- Kremer Andreas, Prof. Dr. med., Fortschritte in der Behandlung der PBC: Bekannte Therapieansätze und aktuelle klinische Daten (Gilead Sciences GmbH), Viszeralmedizin 2024, 3.10.2024, 13:15 bis 14:15 Uhr, Leipzig.
Die Primär Biliäre Cholangitis (PBC) ist eine seltene immunvermittelte Erkrankung der kleinen Gallenwege mit einer Prävalenz von 25-40 pro 100.000 Einwohner. Histologisch zeigt sich im unbehandelten Akutstadium eine floride nicht-eitrige Cholangitis. Diese ist nur schwer von einer fulminanten Autoimmunhepatitis abzugrenzen. Das weibliche Geschlecht überwiegt deutlich in einem Verhältnis von 9:1. Das Manifestationsalter liegt bei 40-60 Lebensjahren. Unbehandelt liegt das Überleben bei 7,5 bis 16 Jahren. Da es sich um eine cholestatische Erkrankung handelt, sind die Laborparameter alkalische Phosphatase (AP) und GAMMA-GT erhöht. Fatigue, Pruritus, Sicca-Symptomatik und Gelenkbeschwerden zählen zu den wichtigsten Symptomen. Unbehandelt kann diese Autoimmunerkrankung tödlich enden.1
PBC-spezifische Autoantikörper (sp100 und gp210) und Alkalische Phosphatase sind die wichtigsten Biomarker bei der Erstdiagnose
Kremer ging auf die Rolle der Autoantikörper in der Diagnosestellung der PBC ein. Bei der PBC kommt es autoimmun bedingt zur Zerstörung der kleinen intrahepatischen Gallengänge. Dies kann in einer chronischen cholestatischen Lebererkrankung resultieren. Unbehandelt kann es im Laufe der Jahre zu Leberversagen kommen. Die PBC ist eine seltene und bisher unheilbare Erkrankung, die einen chronisch-progressiven Verlauf besitzt. Daher ist die frühzeitige Diagnosestellung in Verbindung mit einer adäquaten Therapie von höchster Priorität.1
Kremer betonte, dass die Diagnosestellung über den Nachweis von krankheitsspezifischen Autoantikörpern, einschließlich antimitochondrialer Antikörper (AMA) Anti-PDC-E2 und krankheitsspezifischer antinukleärer Antikörper (ANA) gegen sp100 und gp210 erfolgen kann. Neben ihrer Bedeutung bei der Erstdiagnose zählen diese krankheitsspezifischen Autoantikörper zu wichtigen Instrumenten für die Beurteilung der Krankheitsprognose bei PBC-Patienten. Zudem kann - neben einer AMA-/ANA-Erhöhung im Blut - auch ein erhöhter Wert für die AP als starker Hinweis auf diese Erkrankung gewertet werden. Diese zuletzt genannten Laborwerte machen bereits die PBC-Diagnose sehr wahrscheinlich. Zusätzlich können noch weitere Leberwerte wie Bilirubin, GAMMA-GT, GPT und GOT auffällig erhöht sein. Für die Erstdiagnose sind diese Leberwerte zwar nicht ausschlaggebend, sie helfen jedoch beim Monitoring des Krankheitsverlaufs. Nur bei wenig eindeutigen Fällen kommt die Leberbiopsie zum Einsatz.1
Kremer berichtete, dass die Leberbiopsie in folgenden Fällen zum Ausschluss einer zusätzlich zur PBC vorkommenden Erkrankung angewandt wurde:
Die regulären Kontrollen erfolgen 3, 6 und 12 Monaten nach Therapiebeginn, wobei bereits 3 Monate nach Therapiebeginn erkennbar ist, ob ein adäquates Therapieansprechen vorliegt oder nicht, so Kremer. In den ersten 2-4 Wochen ist daher das Therapiemonitoring ausschlaggebend für den weiteren Verlauf. Die stärkste Reduktion der laborchemischen Parameter erfolgt in den ersten 3 Monaten nach Initiierung der PBC-Behandlung. Die Entscheidung über ein zusätzliches Therapeutikum zur Standardtherapie mit Ursodesoxycholsäure (UDCA) sollte spätestens nach 6 Monaten erfolgen.1
Die Laborwerte für die Alkalische Phosphatase und Bilirubin sind relevant für die Krankheitsprognose. Bei Normalisierung der Laborwerte und Besserung der Symptomatik reicht es aus, die Verlaufskontrolle 1 x jährlich durchzuführen. Liegt jedoch bereits eine fortgeschrittene PBC-Erkrankung vor bzw. eine Leberzirrhose, so sollten die Verlaufskontrollen engmaschiger erfolgen. Hellhörig sollte man werden, bei jungen PBC-Patienten mit Pruritus, da dies ein Hinweis auf die duktogene Variante sein kann. Der Pathomechanismus dieser Form zeichnet sich durch eine rapide Zerstörung der Gallengänge aus.1
Die PBC kann gemeinsam mit Komorbiditäten auftreten. Häufig handelt es sich hierbei ebenfalls um häufig Autoimmunerkrankungen. Hierzu zählen:
