Skin Picking: Wie kann man die Krankheit bewältigen? Logo of esanum https://www.esanum.de

Management von Skin Picking: Bewältigung statt Symptomheilung

Betroffene empfinden ihre unebene Haut als unerträglich, oft steckt eine Zwangsstörung dahinter. Das Management von Skin Picking ist ein langwieriger Prozess, der eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert.

Interview mit Prof. Uwe Gieler 

Ursachen und Einfluss der Skin Picking Disorder

Professor Uwe Gieler erklärt, dass die Ursachen der Skin Picking Disorder (SPD) vielfältig sind. Bei einigen Betroffenen tritt die SPD bei scheinbar gesunder Haut auf und dient der psychischen Spannungsabfuhr. Dies kann durch verschiedene Persönlichkeitsprobleme oder Spannungen in Familie und Beruf ausgelöst werden. Andere Betroffene haben Hauterkrankungen wie Urtikaria oder Neurodermitis, die zu exzessivem Kratzen führen. Grundsätzlich spielen die vielen Nervenendigungen in der Haut, insbesondere die molekularen C-Fasern, eine wichtige Rolle. Diese Nervenendigungen sind in hoher Dichte (50 pro Quadratzentimeter) vorhanden und sehr aktiv, was zur Symptomatik beitragen kann.

Auswirkungen auf die Lebensqualität

Das Hautbild hat einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen. Laut Prof. Gieler kann dies bis zur Suizidalität führen, da viele Menschen die Situation nicht mehr aushalten. Betroffene ziehen sich oft sozial zurück, vermeiden Kontakte und nehmen nicht mehr an normalen sozialen Situationen teil, was zu einem sozialen Suizid führen kann.

Neurologische und ganzheitliche Ansätze

Echte neurologische Erkrankungen, die die SPD begünstigen, sind selten. Eine Ausnahme stellt das Trigeminal Trophic Syndrome dar, bei dem Nerven betroffen sind, die zu Veränderungen in den C-Fasern der Haut führen. Eine neurologische Untersuchung bei der SPD kann jedoch sinnvoll sein, um andere Ursachen auszuschließen.

Im Management der SPD hat sich ein ganzheitlicher Ansatz bewährt. Die Psychodermatologie betrachtet die SPD im Rahmen eines biopsychosozialen Krankheitsmodells, das biologische, immunologische, genetische und psychische Aspekte integriert. Viele Betroffene leiden unter einer zwanghaften Störung, die zu einem zwanghaften Bedürfnis führt, unebene Haut zu beseitigen.

Rolle der kognitiven Verhaltenstherapie

Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) spielt eine zentrale Rolle im Umgang mit der SPD. Prof. Gieler betont, dass es bei der Therapie nicht um Heilung, sondern um Bewältigung geht. Verhaltenstherapeutische Methoden, wie Ablenkungstechniken und positive Verstärkung, helfen den Betroffenen, neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Dies ist jedoch oft nur der Einstieg in die Therapie, da tiefere psychische Probleme, wie Spannungen oder traumatische Erfahrungen, bearbeitet werden müssen.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Dermatologen und Psychologen ist entscheidend für ein erfolgreiches Management von SPD. Viele Dermatologen verfügen über eine psychosomatische Grundversorgung, die es ihnen ermöglicht, leichtere Fälle zu behandeln. Bei tieferliegenden Problemen ist jedoch eine Überweisung an psychotherapeutische Fachkräfte oder spezialisierte Kliniken notwendig. SPD betrifft etwa 1,7% der Bevölkerung, was die Notwendigkeit eines integrierten Managementprogramms unterstreicht.

Fazit: Skin-Picking-Management: komplex und interdisziplinär 

Prof. Gieler betont, dass das Management von Skin Picking ein komplexer Prozess ist, der eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Die Kombination aus verhaltenstherapeutischen Techniken und psychotherapeutischer Bearbeitung tieferliegender Probleme kann den Betroffenen helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern und die Symptome besser zu bewältigen.

Über Prof. Dr. Uwe Gieler 

Prof. Dr. Uwe Gieler ist Facharzt für Dermatologie und Venerologie sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Er ist als Chefarzt der Klinik für Psychosomatik am Vitos-Klinikum in Gießen tätig. Außerdem hat Gieler den Arbeitskreis Psychosomatische Dermatologie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft mit aufgebaut.