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VTE-Risiko: Tibolon so sicher wie Hormonpflaster

Zwei aktuelle Publikationen verdeutlichen den – hierzulande noch häufig unterschätzten –Stellenwert von Tibolon in der Hormonbehandlung von Frauen mit postmenopausalen Beschwerden.

Hormontherapie in der Postmenopause

VTE-Risiko: Tibolon so sicher wie Hormonpflaster

Zwei aktuelle Publikationen verdeutlichen den – hierzulande noch häufig unterschätzten –Stellenwert von Tibolon in der Hormonbehandlung von Frauen mit postmenopausalen Beschwerden.

Dass die Hormonersatztherapie (HRT) beim klimakterischen Syndrom eine wertvolle Therapiesäule darstellt, ist heute – nach vielen Jahren der Verunsicherung im Gefolge der WHI-Studie und der Million Women Study – unstrittig.1 Genauso unstrittig ist allerdings die Notwendigkeit zur sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung, zur umfassenden Patientenaufklärung als Grundlage für eine partizipative Entscheidungsfindung und zur Beachtung der unterschiedlichen Wirk- und Risikoprofile der diversen hormonellen Kompositionen und Applikationsformen.

Wie hängt das VTE-Risiko vom HRT-Präparat ab?

Anfang des Jahres wurde im British Medical Journal eine Arbeit mit zwei bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studien2 veröffentlicht, die bestätigt, dass ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) bei der transdermalen Applikation von reinen oder kombinierten Östrogenen nicht zu befürchten ist – und auch nicht bei oral appliziertem Tibolon.

In ihrer Datenbankanalyse werteten Wissenschaftler von der Universität Nottingham die elektronischen Krankenakten von über 80.000 Frauen im Alter von 40 bis 79 Jahren aus, die zwischen 1998 und 2017 eine primäre VTE erlitten hatten. Für die Kontrollgruppe wurden die Daten von über 390.000 merkmalsgleichen Frauen ohne VTE herangezogen. Als Indextermin diente das Datum der VTE-Diagnose.

Erhöhtes Risiko unter oraler HRT mit reinem oder kombiniertem Östrogen

Im Zeitraum von 90 Tagen vor dem Indexdatum lag die HRT-Behandlungsrate bei Frauen mit VTE bei 7,2 % und in der Kontrollgruppe bei 5,5 %. Der Anteil an oralen Präparaten war mit 85 % bzw. 78 % recht hoch und im Vergleich zur Nichtbehandlung mit einem signifikant um 58 % erhöhten VTE-Risiko assoziiert (adjustierte Odds Ratio/aOR 1,58). Für reine Östrogenprodukte betrug die errechnete Risikoerhöhung 40 %, für Östrogen-Gestagen-Kombinationen 73 %.

Dabei war die Risikozunahme abhängig von der Art des Östrogens und der Östrogen/Gestagen-Kombination, z. B.:

Das Risiko war auch abhängig von der Dosierung und fiel unter der Einnahme von Tabletten mit über 0,625 mg konjugiertem equinem Östrogen plus Norgestrel am höchsten aus (aOR 2,38).

Die transdermale Applikation der HRT war dagegen mit keinem erhöhten Thromboserisiko verbunden. Beim Vergleich von HRT oral versus transdermal ergab sich ein Risikofaktor von 1,70. Anders als unter Raloxifen (aOR 1,49) war auch bei der Anwendung von transdermalen Östrogencremes und -pessaren sowie bei der Einnahme von Tibolon keine gesteigerte VTE-Rate zu beobachten (aOR 1,02).

In absoluten Zahlen lauteten die Ergebnisse:

Transdermale HRT und Tibolon viel seltener genutzt

Die Beobachtung, dass bei oraler Behandlung mit Tibolon nicht mit einem vermehrten Auftreten venöser Thromboembolien zu rechnen ist, deckt sich mit den Erkenntnissen eines 2016 publizierten Cochrane-Reviews3. In ihrem Schlusswort heben die Autoren des BMJ-Papers den Umstand hervor, dass Hormonpflaster oder Tibolon-Tabletten „viel seltener genutzt“ werden als die mit einem erhöhten VTE-Risiko assoziierten oralen HRT-Präparate.

