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Neue Biomarker bei neurologischen Erkrankungen

Biomarker stellen einen wichtigen Aspekt bei Diagnostik und Verlaufsbeobachtung zahlreicher Krankheiten dar. Auf dem DGN-Kongress 2021 wurden Entwicklungen zu Alzheimer, amyotropher Lateralsklerose, Spinaler Muskelatrophie und Multipler Sklerose vorgestellt.

Wegweiser bei der Diagnose, Therapie und Prognose

Biomarker stellen einen wichtigen Aspekt in der Diagnostik und Verlaufsbeobachtung zahlreicher Krankheiten dar. Auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wurden aktuelle Entwicklungen zu Markern bei Alzheimer, amyotropher Lateralsklerose, Spinaler Muskelatrophie und Multipler Sklerose vorgestellt.

Morbus Alzheimer: Aussicht auf Immunassay-basierte Biomarker

Die wegweisenden Biomarker bei der Alzheimer-Krankheit sind Beta-Amyloid- und Tau-Proteine, die beide schon sehr früh im Gehirn vorhanden sind – noch bevor alltagsrelevante Einschränkungen wie Demenz oder kognitive Beeinträchtigungen auftreten. Aktuelle Messmethoden sind die Liquor- oder PET-Diagnostik bzw. im späteren Stadium strukturelle MRT-Untersuchungen.

Wie Prof. Thomas Duning (Klinikum Bremen Ost) im Rahmen eines Symposiums berichtete, führt das zeitige Auftreten der Marker dazu, dass sich die Diagnostik nicht mehr allein auf die klinischen Symptome stützt. Um die Therapie bereits im prä-klinischen Stadium beginnen zu können, seien frühe Markerbestimmungen essenziell. Die bisherigen Methoden sind aber z.T. teuer, noch nicht standardmäßig etabliert oder für die älteren, oft multimorbiden Patienten sehr invasiv. Auch gibt es Fortschritte bei der Messung  von Tau- und Amyloid-Proteinen im Blut, nachteilig sind aber die hohen Kosten der Diagnostik.

Vielversprechender ist die Entwicklung Immunassay-basierter Biomarker, die kostengünstig umgesetzt werden können. Die Kombination dieser Marker erreicht eine Sensitivität und Spezifität von ca. 90% und entspricht somit in etwa der Sicherheit der Liquordiagnostik. Die Herausforderung besteht allerdings noch in der genauen Bestimmung der einzelnen Biomarker und ihrer Kombinationsmuster. Dennoch ist davon auszugehen, dass diese Immunassay-basierten, finanzierbaren Bluttests bei der Alzheimer-Krankheit in Zukunft auf den Markt kommen werden.

Amyotrophen Lateralsklerose: Biomarker und Gen-Therapie

Für die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) kommt ein Biomarker zum Einsatz, der zwar nicht spezifisch für die Erkrankung ist, sich aber in hoher Konzentration im Liquor und Serum nachweisen lässt. Es handelt sich um die leichte Kette des Neurofilaments (NF-L), das sich physiologisch im Axon der Nervenzellen befindet und bei einer Nervenschädigung freigesetzt wird. NF-L fungiert als Diagnosemarker, wenn die Serumkonzentration einen altersabhängigen Grenzwert überschreitet.

Laut Prof. Thomas Meyer (Charité, Berlin) wird derzeit noch daran geforscht, inwieweit NF-L auch einen Prognose- und Therapiemarker darstellen könnte. Mehrere Studiengruppen haben sich bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt und kamen zu dem Ergebnis, dass hohe NF-L-Konzentrationen mit einer erhöhten Progressionsrate verbunden sind. Dieser Zusammenhang ist ein wichtiger Schritt in Richtung Präzisionsmedizin, bei der neben dem klinischen Befund und Vitalparametern nun auch der Biomarker NF-L integriert werden kann.

Eine weitere Komponente der labormedizinischen Diagnostik –  und damit auch Marker der Erkrankung – sind verschiedene genetische Varianten der ALS. Mehrere Gene sind bekannt, die eine ALS auslösen können und auch bei der sporadischen Form sind teilweise genetische Mutationen nachweisbar. Man geht davon aus, dass mindestens 10 % der ALS-Patienten eine genetische Veränderung aufweisen. Darüber hinaus lässt sich bei 2 % aller Erkrankten in der genetischen Diagnostik eine Mutation des SOD1-Gens detektieren. Eine Therapie gegen diesen Gendefekt ist aktuell Gegenstand einer Phase-3-Studie. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit könnten demnächst eine genetische Behandlung der ALS möglich machen.