Neben der Notwendigkeit einer frühzeitigen Diagnosestellung spielt natürlich der Therapiebeginn - zunächst mit Ursodesoxycholsäure (UDCA) – eine wichtige Rolle, um den Krankheitsprozess zu verlangsamen. Kremer wies sein Auditorium darauf hin, dass eine lebenslange und frühzeitige Therapie der Patienten essentiell ist. Bei Therapie-naiven PBC-Patienten beginnt man leitlinienkonform mit UDCA (13-15 mg/kg/Tag). Eine frühzeitige UDCA-Therapie (vs. Placebo) verbessert das transplantationsfreie Überleben bzw. reduziert die Mortalität. Dies bekräftigen auch die Daten der großangelegten Global PBC Studie (n = 3902; 90 % der Patienten erhielten UDCA).1
Es gibt jedoch PBC-Patienten, bei denen eine Therapie mit (UDCA) nicht vertragen wird oder zu keinem ausreichenden Therapieansprechen führt. Bei > 5 % der Patienten liegt eine UDCA-Unverträglichkeit vor. Hier sollte zunächst - bei z.B. gastrointestinalen Beschwerden - eine UDCA-Dosisreduktion erfolgen. Falls UDCA weiterhin nicht vertragen werden sollte (eine echte UDCA-Unverträglichkeit liegt bei rund 1 %) ist der nächste Schritt ein Präparat-Wechsel - zunächst Obeticholsäure (5 mg/Tag).
Dank der Entwicklung neuer PBC-Therapeutika ist es heutzutage möglich, PBC-Patienten im Rahmen der Personalisierten Medizin zu behandeln. Kremer stellte hierfür das Modell vor, das er im klinischen Alltag nutzt. Dieses personalisierte Therapiemodell stützt sich auf die Standardtherapie UDCA. Das Therapieansprechen wird zu mehreren Zeitpunkten bewertet und die Therapie entsprechend angepasst. Kremer betonte in seinem Vortrag, dass eine Normalisierung der Alkalischen Phosphatase (zusammen mit niedrig-normalen Bilirubinwerte), den optimalen Fall darstellt. Bei dieser Patientengruppe reicht eine Verlaufskontrolle 1 x jährlich aus. Sie besitzt ein sehr niedriges Risiko für eine Krankheitsprogression.
Liegt ein adäquates Therapieansprechen vor (AP und AST < 1,5 x ULN; normale Bilirubin-Werte) in Kombination mit weiteren Risikofaktoren (ein Lebensalter unter 50 Jahren; eine fortgeschrittene Fibrose; das Vorliegen des gp210-Antikörpers) so besteht ein mildes bis moderates Risiko für eine Krankheitsprogression. Für diese Patientengruppe sollte ein zusätzliches PBC-Therapeutikum zum Einsatz kommen (Obeticholsäure oder Bezafibrat), um die Laborparameter zu verbessern: Ein tiefes biochemisches Ansprechen für AP, GOT und Bilirubin korreliert mit einem Überlebensvorteil für die therapierten PBC-Patienten- dies gilt nicht für Transaminasen und GAMMA-GT, so Kremer. Am meisten (zusätzlich 52,8 Monate Überlebensvorteil) profitiert folgende Patientengruppe von einem tiefen biochemischen Ansprechen für AP, GOT und Bilirubin: Alter ≥ 62 Jahren und LSM ≥ 10 kPa (Hinweis auf vermehrte Fibrose). Bei inadäquatem Therapieansprechen (AP > 1,5 x ULN, Bilirubin erhöht) besteht ein hohes Risiko für eine Krankheitsprogression. Falls dieser Fall 1 Jahr nach Therapiebeginn auftritt ist eine Leberbiopsie empfehlenswert, um andere zusätzliche Erkrankungen (AIH, Steatosis hepatis) auszuschließen.1
Kremer stellte dem Auditorium die Therapieoptionen bei PBC vor:
Bei Therapie-naiven Patienten sollte eine Therapie mit UDCA begonnen werden. Bei inkomplettem Therapieansprechen/ zusätzlichen Risikofaktoren stehen folgende Therapeutika zur Auswahl:
Bei einer dekompensierten Zirrhose sollte eine Lebertransplantation in Erwägung gezogen werden. Aktuell werden folgende Präparate in klinischen Studien untersucht: Seladelpar, Elafibranor, Saroglitazar, Setanaxib, Rhudex.1
Kremer informierte seine Zuhörerschaft über die neuesten Real-World-Daten zur Triple-Therapie, bestehend aus UDCA, Obeticholsäure und Bezafibrat (off-label-use). Die Kombination dieser drei anticholestatischer Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen ging in einer Phase-II-Studie bereits 12 Wochen nach Therapiebeginn mit einer Reduktion der AP einher.1
Therapieempfehlung orientiert sich an Risikostratifizierung im Rahmen der personalisierten Medizin.1