Schwangerschaft & Diabetes: Risiko für intrauterinen Fruchttod? Logo of esanum https://www.esanum.de

Intrauteriner Fruchttod - Welches Risiko haben Schwangere mit Diabetes?

Zum intrauterinen Fruchttod von Föten Schwangerer mit Diabetes gibt es bisher wenig klinische Daten. Das IUFT-Register soll diese Lücke schließen.

Intrauteriner Fruchttod: Risiko bei diabetischen Stoffwechsellagen 

Der intrauterine Fruchttod (IUFT), also der Tod eines mehr als 500g wiegenden Fötus nach der 24. Schwangerschaftswoche mit fehlenden intrauterin nachweisbaren Lebenszeichen, kann für Betroffene traumatisch, für Behandelnde frustrierend sein. Aus diesem Grund gilt es, die Risiken für dieses Vorkommnis zu minimieren. Schwangere, die präkonzeptionell an Typ-1- oder Typ-2-Diabetes leiden, weisen allerdings ein rund vierfach erhöhtes Risiko für einen IUFT auf. Um diesen zu verhindern, kommt es vermehrt zu vorzeitigen Geburtseinleitungen. Die Datenlage bezüglich des optimalen Zeitpunktes zur Einleitung bei Schwangeren mit Diabetes ist jedoch verhältnismäßig dünn. Aufgrund dessen ist das Projekt des IUFT Registers als gemeinsame Initiative der Arbeitsgemeinschaft für Geburtshilfe der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der AG Schwangerschaft der DDG und des GestDiabs entstanden, um das IUFT Risiko bei Frauen mit diabetischer Stoffwechsellage besser einschätzen zu können. Zusätzlich sollen IUFTS verhindert werden und im Zuge dessen die geburtshilfliche Überwachung rationaler gestaltet werden können. Außerdem soll die zuverlässigere Datenbasis dazu führen, dass die Anzahl an frühzeitigen Einleitungen minimiert werden kann. Auf der diesjährigen DDG Herbsttagung stellte Dr. med Matthias Kaltheuner den Status Quo zum intrauterinen Fruchttod und dem Projekt des Registers vor.1

Dazu bezog sich Kaltheuner unter anderem auf die Daten des IQTIG. Mittels der IQTIG Daten, die zur Qualitätssicherung der Geburtshilfe beitragen sollen, kann die Rate der IUFT zwischen Frauen ohne oder mit Typ-1-, Typ-2-, bzw. Gestationsdiabetes unterschieden werden. Die Zahlen, die zwischen 2013 und 2019 erhoben wurden, machen deutlich, dass die Zahl an Totgeburten bei Frauen mit diabetologischer Stoffwechsellage erhöht ist. Insbesondere bei besonders jungen Schwangeren mit Diabetes unter 25 Jahren enden 1,57% der Schwangerschaften mit einer Totgeburt. Mit dem Alter und damit wahrscheinlich auch mit der Dauer des Diabetes nimmt dieser Prozentsatz ab. Auch wenn in Deutschland pro Jahr rund 52 Totgeburten unter Schwangeren mit Diabetes zu verzeichnen sind, muss festgehalten werden, dass sich diese Zahl in der historischen Rückschau bereits deutlich verbessert hat. Nichtsdestotrotz gilt es natürlich, den IUFT weitestgehend zu verhindern. 

Laut den vorliegenden Daten der IQTIG ist die relative Risikoerhöhung, einen IUFT zu erleiden, bei Patientinnen mit diabetischer Stoffwechsellage um das 2,34-fache über alle Altersgruppen hinweg erhöht.2 Jedoch kann über diese Zahl diskutiert werden, die Gesellschaften, die das IUFT-Register ins Leben gerufen haben, gehen von einem 4-fach erhöhten Risiko aus.1 Eine 2009 erschienene Studie berechnete den Faktor der relativen Risikoerhöhung auf 3,7.3 Gerade aufgrund dieser unterschiedlichen Einschätzungen scheint es wichtig, zahlreiche und aussagekräftige Daten zu sammeln, um diese Ergebnisse ggf. zu aktualisieren.

