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Macht Arztsein glücklich? – Von Work-Life-Balance bis Burnout

Der Arztberuf sei potenziell einer der gefährlichsten Berufe, so Dr. Ulrike Bossmann. Sie plädierte dafür, dass Ärzte trotz Zeitdruck und Stress gut auf ihre innere Balance achten sollten.

Was motiviert, Arzt zu werden? 

Die Psychologin Dr. Ulrike Bossmann, Karlsruhe, sprach über “Stress/Alltag/Happiness – Die Sicht der Verhaltens- und Glücksforschung auf den Kliniker”. Sie startete mit einer überraschenden These: Der Arztberuf sei potenziell einer der gefährlichsten Berufe. Begründung: Das Setting aus Schmerz, Leid und Tod, mit dem der Arzt konfrontiert ist, viele Konflikte, hierarchisches Gerangel, sogar auch Mobbing, Rahmenbedingungen wie Bürokratie, Ökonomisierung. Viele Ärztinnen und Ärzte erleben Burnout, Depression, Substanzmissbrauch. Die Suizidrate ist höher als in der Allgemeinbevölkerung. Einerseits sind Ärzte fähig, komplexe Dinge zu bewältigen und zugleich sind sie eine besonders vulnerable Gruppe. Wenn jeder fünfte Arzt in einen Burnout fällt, stellt sich für die Psychologin die Frage: Was machen die anderen vier richtig? Aus der Forschung weiß man: Resilienz und Happiness sind ein Prozess, der durch Gewohnheiten und Entscheidungen hergestellt wird. Welche sind das? 

Das Problem ist: Es gibt wenige Berufe, bei denen Motivlage und Alltag so weit auseinanderklaffen wie im Arztberuf. Ärzte wollen nicht ihre Patienten nach kurzer Zeit unterbrechen, sie wollen ihnen keine Empathie vorenthalten. Doch verfallen sie unter Druck in solche Handlungen. Denn unter Stress fängt der Mensch an zu sparen. Das führt zu einer Verlustspirale. Mittagessen, Teambesprechungen und Hobbys nach Feierabend fallen als erstes weg. Wer aber Investitionen in sich selbst spart, baut innere Ressourcen und Kraftquellen ab. 

Deswegen plädierte die Psychologin ausdrücklich dafür, dass Ärzte trotz Zeitdruck und Stress gut auf ihre innere Balance achten sollten. Wer aus Zeitnot an sich selbst und an der Kommunikation mit anderen spart oder sogar geizt, bringt sich immer weiter unter Druck. Ihre Botschaft: Es gibt immer mehr zu tun, die Arbeit endet nie, also muss der Arzt selbst die Grenze ziehen. Und durchaus sagen: Für heute ist es genug. Oder auch zugeben: Ich kann nicht mehr. Und sich dann Hilfe zu suchen.

Raus aus der Verlustspirale

Positive Alltagserfahrungen sind entscheidend, um aus der Verlustspirale auszusteigen. Das ist bekannt aus der Partnerschaftsforschung. Dazu gehört, gute Momente bewusst wahrzunehmen – beispielsweise Stolz auf das Geleistete. Oder sich regelmäßig abends die Frage stellen: Was war heute schön? 

Die konkrete Empfehlung ist: Sich nicht einseitig auf den Job zu konzentrieren. Beziehungen seien die wichtigste Glücksquelle. Eine wichtige Frage ist: Bin ich umgeben von Menschen, die ich mag? Auch Patientenkontakte gehören dazu. Das heißt, hier und da bei allem Stress und Druck den Menschen dahinter wahrnehmen, auch wenn es nicht immer zu schaffen ist. Patientenkontakte sind eine wichtige Quelle für Zufriedenheit. Dafür ist man schließlich mal Arzt geworden, meint die Psychologin. Viele Ärzte befinden sich irgendwo zwischen aufopfernder Selbstauflösung, der Haltung, ohne mich geht es nicht und einer zynischen Beziehungslosigkeit. Die Frage ist also: Was mache ich nicht mehr mit? Wo sind meine Grenzen? Zu unterscheiden: Wo bin ich wirklich unentbehrlich? 

Einen Tipp gab es am Ende: Resiliente Personen schaffen sich Zeit für Pausen, Zeit für Kollegen, Familie, Freunde. Und: Gut sei, immer einen Urlaub vor der Brust zu haben. Denn die Vorfreude auf den Urlaub sei besser als der Urlaub selbst. 

Ärzte in anderen Berufen

Prof. Jörg Felix Debatin, Mühlheim an der Ruhr, stellte seinen Beitrag unter die Überschrift "Ist Arzt sein wirklich alles? – Erfüllung als Arzt jenseits der Klinik".

Prof. Debatin weiß sehr gut aus eigener Anschauung, wovon er spricht – denn er hat viele unterschiedliche Rollen und Aufgaben im Berufsleben kennengelernt und ausgefüllt. Der Radiologe war u. a. Klinikchef, Hochschullehrer und Manager in der Digitalisierung. Aktuell ist er Vice-President bei GE Healthcare. Der rote Faden in seinem Berufsleben ist die Medizin. Die Formel für eine gelingende Karriere sei gar nicht einmal ein guter Plan, sondern: Glück, Zufall und Mut.

Viele beneiden uns, ist Prof. Debatin überzeugt. Mediziner leisten einen wichtigen Beitrag dafür, dass es der Gesellschaft etwas besser geht, sie sind anerkannte Helfer. Sie arbeiten ziemlich erfolgreich an der Verlängerung des Lebens und können stolz sein, auf das, was sie leisten. Wofür also sind Ärzte besonders gut geeignet? Sie bringen viele Dinge mit, die auch in anderen Bereichen außerhalb der Klinik sehr gefragt sind: Das eigene medizinische Know-how, Empathiefähigkeit, Flexibilität, Kreativität. Davon haben Ärzte überdurchschnittlich viel.

Ärzte sind per se wirklich schlau 

Ärzte sind auch zunehmend Team-Player – und nicht mehr so sehr Einzelkünstler. Ihr Vorteil: sie verstehen medizinische Grundlagen, reagieren schneller auf Incentives als andere Berufsgruppen, erkennen, was sich lohnt und was sich nicht lohnt, sind komplizierte Prozesse gewohnt, übernehmen Verantwortung.  

Sie sind wirklich per se einfach schlau. Kurz: Es lohnt sich, Arzt zu sein. Aber es gibt natürlich auch andere Bereiche, für die sie sehr gut geeignet sind. Das sind bestimmte Schnittstellen, in die sie das Medizinische einbringen können. 

Wo also sind Ärzte einsetzbar?

Oft sind das Führungsaufgaben. Hier liegt die positive Rolle, die Ärzte übernehmen können. Ärzte finden sich in entscheidenden Positionen in Unternehmen. Viele Ärzte sind Politiker – 15 allein im Bundestag. Zwei sind Ministerpräsidenten, in Hamburg und Sachsen-Anhalt. Ärzte treiben an vielen Stellen die Digitalisierung voran, nicht nur in der Medizin. Fazit des Referenten: "Ja, es gibt Erfüllung für Ärzte jenseits der Klinik. Und wir tun als Ärzte gut daran, die entsprechenden Schnittmengen mit unserem Know-how zu besetzen. Denn diese haben auch Einfluss auf unser ärztliches Umfeld insgesamt. Da können wir Ärzte sehr viel bewirken und leisten."