Wesentliche Teil des vor Kurzem vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Gesundes-Herz-Gesetz stoßen bei Ärzten, Präventionsspezialisten und bei Krankenkassen auf massive Kritik. An der Notwendigkeit effektiverer Prävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten wird nicht gezweifelt, denn schon vor mehr als einem Jahr haben Epidemiologen auf das hohe Todesrisiko und die in Deutschland im internationalen sich unterdurchschnittlich entwickelnde Lebenserwartung hingewiesen.
Fast einmütig ist die Kritik an dem geplanten verstärkten Einsatz von Lipidsenkern durch gesetzliche Vorgaben. Das stelle einen Systembruch dar, so die KBV, weil das gesetzliche Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot ausgehebelt werde. Es sei abzulehnen, dass Ärzte breiten Bevölkerungsschichten und insbesondere auch Kindern Statine ziemlich unkritisch verordnen sollen, denn diese Arzneimittel seien mit einem teils erheblichen Nebenwirkungspotential verbunden. Ein wenig Licht sehen die KBV-Vorständler in zusätzlichen, früheren und regelmäßigen Check-ups. Vermisst wird allerdings eine konsequente präventive Umsetzung durch Beeinflussung der Lebensführung wie Rauchen, Adipositas, Fehlernährung und zu wenig Bewegung. Hier müsse schon in der Schule angesetzt werden; außerdem bedürfe es einer Mitwirkungspflicht von Patienten, um die Wirksamkeit von DMP zu sichern. Auch der Hausärzteverband und andere ärztliche Organisationen äußerten sich ähnlich kritisch zu den Gesetzesplänen.
Die Bedenken gegen einen breiten Einsatz von Lipdsenkern wird auch von den Kassen geteilt: Sie machen darauf aufmerksam, dass die vorgesehene Finanzierung der Arzneimittelkosten zu Lasten qualitätsgesicherter Präventionskurse gehe, die dann nicht mehr finanziert werden könnten. Diese Kurse, die unter anderem auch von der Bundesärztekammer sowie Sportmedizinern und anderen Präventionsexperten der großen Sportverbände entwickelt worden seien, seien 2023 von 1,5 Millionen Menschen genutzt worden.
Auch nach Auffassung des Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, zielt das Gesetz in die falsche Richtung: Er hält es für verfehlt, insbesondere bei Kindern auf Prävention durch Medikalisierung setzen, und plädiert für die Förderung gesunder Ernährung eines gesunden Lebensstils. Kindern zum Zweck der Prävention – möglicherweise lebenslang – Arzneimittel zu verordnen, müsse die absolute Ausnahme bleiben, wenn es medizinisch keine Alternativen gebe.
Andererseits: Eine erste gesundheitsökonomische Bewertung von Lauterbach Präventionsplänen fällt positiv aus: Bei etwa 500.000 Herzinfarkten und Schlaganfällen liegen pro Fall die Lebenszeitkosten bei 90.000 Euro. Die jährlichen Kosten für Untersuchungen, Labor und Medikamente lägen pro Fall bei 116 Euro. Möglich sei dadurch eine Minderung des Risikos für Schlaganfall und Herzinfakt von gut sechs Prozent – und daraus resultiere eine Ersparnis von jährlich 1,2 Milliarden Euro für die Krankenkassen.
Die Rahmenbedingungen für die seit kurzem von der Ständigen Impfkommission empfohlene RSV-Impfung mit einem monoklonalen Antikörpern stoßen auf Kritik beiKBV und Pädiatern. Die Impfung sei derzeit keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. In der notwendigen Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums fehle es aber an einer Vergütungregelung. Offenbar soll Impf- und Beratungsaufwand durch die allgemeine Versichertenpauschale von 26,85 Euro je Fall abgedeckt werden. Bei insgesamt 685.000 Geburten von April 2023 bis März 2024 und einer ähnlichen Geburtenrate in diesem Jahr sei mit derart hohem Aufwand der Pädiaterpraxen zu rechnen, dass dieser nicht von der Pauschale abgedeckt sei, so der Berufsverband der Kinderärzte. Dabei wird die Impfung, weil sie Hospitalisierung RSV-Infektionen erheblich mindert, auch gesundheitsökonomisch für sinnvoll erachtet. Die stationären Behandlungskosten bei RSV pro Fall belaufen sich auf 4040, bei einer intensivmedizinischen sogar auf 58.800 Euro, so Professor Florian Hoffmann von der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin.
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin hat die am 5. Juli in Kraft getretene Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Einrichtung von Zentren für Intensivmedizin begrüßt. Die Richtlinie verpflichtet dazu, dass solche Zentren multiprofessionelle Expertise zur Versorgung von Intensivpatienten nachweisen müssen. Da die Zentren in speziellen Fragen auch von umliegenden Krankenhäusern etwa durch telemedizinische Beratungen in Spezialfragen beraten werden sollen, fordert der GBA dazu eine Verfügbarkeit von Medizinern mit entsprechendem Facharztstatus. Abzuwarten bleibe, so die DGIM, ob das konsequent umgesetzt werde.
70 Prozent der 650 von der Unternehmensberatung Roland Berger befragten Klinikchefs berichten von Verlusten ihrer Häuser im vergangenen Jahr. Nach ihrer Einschätzung rechnen 28 Prozent damit, dass ihre Klinik im Laufe dieses Jagres insolvent werden könnte. In Bedrängnis sind nicht nur kleinere Häuser auf dem Land, sondern auch Großkliniken und Unis. Vor allem in Ballungszentren leiden Krankenhäuser unter mangelnder Kapazitätsauslastung und überdurchschnittlicher Lohnkosten. Den Ausweg sehen die Klinikmanager vor allem in einer Marktbereinigung: Fusionen, Verbundbildungen, Synergien durch Kooperation und Konzentration. Ob die in Arbeit befindliche Vergütungsreform die Finanzierung auf eine solide Basis stellen wird, sei derzeit nicht kalkulierbar. Es gebe kein Modell, mit dem sich für ein bestimmtes Krankenhaus der Effekt der neuen Vergütungselemente berechnen ließe, so der Studienautor Peter Magunia, Partner und Krankenhausspezialist bei Roland Berger.