Ernährung und Lebensstiländerung bei Gicht Logo of esanum https://www.esanum.de

Gicht: warum Ernährung und Lebensstiländerung so wichtig sind

Die Gicht gilt als typische Erkrankung von Wohlstand und Überfluss und hat sich zur Volkskrankheit entwickelt. Dennoch lässt die Therapie oft zu wünschen übrig.

Hintergrund: Warum bekommen Menschen Gicht?

Typisch für den akuten Gichtanfall ist die Entzündung des Großzehengrundgelenks, die sogenannte Podagra. Zusammen mit einer entsprechenden Anamnese (Ernährung) und Laboruntersuchung (erhöhte Harnsäurewerte im Serum) ist die Diagnose in der Regel rasch gestellt. Doch was nun?

Medikamentöse Akuttherapie: 3 gleichwertige Optionen

Beim akuten Gichtanfall gilt: rasch und kurz therapieren, d.h. nur so lange, bis die akute Entzündung abgeklungen ist. Dabei stehen folgende Wirkstoffe zur Verfügung:

Die Auswahl orientiert sich vor allem an bestehenden Komorbiditäten. Reicht eine Substanz allein nicht aus, ist auch eine Kombinationstherapie möglich. 

So weit, so klar und bekannt. Vernachlässigt wird jedoch oft die langfristige Betreuung der Betroffenen. Denn die Schmerztherapie kann die Harnsäureablagerung im Gelenk nicht aufhalten. Entscheidend für den weiteren Verlauf sind daher Aufklärung und die Suche nach Ursachen. 

Ernährungsumstellung genauso effektiv wie Allopurinol 

Ein Gichtschub wird meist durch eine purin- oder auch fruktosereiche Kost ausgelöst (Fruktose wird in der Leber in den Purinstoffwechsel eingeschleust). Purine sind DNA-Abbauprodukte, die vor allem bei Gewebe mit vielen Zellkernen wie der Muskulatur anfallen. Daher ist Fleisch in unserer Ernährung der Hauptlieferant für Purine. 

Dementsprechend ist eine purin- und damit harnsäurereduzierte Kost der Grundpfeiler der Gichtbehandlung. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der Harnsäurespiegel im Serum mit einer moderat reduzierten Zufuhr von maximal 500 mg Harnsäure pro Tag im Schnitt um 2 mg/dl senken lässt. Das entspricht etwa der Wirkung von Allopurinol, der medikamentösen Variante einer langfristigen Harnsäuresenkung.

Zu schnelle Gewichtsabnahme kann Gichtanfall provozieren 

Doch Vorsicht: Neben einer purinreichen Kost kann auch ein niedriger pH-Wert und damit eine Ansäuerung des Blutes einen akuten Gichtanfall auslösen, da sich Purine im sauren Milieu schlechter lösen. Auch hier spielt die Ernährung eine Rolle, allerdings anders als erwartet. Bei einer starken und raschen Gewichtsabnahme wie etwa beim Fasten, nach einer bariatrischen Operation oder nach Einnahme der beliebten Abnehmpille Semaglutid sinkt der pH-Wert durch Umstellung des Körpers auf den Ketonkörper-Stoffwechsel ab. Wenn der Harnsäurespiegel bereits zuvor erhöht war, kann es daraufhin zum akuten Gichtanfall kommen.

Übrigens: Eine vegetarische Ernährung löst beide beschriebenen Probleme auf einmal. Sie enthält wenig Purine und sorgt für eine milde Alkalose. Daher bekommen Vegetarier praktisch nie Gichtanfälle.

Neben den Klassikern Fleisch (purinreich) und Alkohol (senkt die Löslichkeit von Purinen) gibt es für die Ernährungsberatung weitere nützliche Tipps. So können auch andere purinartige Moleküle wie Koffein und Theobromin den Harnsäurespiegel in die Höhe treiben. Auf große Mengen an Kaffee oder schwarzem Tee sollten Menschen mit Gicht daher verzichten. Theobromin ist vor allem in (dunkler) Schokolade und Kakao enthalten. Auch hier sollten sich Betroffene zurückhalten.

Aufklären, aber richtig!

Auch wenn es vielen schwerfällt: Die Umstellung der Ernährung bleibt das A und O bei der Behandlung der Gicht. Das gilt heute genauso wie vor Jahrhunderten, als mancher Herrscher die Folgen üppiger Zechgelage in der Nacht darauf deutlich zu spüren bekam. Doch auch übertreiben sollte man es nicht – gerade heute, wo Menschen in der Hoffnung auf raschen Erfolg allzu leicht zu vermeintlichen Wundermitteln greifen. Patienten darüber adäquat und differenziert aufzuklären ist die Aufgabe von Hausärzten wie auch Rheumatologen.
 

Weitere Informationen zum Einfluss der Ernährung

Quelle:

Klinisches Symposium Die Hyperurikämie als Volkskrankheit – Was kann da jeder tun? Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 13.-16. April 2024.