplement.
  3. Brown JR et al. Zanubrutinib or Ibrutinib in Relapsed or Refractory Chronic Lymphocytic Leukemia. N Engl J Med. 2023 Jan 26;388(4):319-332. doi: 10.1056/NEJMoa2211582. Epub 2022 Dec 13. PMID: 36511784.
  4. Remiro-Azócar A et al. Methods for population adjustment with limited access to individual patient data: A review and simulation study. Res Synth Methods. 2021 Nov;12(6):750-775. doi: 10.1002/jrsm.1511. Epub 2021 Sep 5. PMID: 34196111.
  5. Signorovitch JE et al. Matching-adjusted indirect comparisons: a new tool for timely comparative effectiveness research. Value Health. 2012 Sep-Oct;15(6):940-7. doi: 10.1016/j.jval.2012.05.004. PMID: 22999145.
  6. Kittai A et al. A matching-adjusted indirect comparison of acalabrutinib versus zanubrutinib in relapsed or refractory chronic lymphocytic leukemia. Am J Hematol. 2023 Oct 9. doi: 10.1002/ajh.27110.
  7. Ghia P et al. ASCEND: Phase III, Randomized Trial of Acalabrutinib Versus Idelalisib Plus Rituximab or Bendamustine Plus Rituximab in Relapsed or Refractory Chronic Lymphocytic Leukemia. J Clin Oncol 2020;38(25):2849-61.
  8. Sharman JP et al. Acalabrutinib with or without obinutuzumab versus chlorambucil and obinutuzumab for treatment-naive chronic lymphocytic leukaemia (ELEVATE TN): a randomised, controlled, phase 3trial. Lancet 2020;395:1278-91.
  9. Tam CS et al. Zanubrutinib versus bendamustine and rituximab in untreated chronic lymphocytic leukaemia and small lymphocytic lymphoma (SEQUOIA): a randomised, controlled, phase 3 trial. Lancet Oncol 2022;23:1031–43.
  10. OncLive - Clinical Oncology News, Cancer Expert Insights: Dr Kittai on an Indirect Comparison of Acalabrutinib Plus Obinutuzumab vs Zanubrutinib in CLL/SLL, October 11, 2023. Online unter: https://www.onclive.com/view/matching-adjusted-analysis-shows-acalabrutinib-obinutuzumab-offers-pfs-benefit-vs-zanubrutinib-in-cll-sll-without-17p-deletions (letzter Aufruf: November 2023).

Abkürzungen:
BTK = Bruton-Tyrosinkinase
BTKi = Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor
CLL = Chronische lymphatische Leukämie
EHA = European Hematology Association (bzw. deren Jahreskongress)
INV-PFS =investigator-assessed progression-free survival
IPD = individual patient data
MAIC = Matching-Adjusted Indirect Comparison
PFS = progression-free survival
RCT = randomized controlled trial