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Bundeskabinett beschließt Herzgesetz

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das überarbeitete Gesundes-Herz-Gesetz beschlossen. Ärzte und Krankenkassen kritisieren es als unzureichend.

Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Fokus

Deutschland ist bei der Verbesserung der Lebenserwartung in den vergangenen 20 Jahren trotz inzwischen höchster Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben deutlich im Vergleich zu Großbritannien, Spanien, den skandinavischen und den Benelux-Ländern zurückgefallen. Ein wesentlicher Grund dafür ist nach Auffassung von Epidemiologen und Kardiologen die unzureichende Prävention und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der mit 37 Prozent nach wie vor dominierenden Todesursache. Dies rechtfertigt nach Auffassung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die politische Initiative für das Gesunde-Herz-Gesetz, die allerdings auch eine Kontroverse mit der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen ausgelöst hat. In Reaktion darauf wird nun insbesondere der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Umsetzung des Gesetzes stärker einbezogen.

Ausbau der Früherkennungsuntersuchungen

Ein Kernelement des Gesetzes ist der Ausbau der Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern und Erwachsenen. In die U9 und die J1 sollen dazu erweiterte Leistungen zur Früherkennung auf familiäre (erbliche) Fettstoffwechselstörungen integriert werden, die ein starker Risikofaktor für eine frühzeitige kardiovaskuläre Erkrankung und einen frühen Herztod sind. Für die J1 wird ein Einladungssystem etabliert. Dazu Professor Stephan Baldus, Direktor des Herzzentrums der Universitätsklinik Köln:

"Familiäre, erbliche Fettstoffwechselstören sind eine der häufigsten erblichen Erkrankungen – sie bleiben aber gleichwohl oft unerkannt, trotz genetischer Untersuchungen bei Kindern in einem anderen Kontext. Ursächlich dafür ist, dass die Gesellschaft Herzkrankheiten als nicht gefährlich ansieht und diese verharmlost werden."

Lauterbach: Starker Effekt auf Mortalität

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erhofft sich von den erweiterten U9- und J1-Untersuchungen einen starken Effekt auf die Vermeidung eines frühen Herztods und insofern auf die Chance zu einer signifikant steigenden Lebenserwartung. Überdies könnten die Untersuchungsergebnisse einen Kaskadeneffekt zur Folge habe: Bei einem in einem Fall bestätigter erblicher Fettstoffwechselstörungen seien zugleich auch Geschwister und zumindest ein Elternteil einem hohen Risiko betroffen, gegen das aber, einmal erkannt, interveniert werden könne. 

Dies ist auch der Grund dafür, dass mit dem Gesetz auf eine konsequentere medikamentöse Behandlung von Risikofaktoren und bereits manifesten Erkrankungen hingewirkt werden soll, insbesondere durch den verstärkten Einsatz von Lipidsenkern. Zu Begründung sagte das Kardiologe Baldus, dass nur ein Drittel der Patienten mit Stoffwechselstörungen die wissenschaftlich definierten Zielwerte erreichen. Ursächlich dafür sei, dass von den Risikopatienten nur etwa 30 Prozent behandelt werden und Patienten mit manifesten Herz-Kreislauf-Erkrankungen nur 50 Prozent eine ausreichende medikamentöse Therapie erhalten.  

Für Erwachsene soll auch aus diesen Gründen der Check up erweitert werden, der im Alter von 25, 40 und 50 Jahren einen Anspruch auf eine Untersuchung auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen beinhalten soll. GKV-Versicherte werden von ihren Kassen zur Untersuchung eingeladen. Sie sollen ferner Gutscheine zu einer erweiterten Beratung und Messung von Risikofaktoren in Apotheken erhalten. Für niedrigschwellige Beratungsangebote in Apotheken sollen weitere pharmazeutische Dienstleistungen etabliert werden.  

Medikamentöse Tabakentwöhnung als GKV-Leistung

Um die Tabakentwöhnung wirksamer zu gestalten, sollen ärztliche Beratungen dazu etabliert werden, die extrabudgetär vergütet werden. Die medikamentöse Tabakentwöhnung wird eine Leistung der der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht nur auf schwere Tabakabhängigkeit beschränkt. Dem steht bislang der Lifestyle-Paragraph 34 SGB V entgegen. Versuche des Bundesausschusses, die medikamentöse Tabakentwöhnung etwa im Rahmen des DMP Asthma/COPD zu etablieren, scheiterten daher beim Genehmigungsverfahren durch das BMG. 

Ferner erhält der Bundesausschuss den gesetzlichen Auftrag, DMPs weiterzuentwickeln und ein neues DMP für Versicherte mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu beschließen.

Erste Reaktionen aus der Selbstverwaltung anerkennen partielle Verbesserungen in dem Gesetzentwurf. So begrüßt es die KBV, dass bei der Weiterentwicklung der Früherkennung und der Verordnung von Statinen nun der Gemeinsame Bundesausschuss ausdrücklich einbezogen werden soll, Gleichwohl fehle aber eine konsequente Umsetzung des Präventionsgedankens auch durch veränderten Lebensstil, Sport und gesündere Ernährung. Zu begrüßen sei auch der Ausbau von DMP-Angeboten unter der Voraussetzung, dass Ärzte systematisch über den Teilnahmestatus ihrer Patienten informiert werden.

Der GKV-Spitzenverband warnt davor, dass bei der Umsetzung des Gesetzes zentrale Grundsätze bei der Bestimmung des GKV-Leistungskatalogs – gemeint sind Evidenzbasierung und Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots sowie die Konkretisierung der Leistungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss – in Frage gestellt werden. 

Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte in einer ausführlichen Stellungnahme Mitte August darauf hingewiesen, dass die J1 schon bislang ein Screening auf Familiäre Hypercholesterinämie beinhaltet. Da allerdings der Gesamtcholesterinwert bei Heranwachsenden Schwankungen unterliegt, habe der GBA das IQWiG am 22. Februar mit einem Rapid Report zu der Frage beauftragt, ob ein generelles laboranalytisches Screening auf familiäre Hypercholesterinämie bei Kindern und Jugendlichen einen Nutzen oder einen Schaden hinsichtlich relevanter Endpunkte bewirkt. Dieser Report solle als Basis evidenzbasierter Entscheidungen des GBA dienen – aber dafür brauche man den Gesetzgeber nicht, so die Argumentation der Unparteiischen im Bundesausschuss.
 


 

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