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Prämenstruelle Beschwerden: Wie kann der Arzt helfen?

Lebensstilintervention, Hormone und Antidepressiva – das sind in der gynäkologischen Praxis die bewährten Säulen zur Behandlung von Frauen mit PMS bzw. PMDS. Hat sich daran in den letzten Jahren etwas geändert?

„Ich bin von Pontius zu Pilatus gelaufen. Niemand hat mich ernst genommen, nicht einmal meine Gynäkologin. Und der Psychiater, zu dem ich gegangen bin, wusste auch nichts damit anzufangen.“ Diese Äußerung einer 42-jährigen Frau (verheiratet, drei Kinder) bei der Vorstellung in einer Klinikambulanz bringt ein für Patientinnen und Ärzte besonders nervenaufreibendes Thema der täglichen gynäkologischen Praxis auf den Punkt. Das Zitat entstammt dem Kasuistik-Beispiel in einem Beitrag zum prämenstruellen Syndrom (PMS) und zur prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS), der im vergangenen Jahr in Der Gynäkologe erschien.1 Die Autorin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, fordert abschließend dazu auf, „sowohl Psychiater als auch Gynäkologen für PMDS als frauenspezifische und interdisziplinär zu behandelnde psychische Störung zu sensibilisieren“.

PMDS: mehr Sensibilisierung nötig?

Braucht es wirklich mehr Sensibilisierung unter den Frauenärzten? Die aktuelle Datenlage bezüglich Epidemiologie und Versorgungssituation ist dürftig. Die überwiegende Mehrheit der Frauen im reproduktiven Alter berichtet über vorübergehende affektive, kognitive oder körperliche Veränderungen um die Zeit der Menstruationsblutung. Nur in einem Teil der Fälle werden die Symptome als relevante Beeinträchtigung wahrgenommen. Allerdings ist der diagnoseimmanente Leidensdruck und psychosoziale Leistungs- und Funktionsverlust mitunter so erheblich, dass drastische Konsequenzen im privaten und beruflichen Leben drohen, bis hin zu ernsten Beziehungskrisen und Jobverlust.

Eine Pathologisierung physiologischer Phänomene erscheint deshalb ebenso wenig angebracht wie die Vernachlässigung des Beratungs- und Behandlungsbedarfs bei Hunderttausenden von Patientinnen. Allein die 12-Monatsprävalenz der PMDS wird in der Literatur mit 3–8 % angegeben.1

Wichtig und (relativ leicht) machbar: exakte diagnostische Eingrenzung

Das physische, psychische und/oder verhaltensbezogene Beschwerdebild mit über 200 damit assoziierten Symptomen ist extrem vielgestaltig, wodurch sich die zielführende Diagnosestellung eines PMS bzw. einer PMDS verzögern kann. Je nach Situation ist eine Abgrenzung etwa gegenüber einer Depression, dem Beginn der Wechseljahre oder einer Schilddrüsenerkrankung erforderlich. Für eine Vielzahl von internistischen, gynäkologischen, neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen ist die Möglichkeit einer prämenstruellen Exazerbation beschrieben worden.1

Die retrospektive Eigendiagnose, mit der Frauen häufig in die Praxis kommen, hat sich in einer großen Studie als unzuverlässig erwiesen.2 Im Zentrum der PMS/PMDS-Diagnostik stehen die Fragebogen-gestützte Anamnese, Laboruntersuchungen inklusive hormoneller Analytik und das Zyklustagebuch, das prospektiv über mindestens zwei Zyklen geführt werden sollte und dann leicht den Weg zur Diagnosestellung ebnen kann: bei prämenstruellem Anstieg der Symptome und rascher Remission mit Beginn der Menstruation („On-off-Phänomen“) sowie Symptomfreiheit in der Follikelphase. Die gynäkologische Untersuchung verläuft unauffällig, Zusatzuntersuchungen bieten keinen spezifischen Nutzen.1,2,3

Die PMDS bzw. PMDD (Premenstrual Dysphoric Disorder) ist als eigenständige affektive Störung im DSM-V seit 2013 enthalten. In der neuen ICD-11, die am 1. Januar 2022 in Kraft treten soll, ist nun ein eigener Klassifizierungscode (GA34.41) und mit ihm die Einstufung als gynäkologische und nicht als psychische Krankheit vorgesehen.

