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KOK: Der Trend geht zum Langzyklus

Die Anwendung kombinierter oraler Kontrazeptiva im Langzyklus bekommt Aufwind – auch wenn sie „off-label“ erfolgt.

Bisher erfolgt die Anwendung von kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) im Langzyklus oder als Langzeiteinnahme hauptsächlich im „Off-Label-Use“ und nur bei speziellen Indikationen. Dazu zählen etwa der dringende Wunsch nach Blutungsfreiheit, starke Menstruationsbeschwerden, Eisenmangelanämie oder Symptome im hormonfreien Intervall (HFI) wie z. B. Migräne. In den neuen Leitlinienempfehlungen geht der Trend nun in Richtung einer gegenüber dem 21/7-Standard eher gleichberechtigten Option.

Aktualisierte britische KHK-Leitlinie: Off-Label-Gebrauch wird befürwortet

Anfang des Jahres hat die britische Faculty of Sexual & Reproductive Healthcare of the Royal College of Obstetricians & Gynaecologists (FSRH) ihre aktualisierte Leitlinie1 zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva veröffentlicht. Die wichtigste Botschaft lautet: Durch die Anwendung im Langzyklus bzw. individuell angepasste Einnahme-Schemata („tailored regimens“) kann die Zahl der Entzugsblutungen reduziert und die HFI-assoziierte Symptomatik gemindert werden. Allerdings ist mit dem Auftreten von irregulären (Zwischen- bzw. Durchbruch-) Blutungen zu rechnen.

Jenseits des 21/7-Standards mit dreiwöchiger Hormoneinnahme, gefolgt von einer 7-tägigen Hormonpause, gibt es bei der Einnahme monophasischer KOK drei Alternativen:

Die Leitlinie empfiehlt, verhütungswillige Frauen zugunsten einer breiteren Auswahl sowohl zum konventionellen Schema als auch zu den LZ/LZE-Regimes zu beraten und dabei über den Off-Label-Gebrauch aufzuklären, den die FSRH explizit befürwortet. Zudem heißt es: „Frauen sollten Zugang zu klaren Informationen (schriftlich oder digital) haben, um die verlängerte Anwendung zu unterstützen.“ Die Leitlinienautoren beziehen ihre Empfehlungen auf KOK mit weniger als 35 µg Ethinylestradiol, referieren eine Vielzahl an Studien und bewerten das Evidenzniveau als Expertenmeinung. Dabei gehen sie davon aus, dass sich die mit KOK gewonnenen Erkenntnisse auf Hormonpflaster und Vaginalring übertragen lassen.1

Neue deutsche S3-Leitlinie: Vorteile für den Langzyklus

In der nagelneuen deutschen S3-Leitlinie Hormonelle Empfängnisverhütung2 vom August 2019 lauten die korrespondierenden Empfehlungen:

Cochrane-Review: „Entscheidung den Frauen überlassen“

Beide Empfehlungen fußen auf dem Ergebnis eines Cochrane-Reviews3 aus den USA, der 2014 publiziert wurde. Ausgangsfrage war, ob eine kontinuierliche Pilleneinnahme über mehr als 28 Tage nur bei Endometriose, Dysmenorrhoe und menstruationsassoziierten Symptomen gerechtfertigt ist. Postuliert wurden bei gleicher kontrazeptiver Sicherheit Vorteile der Pille im Langzyklus aufgrund des besseren Blutungsprofils (inklusive Amenorrhoe) und einer höheren Patientienzufriedenheit, vor allem wegen der selteneren menstruellen Symptomatik im Vergleich zum bisher üblichen 21/7-Regime.

In insgesamt zwölf auswertbaren randomisiert-kontrollierte Studien fanden sich keine relevanten Unterschiede, weder körperlich noch sonografisch und bioptisch-histologisch bei der Endometrium-Kontrolle. Schlussfolgerung der Cochrane-Autoren: Die Entscheidung über 4-Wochen- oder Langzyklus kann den Frauen überlassen werden.3

Mehrheit der Frauen bevorzugt weniger Blutungen

Im Jahr 2003 erfolgte in den USA die erste Zulassung einer 91-Tage-Pille (30 μg EE + 150 μg LNG für 84 Tage plus 7 Tage Placebo). In einer einjährigen randomisierten Studie4 wurde ihr Einsatz mit der Einnahme der gleichen Wirkstoffkombination im konventionellen 21/7-Modus verglichen. Nach anfänglich berichteten Durchbruchblutungen (Spottings) gab es ab dem vierten Zyklus keine Unterschiede mehr zwischen beiden Regimes.

In einer repräsentativen Umfrage5 mit knapp 2.000 Teilnehmerinnen wurde hierzulande vor etlichen Jahren ermittelt, dass

Als Hauptgründe für den Wunsch nach regelmäßiger Entzugsblutung wurden genannt: Angst vor Schwangerschaft, Unfruchtbarkeit und Nebenwirkungen, sowie die Natürlichkeit der Menstruation. Nach 6-monatiger kontinuierlicher KOK-Einnahme präferierte eine Mehrheit der Frauen den Langzyklus gegenüber dem Standardmodus trotz einer erhöhten Rate an Zwischenblutungen. Diese traten vor allem bei Erstanwenderinnen auf, besonders während der Einnahme der zweiten KOK-Packung. Eine Umfrage unter Gynäkologen ergab, dass sie ein verlängertes Anwendungsschema vor allem aus medizinischen Gründen verordneten.5

