Charité-Warnstreik: Ärztinnen und Ärzte demonstrieren Logo of esanum https://www.esanum.de

"Nicht mit uns!" – Charité-Personal streikt

Mit diesem Ruf lehnten sich Ärztinnen und Ärzte vor der Charité am 5. Oktober gegen die Arbeitsbedingungen in deutschen Krankenhäusern auf.

Erster Ärztestreik seit 15 Jahren 

"Wir sind viele, und wir sind laut!" Mit diesen Worten wird die Kundgebung am Berliner Robert-Koch-Platz eröffnet – gefolgt von tosendem Beifall und Zurufen. Seit 15 Jahren haben die Ärztinnen und Ärzte der Berliner Charité nicht gestreikt, doch jetzt ist es genug. Nach zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie und Arbeit weit über die Belastungsgrenze hinaus ist das Limit erreicht. Um auf die prekäre Arbeitssituation hinzuweisen, rief der Marburger Bund – Deutschlands einzige Ärztegewerkschaft – zum Streik auf. Dieser war natürlich mit einem enormen organisatorischen Aufwand verbunden, schließlich sollten Patientinnen und Patienten während des Arbeitsausfalls der Behandelnden nicht in ihrer Gesundheit gefährdet werden. Deswegen wurde ein Notdienst sichergestellt. Die Gewerkschaft spricht von rund 1000 Teilnehmenden, darunter mehrere hundert Ärztinnen und Ärzte. 

Was fordern Ärztinnen und Ärzte konkret? 

Zu Beginn der Kundgebung wurden die Hauptziele der Demonstration formuliert: Eine Verbesserung der Bedingungen im Krankenhaus, aber nicht nur für Ärztinnen und Ärzte, sondern für jegliches medizinisches Personal, wie beispielsweise Pflegekräfte. 

Auf Nachfrage äußerte eine Stationsärztin: "Wir brauchen unbedingt mehr Personal, das geht so einfach nicht mehr." Momentan sei kein Mindestpersonal festgesetzt, was eine enorme Überlastung der Fachkräfte zur Folge hat. "Mehr Geld ist nicht mal das Hauptziel des Streiks heute." Es gehe um die allgemeinen Arbeitsbedingungen. Zumindest eine verlässliche Dienstplanung, die vier Wochen im Voraus steht, wäre wünschenswert. Es sei weder normal, 80 Stunden statt 42 vertraglich festgesetzten Stunden zu arbeiten, noch, zehn bis fünfzehn Bereitschaftsdienste im Monat zu stemmen.   

"Also die ganze Debatte ist natürlich sehr komplex, aber im Großen und Ganzen geht es um bessere Arbeitsbedingungen", so ein junger Arzt der Charité. Solche äußern sich nicht nur in einem höheren Gehalt, sondern auch in einem Inflationsausgleich sowie in einer Deckelung des maximalen Bereitschaftsdienstes pro Monat. "Nachtdienste und Bereitschaftsdienste müssen auch endlich als solche abgerechnet und ausgezahlt werden". Die Forderungen sind also eindeutig. 

Sehr emotional äußerte sich auch Julian Gabrysch, Mitorganisator der Veranstaltung, auf der Bühne, der sich bei den Streikenden bedankte. Es koste viel Kraft, sich all den Widrigkeiten zu stellen und dennoch für seine Rechte aufzustehen, einen Streik über Monate zu organisieren und durchzuführen. "Ich habe die Tränen in den Augen gesehen, nach 24 Stunden Durcharbeiten, wo man sich nicht sicher war, ob man genug für seine Patienten da war", erinnerte sich der junge Assistenzarzt der Nephrologie

Wie es zum Ärztestreik kam

Auch Jana Reichardt, Mitglied im Marburger Bund, bedankt sich für die rege und laute Teilnahme am Warnstreik. Über sieben Monate haben sie und weitere Mediziner und Medizinerinnen ihre – schon kaum vorhandene – Freizeit geopfert, um den Streik zu organisieren. Bereits seit einem halben Jahr wird mit der Charité über den Haustarifvertrag verhandelt – bisher ohne zufriedenstellendes Ergebnis für das Personal. Bis keine deutliche Verbesserung der Situation eintrete, werden sie weiterkämpfen. "Nicht mit uns", lautet der gemeinsame Schlachtruf, der immer wieder vor der Charité ertönt. Gerade wegen der widrigen Umstände blieben nicht alle Angestellten ihrem Krankenhaus treu. Gabrysch ruft zu einer Minute Ruhe für diejenigen Kolleginnen und Kollegen auf, die sich dem Druck nicht weiter aussetzen: Personal, das gekündigt hat, Fachkräfte, die ihre Stunden reduziert haben. "Wir denken an euch", lautet die gemeinsame Botschaft. Das Zeichen der Solidarität und des Widerstands scheint gefruchtet zu haben: Übernächste Woche soll es in eine neue Verhandlungsrunde an der Charité gehen.

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