Rheuma kündigt sich durch allgemeine Symptome an Logo of esanum https://www.esanum.de

Grippe oder rheumatische Erkrankung? Die richtige Diagnose

Rheumatische Erkrankungen können früh diagnostiziert werden – wenn behandelnde Ärzte bereits bei den Symptomen einer Grippe in diese Richtung denken.

Was ist der Patiententag der DGIM?

Laut Statistiken haben 60 Prozent der Deutschen zu wenig Gesundheitskompetenz. Mit dem Patiententag will die DGIM aktuelle Entwicklungen in der Medizin für Laien verständlich vermitteln und so die Distanz gegenüber medizinischen Themen abbauen. Der Patiententag bietet Vorträge von Experten zu verschiedenen Themen aus der Inneren Medizin (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionen, Krebs, Diabetes, Nierenerkrankungen), Diskussionsrunden, Workshops und Informationsstände. So sollen Patienten neue Behandlungsmöglichkeiten kennenlernen, Fragen stellen und persönliche Kontakte zu Experten knüpfen können.

Bei der Pressekonferenz am 18. April stellten die Referenten die thematischen Schwerpunkte des Tages vor, die sowohl für Patienten als auch für Behandelnde interessant sind: etwa der Nutzen von Allgemeinsymptomen für die Diagnostik von systemischen Entzündungserkrankungen. Darüber sprach DGIM-Präsident Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Rheuma betrifft den ganzen Körper

Rheuma wird im Allgemeinen mit den Gelenken in Verbindung gebracht, aber die Entzündungen könnten auch an Gefäßen, Organen oder dem Bindegewebe auftreten: Rheumatische Erkrankungen betreffen den ganzen Körper, deshalb könne jede Entzündung ein Hinweis auf eine systemische Entzündungserkrankung wie rheumatoide Arthritis, Spondyloarthritis oder Gicht sein, erklärt der Rheumatologe. Eine rheumatische Erkrankung könne in jedem Alter auftreten. Neben dem klassischen Rheuma-Symptom Gelenkschmerzen, gibt es zahlreiche weitere Symptome, mit denen die Patienten in der Regel zuerst in der Hausarztpraxis oder in der Notaufnahme vorstellig werden.

Welche Symptome können eine rheumatische Erkrankung zeigen?

Wenn Patienten Fieber bekämen, könne es sich um eine Infektion wie COVID-19 oder Grippe handeln. Es wird ein Entzündungsprozess im Körper ausgelöst: Moleküle werden produziert, die die Entzündung triggern und das Fieber auslösen. Weil das viel Energie verbraucht, kommt als Symptom Müdigkeit hinzu. Wenn die Müdigkeit nach durchstandenem Infekt aber nicht abklingt, könne sie ein Hinweis auf eine rheumatische Erkrankung sein. Das Still-Syndrom, der systemische Lupus erythematodes und Entzündungen der Gefäße (Vaskulitiden) machen sich mit Gelenkschmerzen, Fieber und hohen Entzündungszeichen bemerkbar. Zur Abgrenzung von bösartigen Erkrankungen und nicht sofort erkennbaren Infekten, werden vier immunologische Laborwerte herangezogen: Rheumafaktor, CCP-Antikörper, antinukleäre Antikörper und Neurotrophin-Antikörper. Auch Lichtempfindlichkeit sei ein Symptom beim Lupus.

Wenn Patienten zwischen 50 und 60 Jahren nach einem Infekt eine Schultersteife oder Beckensteife entwickeln, nicht richtig laufen können und extrem hohe Entzündungszeichen hätten, stecke dahinter eine Gefäßentzündung der mittelgroßen Gefäße: die Polymyalgia rheumatica. Sie lässt sich früh erkannt, gut mit Steroiden behandeln. Das gelte auch für die Großgefäßvaskulitiden entlang der Hauptschlagader und den Abgängen, die oft hochaktiv und schwer zu finden seien. Nächtlicher tiefsitzender Rückenschmerz bei Menschen zwischen 20 und 40 Jahren kann auf einen Bandscheibenvorfall hindeuten, aber auch auf eine entzündliche Wirbelsäulenerkrankung. Der Schmerz entsteht, weil das körpereigene Kortison nachts nicht aktiv ist, aber die Entzündung an den Kreuzdarmbeingelenken schon.

Sichtbare Symptome bei entzündlichen Erkrankungen

Hautzeichen seien in der Rheumatologie eines der wichtigsten sichtbaren Symptome, die etwa bei Kollagenosen (entzündlichen Bindegewebserkrankungen), Myositiden (Muskelerkrankungen) oder Schuppenflechten auftreten. Solch eine Vaskulitis ist damit ein Hinweis auf eine systemische Erkrankung. Das Renault-Syndrom mit den weißen Fingern kann in eine rheumatische Erkrankung übergehen vom Typ Systemische Sklerose oder Lupus. Trockenheit an Mund und Auge ist vor allem bei Frauen eine Alterserscheinung aufgrund von Hormonmangel oder durch die Gabe von Antidepressiva, sie könne aber auch auf eine entzündliche Bindegewebserkrankung vom Typ Morbus Sjögren hindeuten, der den ganzen Körper samt Gelenken und Gehirn betreffe. Sobald eines dieser klinischen Zeichen da sind, müsse immer auch eine Entzündungserkrankung gesucht werden: Bei Veränderungen an den Füßen kann es sich statt um Nagelpilz um eine Psoriasis-Arthritis handeln, Einblutungen in die Haut können Symptome kleiner Gefäßentzündungen sein und  Organveränderungen können auf eine entzündliche Bindegewebserkrankung hindeuten.

Was heißt das für die Arbeit in der Praxis?

Sobald eines dieser klinischen Zeichen da sei, müsse immer auch eine Entzündungserkrankung gesucht werden. Alles, was nicht nach 2 bis 3 Wochen wieder weggeht, Schmerzen in Kombination mit Entzündung, Müdigkeit oder Laborwerten, ist immer ein Hinweis auf eine rheumatische Erkrankung. Es gebe 30 bis 40 Medikamente, die sehr spezifisch eingreifen können und ohne große Nebenwirkungen Hilfe bringen können. Hier spielen vor allem Biologika eine immer größere Rolle. Immer mit dem Ziel, den Menschen ein normales Leben zu ermöglichen und keine Organe oder Gelenke zu schädigen.
 

Quelle:
  • Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Professor für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie der Kerckhoff-Klinik GmbH in Bad Nauheim, Vorab-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) zum Patiententag beim 129. Internistenkongess, Wiesbaden, 18. April 2023