Unterdrückung der Blutung: ein „normaler“ Vorgang mit diversen Vorteilen

Der Langzyklus wird unabhängig von medizinischen Indikationen auch bisher schon von vielen Frauen in Eigenregie aufgrund persönlicher Präferenz praktiziert.6 Angesichts des Spektrums der mit dem „Durchnehmen der Pille” verbundenen Vorteile, gerade auch angesichts beruflicher oder privater Herausforderungen, verwundert das nicht:

Bereits vor einem Jahrzehnt hat der Berufsverband der Frauenärzte in einer Pressemitteilung7 die diversen Vorteile der KOK-Langzeiteinnahme thematisiert und dabei bemerkt: „Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde die monatliche Blutung durch zahlreiche und häufig rasch aufeinander folgende Schwangerschaften und das Stillen des Säuglings unterdrückt. Zu dieser Zeit betrug die geschätzte Zahl der Ovulationen durchschnittlich 160 Zyklen pro Lebenszeit. Durch die moderne Entwicklung der Familienplanung und den frühen Eintritt der Geschlechtsreife erleben Frauen heute durchschnittlich 450 Zyklen. Dieser Anstieg mit seinen Befindlichkeitsstörungen wird als völlig normal betrachtet und es ist auch verständlich, die Unterdrückung der Blutung als normal anzusehen.“

In Zukunft keine Pillenpause mehr?

Inzwischen mehren sich die Beiträge in der internationalen und deutschen Fachliteratur, die die Vorteile der LZ/LZE-Anwendung und die mangelnde medizinische Begründung des bisherigen Standardschemas mit 7-tägiger Pillenpause stärker ins Bewusstsein rücken.u. a. 8–12

Dabei wird teilweise sogar gefordert, der verlängerten Einnahme als Verordner den Vorzug zu geben. So weisen zwei Autoren der gynäkologischen Universitätsklinik in Wien darauf hin, „dass das monatliche hormonfreie Intervall von 4–7 Tagen keine biologisch/medizinische Grundlage hat, sondern ausschließlich deshalb von Gregory Pincus eingeführt wurde, um die gesellschaftliche Akzeptanz der Pille bei der Einführung 1960 zu erhöhen.“11

Und ein Expertenduo aus London konkludiert: „Für die 7-tägige Pillenpause gibt es keine wissenschaftliche Evidenz. Sie sollte in der Erstlinienverordnung entweder durch ein kontinuierliches flexibles Regime oder LZ-Anwendungen mit verkürztem HFI ersetzt werden. Für Frauen, die eine monatliche ‚Blutung‘ präferieren, bietet ein 4-tägiges HFI in ähnlicher Weise einen größeren Sicherheitspuffer, falls Pillen ausgelassen werden.“12

So weit gehen die neuen Leitlinienempfehlungen nicht. Sie fordern aber dazu auf, den Blick bei der Kontrazeptionsberatung über das konventionelle 21/7-Schema hinaus auf den Langzyklus zu richten. Zwar sind die meisten der infrage kommenden und in Deutschland verfügbaren KOK-Präparate dafür nicht zugelassen. Dem Off-Label-Gebrauch steht aber bei entsprechender Nutzen-Risiko-Abwägung und Aufklärung der daran interessierten Patientin nichts entgegen.

KOK für die LZ/LZE-Anwendung (Off-Label):
Als niedrig dosierte Einphasenpräparate sind alle drei Swingo®-Produkte für den Langzyklus bzw. die Langzeiteinnahme im Off-Label-Gebrauch geeignet:

Referenzen:

  1. FSRH Guideline (January 2019) Combined Hormonal Contraception. BMJ Sex Reprod Health 2019;45:1-93
  2. S3-Leitlinie Hormonelle Empfängnisverhütung. AWMF-Registernummer: 015/015. Version 1.0, Stand: August 2019. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-015.html
  3. Edelman A et al. Continuous or extended cycle vs. cyclic use of combined hormo-nal contraceptives for contraception. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014;7:CD004695
  4. Anderson FD et al. A multicenter, randomized study of an extended cycle oral contraceptive. Contraception 2003;68:89-96
  5. Keck C et al. Kontrazeption im Langzyklus. Gynäkologe 2019;52:98-106
  6. Wiegratz I et al. Attitude of German women and gynecologists towards long-cycle treatment with oral contraceptives. Contraception 2004;69(1):37-42
  7. Berufsverband der Frauenärzte e.V.. Langzyklus – der Periode ein Schnippchen schlagen. Pressemitteilung vom 17.11.2009
  8. Lyndsey S et al. Why stop now? Extended and continuous regimens of combined hormonal contraceptive methods. Obstet Gynecol Clin N Am 2015;42:669-81
  9. Nappi RE et al. Real-world experience of women using extended-cycle vs monthly-cycle combined oral contraception in the United States. BMC Womens Health 2018; 18(1):22
  10. Wenderlein JM. Pille im Langzyklus ist nicht mehr Off-Label-Use. Frauenarzt 2019;60(5):330-4
  11. Fiala C, Häusler. Orale Kontrazeption: das hormonfreie Intervall reduziert die Wirksamkeit im Vergleich zum Langzyklus. Geburtshilfe Frauenheilkd 2018;78(05):A41
  12. MacGregor A, Guillebaud J. The 7-day contraceptive hormone-free interval should be consigned to history. BMJ Sex Reprod Health 2018;44:214-20

Abkürzungen:
EE = Ethinylestradiol
KHK = kombinierte hormonelle Kontrazeptiva
KOK = kombinierte orale Kontrazeptiva
LNG = Levonorgestrel
PCOS = polyzystisches Ovarialsyndrom
PMS = prämenstruelles Syndrom