Ungeklärte Pathogenese erschwert den kausaltherapeutischen Ansatz

Ist das PMS bzw. die PMDS diagnostisch eingegrenzt, stellt sich die Frage nach erfolgversprechenden Therapieansätzen. Die vermutlich multifaktorielle Genese ist noch immer nicht zufriedenstellend geklärt, was das kausaltherapeutische Vorgehen erschwert. Häufig, laut klinischen Studien bei etwa 40 % der Patientinnen, ist mit keiner der verfügbaren Therapieoptionen (inklusive Placebo) ein befriedigendes Behandlungsergebnis zu erreichen. In diesem Fall sollte immer auch die Diagnosestellung überprüft werden.3

Offensichtlich ist der Erkrankungsauslöser in den mit der Ovulation assoziierten hormonellen Schwankungen und deren zentralnervösen Auswirkungen bzw. Interaktionen zu suchen. Heute gilt eine Störung im Stoffwechsel und Rezeptorstatus von Neurotransmittern, insbesondere des Serotonins, als wahrscheinliche Hauptursache. Auch die dosisabhängige bimodale Wirkung des Progesteron-Metaboliten Allopregnanolon am GABA-A-Rezeptor wird als pathophysiologischer Faktor diskutiert.3,4

Genetik und Lebensstilfaktoren gehören zum Ursachenspektrum

Zwei Untersuchungsbefunde aus jüngerer Zeit verweisen zum einen auf eine genetische Prädisposition und zum anderen auf den Risikofaktor Alkohol:

In der Praxis bewährt: hormonale Kontrazeptiva und Antidepressiva

Für evidenzbasierte Therapieempfehlungen, etwa in Form einer Leitlinie, reichen die bisherigen Forschungsergebnisse nicht. Besonders bewährt haben sich in der Praxis die folgenden Therapiestrategien3:

Die Basis jedes Behandlungsmanagements bildet das umfassende Aufklärungs- und Beratungsgespräch. Die Therapieentscheidung erfolgt in Abhängigkeit von Art und Schweregrad der Symptome, individueller Situation – u. a. hinsichtlich Familienplanung bzw. Kontrazeptionsbedarf – und Patientinnenpräferenz. Zu den ratsamen Lebensstilinterventionen gehören v. a. aerobe sportliche Aktivität, Ernährungsumstellung, Stressreduktion und Entspannungstechniken.3

Diätetisch empfehlenswert sind neben viel frischem Obst und Gemüse, Vollkornprodukten und Fisch bzw. Omega-3-Fettsäuren die ausreichende Zufuhr von Vitaminen (v. a. B6, D) und Mineralien (Calcium, Magnesium) sowie der Verzicht auf Nikotin, Alkohol, Koffein und ein reduzierter  Salz-, Süßigkeiten- und ggf. Flüssigkeitskonsum. Phytotherapeutisch gibt es für den Einsatz des Mönchspfeffers (Vitex agnus castus) beim PMS eine gewisse Evidenz, v. a. bei Mastodynie. Als pharmakologische Optionen kommen zudem Schmerzmittel (v. a. NSAR) und Diuretika (v. a. Aldosteronantagonisten wie Spironolacton) in Betracht.7

SSRI: Off-Label-Einsatz in der gynäkologischen Praxis

Sowohl für die serotonerge Psychopharmakotherapie als auch für die Ovulationshemmung belegt eine Vielzahl von Studien die Überlegenheit gegenüber Placebo. Bemerkenswert sind allerdings auch die immer wieder zu beobachtenden hohen Placebo-Ansprechraten. Zum Einsatz kommen Antidepressiva aus der Gruppe der Serotonin- bzw. Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI: Fluoxetin, Citalopram, Sertralin, Paroxetin, Escitalopram; SNRI: Venlafaxin). Die Einnahme kann kontinuierlich über den gesamten Zyklus oder intermittierend nur in der zweiten Zyklushälfte erfolgen. Spürbare Erfolge sind, anders als bei der psychiatrischen Behandlung, häufig bereits kurzfristig und in niedrigen Dosierungen erzielbar. Auch die kognitive Verhaltenstherapie hat sich in randomisierten kontrollierten Studien bei milderen Varianten des PMS als wirksam erwiesen, besonders in Kombination mit SSRI.1,3,8

Da es in Deutschland kein speziell für PMS bzw. PMDS zugelassenes Psychopharmakon gibt, erfolgt die Behandlung im „Off-Label-Gebrauch“. Weder dieser Umstand noch Unsicherheiten bezüglich der frauenärztlichen Grundkompetenz sollten zur Meidung des indizierten Einsatzes von Antidepressiva führen. Das betont die Psychiaterin Prof. Anke Rohde von der Gynäkologische Psychosomatik der Universitätsfrauenklinik Bonn in einem aktuellen Fachbeitrag8. Zur Abgrenzung einer PMDS von psychiatrischen Krankheitsbildern und zur Optimierung der Behandlungsergebnisse trägt zudem eine gute Koordination von Hausarzt, Gynäkologe und Psychiater bzw. Psychotherapeut bei.9

