In Reaktion auf das Scheitern der fünften erfolglosen Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag an kommunalen Krankenhäusern hat die Große Tarifkommission des Marburger Bundes am Samstag die Einleitung einer Urabstimmung für Streiks beschlossen. Der Verband der Kommunalen Arbeitgeber hat am Freitag abgelehnt, über neue Arbeitsbedingungen im Schichtdienst zu verhandeln, obwohl in vorangegangenen Verhandlungsrunden dazu Bereitschaft bestanden habe. Angeboten hat der VKA eine Gehaltserhöhung von 2,0 Prozent zum 1. April 2025, weitere 2,5 Prozent zum 1. April 2026 und 1,5 Prozent zum 1. Dezember 2026. Für die Zeit von Juli 2024 bis zum 31. März 2025 sollte es eine pauschale Einmalzahlung von 500 Euro geben. Betroffen sind rund 60.000 Ärzte. Das Ergebnis der Urabstimmung wird noch vor Weihnachten bekannt sein. Warnstreiks sollen allerdings schon in den nächsten Wochen möglich sein.
Am Freitag entscheidet der Bundesrat, ob er mehrheitlich den Vermittlungsausschuss anrufen will, um weitere Änderungen an der Klinikreform zu erreichen. Notwendig wären dazu 35 der insgesamt 69 Stimmen in der Länderkammer. Dazu liegt ein Antrag aus Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen vor, der auf eine Aufweichung der Qualitäts- und Strukturkriterien für die Leistungsgruppen abzielt. Insbesondere geht es dabei um die Zahl der Fachärzte, die eine Klinik zur Erfüllung von Strukturkriterien vorhalten muss. Diese sei zu hoch und in vielen Regionen etwa Nordrhein-Westfalens nicht erfüllbar, so argumentiert Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Eine zweite Forderung ist die Schaffung einer Übergangsfinanzierung für die Kliniken für 2025, von denen bereits in diesem Jahr 80 Prozent rote Zahlen schreiben. Lauterbach lehnt eine Senkung der Strukturkriterien strikt ab und ist nicht bereit, zusätzliche Milliarden ohne umfassende strukturelle Reformen in die Kliniken zu investieren. Die vier Antragsteller könnten von weiteren Bundesländern unterstützt werden: Schleswig-Holstein, Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Beschließt der Bundesrat die Anrufung des Vermittlungsausschusses, dann ist die Reform aus Zeitgründen gescheitert. Das dürfte das Risiko für weitere Insolvenzen im nächsten Jahr deutlich erhöhen.
Nach dem Scheitern der Ampelkoalition und der nun geplanten Neuwahlen am 23. Februar – in der Sitzung des Bundestages am 16. Dezember will Bundeskanzler Olaf Scholz voraussichtlich die Vertrauensfrage stellen – stehen auch etliche Pläne für Gesundheitsreformen vor dem Aus. Eine ganze Reihe von Gesetzentwürfen sind gerade erst in das parlamentarische Beratungsverfahren gekommen, für andere liegen noch nicht einmal Referenten- oder Gesetzentwürfe vor.
Neben einem möglichen Scheitern des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes sind folgende wichtige Gesetze betroffen:
Noch keine Gesetzentwürfe liegen vor für die Apothekenreform, das Versorgungsgesetz II mit der Verbesserung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung, Reformen zur Stabilisierung der Finanzsituation der Kranken- und Pflegeversicherung, ein spezielles Entbürokratisierungsgesetz für das Gesundheitswesen, ein Gesetz für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen sowie die Reform des Patientenrechtegesetzes. Ebenfalls auf der Strecke geblieben ist die mit der Klinikreform verbundene Neuordnung des Rettungsdienstes und dessen rechtliche Eingliederung als eigenständiges Leistungskapitel im SGB V. Wichtige Zielsetzung war hier die enge Verzahnung mit der Notfallversorgung durch eine integrierte Steuerung von Notfallpatienten.
Ungeachtet des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode hat die Regierungskommission für die Klinikreform Empfehlungen für die Neuordnung der Geburtshilfe und Perinatalmedizin vorgelegt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begründet dies mit der nur mittelmäßigen Qualität der Geburtshilfe und der noch schlechteren Säuglingssterblichkeit. Die Empfehlungen:
Nur 38 Prozent der jüngeren Deutschen im Alter von 18 bis 29 wissen, dass Antibiotika ausschließlich gegen bakterielle Infektionen wirken. Tatsächlich hält fast die Hälfte dieser Gruppe Antibiotika auch bei Erkältungen für wirksam. Das geht aus einer Repräsentativbefragung der deutschen Bevölkerung anlässlich des Europäischen Antibiotikatages im Auftrag von Pharma Deutschland hervor. Auch das Verhalten wertet der Verband als riskant: Mehr als ein Viertel aller Befragten hat Antibiotika schon ohne ärztliche Verordnung eingenommen, 40 Prozent bewahren vorsorglich angebrochene Packungen im Arzneischrank auf. Nur 63 Prozent der jüngeren Menschen sind über Antibiotikaresistenzen informiert, während dieser Anteil in der Gesamtbevölkerung bei 81 Prozent liegt.
Nach einer WHO-Prognose könnten ohne Gegenmaßnahmen bis 2050 bis zu zehn Millionen Menschen von multiresistenten Erregern betroffen sein; die dadurch entstehenden Behandlungskosten könnten 90 Milliarden Euro betragen.
Neben den lange unterschätzten natürlichen Resistenzentwicklungen durch Genmutationen spielen Fehlgebrauch durch Ärzte und Patienten (durch Selbstmedikation) sowie der Einsatz in der Tiermedizin eine wesentliche Rolle bei der Ursachenfindung. Eine weitere Ursache ist Umweltverschmutzung durch Antibiotika in der Umgebung von Antibiotika-Produktionen in chinesischen und indischen Betrieben. Dort konzentriert sich nach Angaben von Pro Generika die Produktion: in China existieren 110 Standorte, in Indien 62, in Europa 54, in den USA nur einer und in Mexiko vier. Bezogen auf einzelne Wirkstoffe sind Monopole und Oligopole entstanden mit hohem Risiko für Lieferengpässe. Bisherige gesetzgeberische Maßnahmen wie das ALBVVG haben nicht dazu geführt, dass am Standort Europa Kapazitäten ausgebaut wurden. Die Industrie wertet die Anreize als zu gering.