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Vitiligo – viel mehr als ein kosmetisches Problem

Vitiligo ist weit mehr als ein ästhetisches Problem. Zu Diagnose, Therapiemöglichkeiten und Behandlung der Erkrankung sowie den psychosozialen Beeinträchtigungen informierten Experten auf der DDG-Tagung.

Klassifikation und Aktivitätsbestimmung der Vitiligo

Bei Vitiligo wird grundsätzlich zwischen segmentaler Form und nicht-segmentaler Form unterschieden. Die Erkrankungen haben unterschiedliche pathogenetische Mechanismen: Die NSV gilt als systemische Entzündungserkrankung, die SV ist hingegen noch kaum verstanden. Die Unterscheidung ist deshalb wichtig für Therapie und Prognose der Erkrankung, betonte Prof. Dr. Markus Böhm von der Klinik für Hautkrankheiten an der Universität Münster.

Für die Beurteilung des Akutstatus der Erkrankung sind die klinischen Zeichen essenziell: Hypochrome Ränder, Konfetti-Läsionen, inflammierte Vitiligo und das Köbner-Phänomen sind Zeichen für eine aktive Erkrankung. Auch die Ausdehnung der Erkrankung muss bestimmt werden. Dazu gibt es verschiedene Tools. Böhm empfahl die Nutzung der BSA anhand der Neuner-Regel. Ein Prozent entspricht etwa der Handfläche und den volaren Fingerseiten eines Patienten; 0,1% entspricht der volaren Daumenseite eines Patienten. Hilfreich für die Indikationsstellung zur Therapie ist die Checkliste vom Berufsverband Deutscher Dermatologen (BVDD) zu Vitiligo. 

Shared Decision Making beim Therapiemanagement der Vitiligo 

Böhm warb dafür, den Patienten über Shared Decision Making in die Therapieentscheidung aktiv einzubeziehen. Das Verfahren zielt auf eine bessere Adhärenz, Compliance und damit auf höhere therapeutische Effekte mit verbesserter Lebensqualität ab. Im Gespräch sollten klinisch relevante Informationen zu möglichen Therapien bei Vitiligo vermittelt werden, „inklusive der Option, gar keine Therapie zu machen“, sagte Böhm. Patientenerwartungen sollten besprochen, über die Erkrankung und ihren Verlauf informiert und Begleiterkrankungen thematisiert werden. 

Topisches Ruxolitinib ist die erste spezifisch für Vitiligo zugelassene Therapie. Die Creme wirkt auf die Gamma-Interferon-Signalwege, die an der Pathogenese der Erkrankung beteiligt sind. In den beiden randomisierten, doppelblinden und Vehikel-kontrollierten Phase III-Studien TRuE-V1 und TruE-V2 war die Wirksamkeit von topischem Ruxolitinib bei Patienten mit NSV (Alter von ≥12 Jahren) untersucht worden. Der JAK-Inhibitor führte zu einer signifikant besseren Repigmentierung als das Vehikel. 

Nach 52 Wochen erreichten etwa 50% der Patienten eine deutliche Repigmentierung im Gesicht. „Wie lange die Vitiligo schon bestand, spielte für den Therapieerfolg keine Rolle. Ich habe auch Patienten, die seit 30 Jahren an Vitiligo leiden und auf Ruxolitinib ansprechen“, berichtete Böhm. 

Vitiligo-Patienten auf psychosoziale Beeinträchtigungen screenen

Dass die psychosoziale Krankheitslast durch Vitiligo erheblich sein kann, stellte PD Dr. Rachel Sommer vom Institut für Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), klar. Sie berichtete, dass viele Patienten Stigmatisierung erlebten. Als Reaktion auf die Belastung durch die Erkrankung selbst und auf die erlebte Stigmatisierung, treten Anpassungsstörungen und somatoforme Störungen auf. Auch Störungen im Beziehungsverhalten werden beobachtet und manche Patienten berichten über suizidale Gedanken und Suizidversuche. 

Wie Sommer erklärte, haben Menschen mit Vitiligo ein 11-fach erhöhtes Risiko, eine körperdysmorphe Störung zu entwickeln. Damit ist ihr Risiko deutlich höher als das von Patienten mit Psoriasis, deren Risiko um das 6-fache erhöht ist. „Das zeigt, wie sehr auch die Patienten selbst ihre Erkrankung als entstellend wahrnehmen und unterstreicht, wie wichtig es ist, die psychosoziale Problematik in der Diagnostik mit zu berücksichtigen“, betonte Sommer. 

Sie riet von einem Freestyle-Screening ab, in dem man nur beobachtet, ob und wie sich der Patient psychisch verändert. Zumal Dermatologen Angststörungen und Depressionen ihrer Patienten generell unterschätzten, wie eine Studie aus 2018 zeigt. Deshalb sollten validierte Screening-Instrumente eingesetzt werden, Tools dafür und weitere Informationen findet man über DermaValue.

Ruxolitinib unterliegt keinem Verordnungsausschluss

Bibiane Schulte-Bosse, Fachanwältin für Medizinrecht in Bonn, stellte klar, dass Ruxolitinib keinem Verordnungsausschluss unterliegt, also verordnungs- und erstattungsfähig ist. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit und Erstattungsfähigkeit in der Indikation Vitiligo gilt: Bei Vorliegen eines Leistungsfalls (also einer Krankheit) hat der Versicherte Anspruch auf ein Apotheken- und verschreibungspflichtiges Arzneimittel (§ 31 Abs. 1 SGB V). Die Voraussetzung dafür ist: Es darf kein Ausschlusstatbestand (Life-Style-Arzneimittel) vorliegen und die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung (§§ 2, 12 SGB V) muss gewährleistet sein. 

„Das Wirtschaftlichkeitsprinzip besagt, dass Versicherte all das beanspruchen können und Krankenkassen all das bewilligen müssen, was zweckmäßig und ausreichend ist – und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet und wirtschaftlich ist“, erklärte Schulte-Bosse. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip gilt dann, wenn zwei gleichwertige Therapiealternativen vorliegen. 

Gibt es nur eine Therapieoption, ist diese wirtschaftlich im Sinne des SGB V. Ohne ausdrückliche Beschlussfassung des G-BA stelle die Behandlung der Vitiligo keine Life-Style-Indikation dar, so Schulte-Bosse und fügte hinzu: „Für Ruxolitinib besteht eine hohe Rabattvertrags-Abwicklungsquote, d.h. die pharmazeutischen Unternehmer haben mit den gesetzlichen Krankenkassen Rabattverträge geschlossen. Das dürften die Kassen gar nicht, wenn es sich um ein nicht-erstattungsfähiges Arzneimittel handeln würde.“

Quellen:
  1. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), 30.04. bis 03.05.2025, City Cube, Berlin.
    https://www.derma-tagungen.de/home/release/ddg2025/de-DE
    Plenumsdiskussion: Incyte Bioscience Germany GmbH: Vitiligo im Dialog 

https://www.arzneimittelleitfaden.de/wp-content/uploads/2023/06/ChecklisteTherapie-Vitiligoss5.pdf

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36260792/ 

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29247454/ 

https://www.dermavalue.com/de/