Spezifische Evidenz für Drospirenon-haltige KOK

Die alternative Option der Ovulationshemmung zur Unterdrückung der hormonellen Schwankungen gelingt am einfachsten durch die Anwendung eines hormonalen Kontrazeptivums. Zunehmend häufiger kommen beim ausgeprägten PMS bzw. der PMDS kombinierte orale Kontrazeptiva im Langzyklus zum Einsatz.3,8 Diese Entwicklung entspricht der Empfehlung in der aktuellen S3-Leitlinie zur hormonellen Empfängnisverhütung.10

Dort und in einem kürzlich erschienenen Übersichtsbeitrag11 wird zudem auf die Evidenz für den erfolgreichen Einsatz von Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva bei PMDS hingewiesen. Bereits 2006 hat die FDA in den USA KOK-Präparaten mit 0,02 mg Ethinylestradiol und 3 mg Drospirenon zur Anwendung im verlängerten 24/4-Schema die Zulassung für die PMDS-Therapie erteilt – als den einzigen Medikamenten bisher. Bei Beachtung der enthaltenen Gestagenkomponente kommen auch andere KOK als wirksame Alternative in Frage. Aus evidenzbasierter Sicht sind bezüglich des Östrogen- bzw. Gestagen-Typs und des hormonfreien Intervalls allerdings – auch aufgrund der in den Untersuchungen häufig fehlenden exakten PMS/PMDD-Diagnosekriterien – noch einige Fragen offen.10,11,12

Xellia® 20 bei PMS/PMDS

Eine Filmtablette enthält 0,02 mg Ethinylestradiol und 3 mg Drospirenon. Dieses KOK-Generikum ist u. a. besonders geeignet bei wiederkehrenden prämenstruellen Problemen.

Referenzen:

  1. Dorsch V. Die prämenstruellen Syndrome PMS und PMDS. Prämenstruelle dysphorische Störung – Mythos oder behandlungsbedürftigeStörung? Gynäkologe 2018; 51:110-6
  2. O'Brien S et al. Diagnosis and management of premenstrual disorders. BMJ 20113;342:d2994
  3. Schwenkhagen A, Schaudig K. Frauenarzt-Serie: Hormonsprechstunde. Sie fragen – Experten antworten. Frauenarzt 2014;55(9):588-92
  4. Lanza di Scalea T, Pearlstein T. Premenstrual Dysphoric Disorder. Med Clin North Am 2019;103(4):613-28
  5. Dubey N et al. The ESC/E(Z) complex, an effector of response to ovarian steroids, manifests an intrinsic difference in cells from women with premenstrual dysphoric disorder. Mol Psychiatry 2017;22(8):1172-84
  6. Del Mar Fernández M et al. Premenstrual syndrome and alcohol consumption: a systematic review and meta-analysis. BMJ Open 2018;8(3):e019490
  7. Ludwig M. PMS gezielt und evidenzbasiert therapieren. Frauenarzt 2012;53:44-50
  8. Rohde A. PMS und PMDS – Behandlungsmöglichkeiten in der Frauenarztpraxis, wenn die psychischen Symptome im Vordergrund stehen. Gyne 2019;40(2):30-6
  9. Mishra S, Marwaha R. Premenstrual Dysphoric Disorder. [Updated 2018 Oct 27]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing 2019. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK532307/
  10. S3-Leitlinie Hormonelle Empfängnisverhütung. AWMF-Registernummer: 015/015. Version 1.0, Stand: August 2019. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-015.html
  11. Rapkin AJ et al. Contraception counseling for women with premenstrual dysphoric disorder (PMDD): current perspectives.Open Access J Contracept 2019;10: 27-39
  12. Lete I, Lapuente O. Contraceptive options for women with premenstrual dysphoric disorder: current insights and a narrative review. Open Access J Contracept 2016;7:117-25

Abkürzungen:
DSM-V = Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Auflage
ESC/E(Z) = Extra Sex Combs/Enhancer of Zeste
FDA = Food and Drug Administration (US-amerikanische Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit)
ICD-11 = International Classification of Diseases, 11. Aufage
NSRA = nichtsteroidale Antirheumatika