Zu beachten ist, dass Tibolon bei Frauen in höherem Alter mit einem gesteigerten Schlaganfallrisiko assoziiert wurde.4 Zudem ist der Einsatz des synthetischen Steroids bei bestehendem oder früherem Brustkrebs bzw. entsprechendem Verdacht kontraindiziert, da in einer Placebo-kontrollierten Studie ein leicht erhöhtes Rezidivrisiko zu beobachten war.5 Bestehende oder zurückliegende arterielle thromboembolische Erkrankungen wie Myokardinfarkt oder Schlaganfall zählen ebenfalls zu den Gegenanzeigen für Tibolon.6

Wann kommt Tibolon bevorzugt in Frage?

In einer aktuellen praxisorientierten Publikation7, die von der Prager Karls-Universität stammt, wird das leitliniengemäße Spektrum von Patientinnen, bei denen Tibolon gegenüber einer konventionellen HRT bevorzugt in Frage kommt, folgendermaßen zusammengefasst:

Postmenopausale Frauen mit akutem klimakterischem Syndrom
  • verminderte sexuelle Appetenz oder sexuelle Dysfunktion
  • Gefühlsschwankungen
  • beschleunigter Knochenverlust (Osteoporose-Prävention in der frühen Postmenopause)
  • Anamnese einer prämenopausalen Mastalgie und Brustspannung
  • hohe Brustdichte
  • Myome
  • Urogenitalprobleme
Umsteigen von HRT zu Tibolon
  • Mastalgie oder Brustspannung
  • erhöhte Brustdichte mit Notwendigkeit zur Wiederholung der Mammographie oder bei unlesbarem Mammogramm
  • Gefühlsschwankungen
  • Störungen der sexuellen Appetenz
  • irreguläre Blutungen ohne histopathologischen Befund
Frauen ohne akutes klimakterisches Syndrom
  • verminderte sexuelle Appetenz
  • Gefühlsschwankungen
  • Osteopenie
Jüngere Frauen – möglicher Einsatz
  • vorzeitige Ovarialinsuffizienz – mit sexueller Dysfunktion und Gefühlsschwankungen
  • Add-back-Therapie bei Langzeitanwendung von GnRH-Rezeptor-Agonisten
nach Fait 20194
Kein Wort zu Tibolon ... ?!
Im Bericht über die Studie von Vinogradova et al2 auf aerzteblatt.de wird – anders als bei der medialen Konkurrenz auf aerztezeitung.de – Tibolon mit keinem Wort erwähnt. Das ist schwer nachvollziehbar, bringt allerdings ein auffälliges Missverhältnis auf den Punkt: Während der Wirkstoff in Leitlinien als Therapiestandard anerkannt und weltweit eingesetzt wird8, spielt er in Deutschland bisher eher eine untergeordnete Rolle.
Tibolon Aristo®
Tibolon ist für die Behandlung von Östrogenmangel-Symptomen bei postmenopausalen Frauen zugelassen, bei denen die Menopause mehr als ein Jahr zurückliegt. Bei operativ bedingter Menopause kann die Behandlung sofort begonnen werden.6 Tibolon Aristo® ist als erstes Generikum für diesen Wirkstoff zugelassen.

Referenzen:

  1. S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen. AWMF-Registernummer 015-062. 2018. Version 2.0
  2. Vinogradova Y et al. Use of hormone replacement therapy and risk of venous thromboembolism: nested case-control studies using the QResearch and CPRD databases. BMJ 2019;364:k4810. doi:10.1136/bmj.k4810
  3. Formoso G et al. Short-term and long-term effects of tibolone in postmenopausal women. Cochrane Database Syst Rev 2016;10:CD008536
  4. Cummings SR et al. The effects of tibolone in older postmenopausal women. N Engl J Med 2008;359(7):697-708. doi: 10.1056/NEJMoa0800743
  5. Kenemans P et al. Safety and efficacy of tibolone in breast-cancer patients with vasomotor symptoms: a double-blind randomized, non-inferiority trial. Lancet Oncol 2009;10(2):135-46. doi:10.1016/S1470-2045(08)70341-3
  6. Fachinformation Tibolon Aristo® 2,5 mg Tabletten; Stand: 4/2018
  7. Fait T. Menopause hormone therapy: latest developments and clinical practice. Drugs Context 2019;8:212551. doi:10.7573/dic.212551
  8. Kenemans P, Speroff L. Tibolon: Klinische Empfehlungen und praktische Richtlinien. Ein Bericht der Internationalen Tibolon-Konsensusgruppe. FRAUENARZT 2005;7:575-80

Abkürzungen:
GnRH = Gonadotropin-Releasing-Hormon
STEAR = gewebeselektiv wirksamer Regulator der estrogenen Aktivität (selective tissue estrogenic activity regulator)
WHI = Women's Health Initiative