Internationale Leitlinien zur Reduktion des intrauterinen Fruchttodes 

Um die Rate an intrauterinen Totgeburten innerhalb der Schwangeren mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes zu senken, ist die momentane Praxis häufig, die Entbindung vorzeitig einzuleiten. Den erhobenen Daten zufolge steigt die Totgeburtenrate nach der 40. Schwangerschaftswoche an. Allerdings ist das Risiko im vorherigen Verlauf der Schwangerschaft auch deutlich erhöht, in der 32. Schwangerschaftswoche im Vergleich zu Woche 40 ist es beispielsweise zehnfach höher.4 Deswegen stellt sich die Frage, wann der optimale Zeitpunkt zur Entbindung in Abwägung der Risiken einer vorzeitigen Entbindung und des IUFT-Risikos ist. 

Die Daten des Registers belegen, dass das IUFT-Risiko abhängig vom präkonzeptionell gemessenen HbA1C-Wert ist. Insbesondere unter betroffenen Schwangeren mit Typ-1-Diabetes weist die Mehrzahl der Frauen einen suboptimalen Wert auf, 58% der Untersuchten überschreiten den optimalen Wert deutlich. Im Gegensatz dazu überschreiten lediglich 28% der Patientinnen mit Typ-2-Diabetes den Schwellenwert zum Zeitpunkt der Konzeption. Durch engmaschige ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft liegt der HbA1C-Wert zum Zeitpunkt der Entbindung im Mittel bei Gebärenden mit Typ-2-Diabetes deutlich unter 6.1

Betrachtet man die unterschiedlichen Leitlinien der Länder, ist festzuhalten, dass diese sehr heterogen sind. Die U.S.-amerikanischen Leitlinien besagen beispielsweise, dass eine frühzeitige Entbindung nur dann vonnöten ist, wenn eine Folgeerkrankung, eine schlechte Stoffwechsellage oder eine frühere Totgeburt vorliegt. Bei einem gut eingestellten Diabetes erfolgt die Entbindung in der 39. bis 40. Schwangerschaftswoche. In England findet eine Einleitung etwas früher statt (37. bis 38. Woche), genauso wird in Kanada eine vorzeitige Entbindung (38. bis 39. Woche) empfohlen. Zur Einschätzung des Risikos auf einen IUFT werden verschiedene Parameter herangezogen und bewertet, wie beispielsweise die fetale Biometrie, der präkonzeptionelle HbA1c-Wert und der aktuelle HbA1c-Wert.1

Fazit für die diabetologische Praxis 

Angemerkt werden muss, dass laut den Daten des IUFT-Registers eine Behandlung der Diabetes-Erkrankungen recht gut funktioniert. Der HbA1c-Mittelwert konnte bei den Patientinnen im Register von 7,4 zu Beginn der Schwangerschafft auf 6,3 kurz vor der Entbindung gesenkt werden.1 Es muss also unter Diabetologinnen und Diabetologen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass alle Frauen im gebärfähigen Alter intensiver beraten werden hinsichtlich der Antikonzeption bzw. der Vorbereitung einer Schwangerschaft. 

Außerdem ruft Kaltheuner in seiner Session dazu auf, Patientinnendaten in das Register einzutragen, sofern bei Diabetes-Betroffenen in eigener Behandlung ein IUFT vorgefallen ist. Denn: Das Bemühen, diese seltenen Fälle zu analysieren und so mehr Erkenntnisse über den IUFT zu erhalten, ist die oberste Prämisse des Projekts. 

Weitere Highlights der DDG Herbsttagung finden Sie in unserer Kongressberichterstattung.

Quellen:
  1. Dr. med. Matthias Kalheuner: “Intrauteriner Fruchttod - wie Risikofaktoren erkennen, vorbeugen, verhindern?”. Symposium: Gestationsdiabetes. DDG Herbsttagung, 25. November 2022. 
  2. Däb, Reitzle et al. (2022). Schwangerschaftskomplikationen bei Frauen mit präkonzeptionellem Diabetes und Gestationsdiabetes mellitus in Deutschland. 
  3. DM Jensen (2009). Peri-conceptional A1C and risk of serious adverse pregnancy outcome in 933 women with type 1 diabetes, diabetes care, DOI: 10.2337/dc08-2061
  4. Smulian (2002). Fetal deaths in the United States: Influence of high-risk conditions and implications for management, Obstret Gynekol 2002.