Spinale Muskelatrophie: Gendiagnostik als Wegweiser

Bei der spinalen Muskelatrophie (SMA) spielt die laborchemische Gendiagnostik eine entscheidende Rolle. Viele der Erkrankten sind Träger einer SMN1-Genmutation. Der Gendefekt kann durch ein Reserve-Gen, das SMN2-Gen, kompensiert werden. SMN2 liegt bei jedem Betroffenen in unterschiedlicher Kopienzahl vor, die den Phänotyp der Krankheit und das Ansprechen auf die zur Verfügung stehende Gentherapie beeinflusst. Daher sind bei der SMA zwei unterschiedliche laborchemische Untersuchungen von Interesse:

  1. Die Analyse des SMN1-Gens zur Sicherung der Diagnose an sich.
  2. Die Bestimmung der Kopienzahl des SMN2-Gens zur prognostischen Abschätzung.

Multiple Sklerose: Stellenwert des Markers Neurofilament

Neben der MRT und den klinischen Untersuchungen spielen laborchemische Marker eine zunehmende Rolle in der Diagnose, Prognose und Therapie-Evaluation der Multiplen Sklerose (MS). PD Dr. Tobias Ruck (Universitätsklinikum Düsseldorf) betonte, dass neben Biomarkern, die überwiegend im Serum und Liquor bestimmt werden, der wissenschaftliche Fokus auf zellulären Immunmarkern liege; Immunzellen bzw. deren Subtypen werden dabei analysiert und ihre Veränderungen korrelieren mit klinischen Outcomes.

Ein aktuell viel diskutierter zellulärer Marker ist das Neurofilament (NF), das auch in geringster Serum-Konzentration nachgewiesen werden kann. Neurofilamente korrelieren mit dem klinischen und radiologischen Outcome. Durch den Verlauf der NF-Konzentration lassen sich auch prognostische Aussagen treffen, z. B. ob sich eine Gehirn- und Rückenmarksatrophie entwickelt oder wann die Konversion zur chronisch progredienten MS stattfindet. Diese Faktoren können die Therapieentscheidungen maßgeblich beeinflussen. Und auch in der Planung des Follow-ups können die Neurofilamente wegweisend sein, wenn beispielsweise bei niedrigen, stabilen NF-Werten engmaschige MRT-Kontrollen verzichtbar sind und die Verlaufskontrollen so ausgedehnt werden können.

Einige Aspekte hindern aber noch die klinische Umsetzung: Hohe Kosten und die Vielzahl der Testverfahren stehen der Standardisierung noch im Wege, was auch für andere Biomarker der MS gilt. Aber auch hier schreitet die Entwicklung voran. Die Zukunft wird wohl in einer Kombination verschiedener Marker liegen, die die Möglichkeiten zur Therapieentscheidung und diagnostischen sowie prognostischen Vorhersage noch weiter verbessern.

Autor:

Dr. med. Michaela Hilburger

Referenzen:

Duning, T. Prof. Dr. med., Klinikum Bremen Ost, Symposium: Biogen: Biomarker – Publikum: Neurodegeneration, Neuroinflammation und neuromuskuläre Erkrankungen: Thema Alzheimer-Krankheit, DGN-Kongress 2021, 05.11.2021.

Meyer, T. Prof. Dr. med., Charité, Berlin, Symposium: Biogen: Biomarker – Publikum: Neurodegeneration, Neuroinflammation und neuromuskuläre Erkrankungen: Thema amyotrophe Lateralsklerose und spinale Muskelatrophie, DGN-Kongress 2021, 05.11.2021.

Ruck, T. PD Dr. med., Universitätsklinikum Düsseldorf, Symposium: Biogen: Biomarker – Publikum: Neurodegeneration, Neuroinflammation und neuromuskuläre Erkrankungen: Thema Multiple Sklerose, DGN-Kongress 2021, 05.11.2021.