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ILS und INZ – die neuen Säulen der Notfallversorgung

Die medizinische Notfallversorgung soll in den kommenden Jahren neu strukturiert werden. Kernelemente hierfür sollen Integrierte Leitstellen (ILS) und Notfallzentren (INZ) werden.

Reform der Notfallversorgung noch in aktueller Legislaturperiode möglich

Viereinhalb Jahre nach Vorlage des Sachverständigenrats-Gutachtens zur Reform der Notfallversorgung hat am 13.02. die Regierungskommission für die Krankenhausreform unter Leitung von Professor Tom Bschor eine Empfehlung vorgelegt, auf deren Basis das Bundesgesundheitsministerium ein Reformgesetz erarbeiten will. Bei der Vorstellung der Empfehlungen zeigte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach optimistisch, dass das Gesetz mit den Ländern zügig beraten werden kann; die Kompromissbereitschaft sei groß, so dass die Reform noch in dieser Legislaturperiode wirksam werden könnte.

Die Ziele der Reform:

Alles hängt an der Leistungsfähigkeit der ILS

Der Zugang zur Notfallversorgung findet über die Telefonnummern 112 oder 116 117 statt, hinter denen entweder ein und dieselbe Leitstelle oder verschiedene, aber durch feste Strukturen verbundene Leitstellen stehen. Beide Nummern sind 24/7 erreichbar, die 112 sofort (ohne Wartezeit), die 116 117 mit einer Wartezeit von maximal drei Minuten für 75 bis 95 Prozent aller Anrufer und binnen zehn Minuten für mehr als 95 Prozent der Anrufer.  Werden zulässige Wartezeiten überschritten, soll dies sanktioniert werden.

Mit standardisierten, wissenschaftlich validierten softwaregestützte Ersteinschätzungsinstrumenten stellen medizinisch qualifizierte Fachkräfte Dringlichkeit und Handlungsbedarf fest; dabei sollen alle Möglichkeiten der Telemedizin genutzt werden. 

Das Leistungsangebot der ILS umfasst: medizinische Beratung, Arzneiverordnungen in Kombination mit Botendiensten, Verweis auf (und Vermittlung zu) Vertragsärzten, KV-Notfalldienst, INZ-Notaufnahme, Entsendung eines aufsuchenden Dienstes wie den KV-Bereitschaftsdienst (Arztbesuch), pflegerische Notfallversorgung, Krankentransport, Notfallrettung mit Notarzteinsatz.

Der Kontakt mit den Integrierten Leitstellen muss für Patienten so vorteilhaft sein, dass kein Anreiz mehr besteht, sich direkt an ein INZ oder Krankenhaus zu wenden. Neben unmittelbarer Erreichbarkeit gehören dazu qualifizierte (tele-)medizinische Beratung und Vermittlung in die Weiterversorgung. Leitstellen müssen daher eine leistungsfähige, rund um die Uhr erreichbare allgemeinärztliche und kinderärztliche telemedizinische Beratung oder Videosprechstunde einrichten. Die Wartezeiten sollten zehn Minuten nicht überschreiten. 

Die Erwartung ist, dass weitaus mehr Nothilfesuchenden als derzeit üblich auf diese Weise abschließend geholfen werden kann. Für Patienten müssen dabei alle gängigen Videosysteme (Skype, WhatsApp, Zoom, Hangouts, Facetime) nutzbar sein; Patienten, die sich damit nicht auskennen, sollen diese Dienste von einer Apotheke eingerichtet werden können. Um Sprachbarrieren zu überwinden, sollen Dolmetscherdienste eingebunden werden.

INZ durchweg nur an Level-2- und Level-3-Kliniken

Die Integrierten Notfallzentren sollen an allen Krankenhäusern der erweiterten Notfallversorgung (Level 2, etwa 260 Kliniken) und der umfassenden Notfallversorgung (Level 3, 160 Kliniken) errichtet werden.  Wo es regional erforderlich ist, kann ein INZ auch an Krankenhäusern der Basisnotfallversorgung oder an einem 24/7-MVZ angesiedelt werden. 

Ein INZ besteht aus der Notaufnahme des Krankenhauses, einer KV-Notdienstpraxis und einer zentralen Ersteinschätzung (Tresen). Alle diagnostischen Möglichkeiten des Krankenhauses können durch das INZ genutzt werden. 

Die KV-Notdienstpraxis soll montags bis freitags von 14 bis 22 Uhr, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 9 bis 21 Uhr geöffnet sein. In Krankenhäusern des Levels 3 müssen diese Praxen 24/7 arbeiten können. 

Über die Leitung des INZ sollen sich Klinik und KV einigen; ist das nicht möglich, liegt die Leitung beim Krankenhaus. Die Ersteinschätzung soll perspektivisch mit einem standardisierten Algorithmus erfolgen, bis zu dessen Validierung durch qualifiziertes Personal und gegebenenfalls durch einen Arzt. Für die Notdienstpraxen sollen verbindliche Standards hinsichtlich ihrer technischen und personellen Ausstattung geschaffen werden. Die Kommission empfiehlt, die Spezialisierung der Pflegeberufe für Notfallmedizin zu fördern.

Ärzte, die in den Notfallpraxen oder im aufsuchenden Dienst arbeiten, sollen eine Weiterbildung in Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Chirurgie oder Anästhesie absolviert haben oder über eine Weiterbildungsqualifikation in Notfallmedizin verfügen. INZ an Kliniken des Levels 3 sollen ein telemedizinisches 24/7-Angebot vorhalten.    

Zur Finanzierung schlägt die Kommission zwei Varianten vor:

Unikliniken stimmen zu, KBV hält Erwartungen an Vertragsärzte für unrealistisch

Der Verband der Universitätsklinika reagierte in einer ersten Stellungnahme zustimmend auf das Konzept der Regierungskommission. Es sei richtig, Notfallzentren dort zu konzentrieren, wo Krankenhäuser eine interdisziplinäre Kompetenz bündeln; das sei in den Levels 2 und 3 der Fall.  Die Errichtung der erfordere aber auch Investitionen in Technik, dazu müssten Krankenhäuser gezielt gefördert werden.

Die KBV sieht dagegen nur einige brauchbare Ansätze in dem Konzept. Sie kritisiert vor allem die vorgesehenen Öffnungszeiten der KV-Notdienstpraxen an den INZ von 14 bis 22 Uhr werktäglich. Dies sei mit den Verpflichtungen zum Betrieb einer Arztpraxis kaum zu vereinbaren. Ferner wird befürchtet, die sich aus dem Sicherstellungsauftrag ergebenden Verpflichtungen im Notdienst könne den ärztlichen Nachwuchs abschrecken.