Patienten und Bürger, vor allem aber auch niedergelassene Ärzte, können seit Freitagmittag den Bundes-Klinik-Atlas, der auf gesetzlicher Grundlage im Auftrag des Bundesgesundheitsministerium vom Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen erarbeitet worden ist, auf www.bundes-klinik-atlas.de nutzen.
In der Start-Version werden folgende Daten abgebildet:
Der Atlas gibt Aufschluss über die in Krankenhäusern vorhandene Expertise für 13.000 Krankheitsbilder und ermöglicht regional oder überregional einen interaktiven Vergleich von zehn Krankenhäusern gleichzeitig.
Die Daten des Atlas stammen aus Routineerhebungen, Abrechnungen sowie laufender Qualitätssicherung und liegen den Kassen und dem Institut für das Entgeltsystem der Krankenhäuser vor. Sie wurden in den vergangenen Monaten vom IQTIG für den Atlas aufbereitet; ferner bewertete das IQTIG die Aussagekraft verwendeter Zertifikate.
Noch in diesem Jahr wird der Atlas aktualisiert und liefert Daten, die auf dem Jahr 2023 (derzeit 2022) basieren. Ferner soll die Besetzung mit ärztlichem Personal transparent gemacht werden – eine wichtige Information deshalb, weil spezifische ärztliche Expertise für eher seltene und hochkomplexe Behandlungen und Interventionen nur sehr begrenzt und teilweise auch an kleineren Hochspezialisierten Krankenhäusern vorhanden ist. In Zukunft einbezogen werden sollen Leistungsgruppen, Level, Komplikationsraten und weitere überprüfte Zertifikate.
Unterdessen hat das Bundeskabinett am Mittwoch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) als Gesetzentwurf beschlossen; nun können die parlamentarischen Beratungen starten, die noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden könnten.
Die Reform, "eine Revolution", wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach dem Kabinettsbeschluss sagte, adressiert drei Probleme: die qualitativen Mängel nicht hinreichend spezialisierter Kliniken, die mengenfixierte Ökonomisierung durch die Fallpauschalen und dadurch medizinisch nicht indizierter und an falscher Stelle induzierter Interventionen sowie eine übermäßige Bürokratie, die bis zu einem Drittel der Arbeitskraft von Ärzten absorbiert.
Die Reform sieht im ersten Schritt nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen 65 Leistungsgruppen mit spezifischen Qualitäts- und Strukturanforderungen vor. Über die Zuteilung der Leistungsgruppen entscheiden die Länder im Rahmen ihrer Hoheitsbefugnis für die Krankenhausplanung nach Überprüfung der Qualitätsanforderungen durch die Medizinischen Dienste. Ausnahmen davon seien nur aus Gründen der Sicherstellung und in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten der Reform möglich. In diesem Punkt sei der Bund hart geblieben und habe nicht den Forderungen der Länder nach einer Aufweichung nachgegeben.
Die Fallpauschalen in der bisherigen Form werden aufgegeben und durch eine leistungsgruppenbezogene Vorhaltefinanzierung, die mengenunabhängig ist und 60 Prozent der Erlöse ausmachen soll, ersetzt. 40 Prozent der Erlöse sollen fallzahlabhängig bleiben.
Level 1i-Kliniken, die sektorübergreifend Leistungen unter Beteiligung von Vertragsärzten verstärkt auch ambulante Leistungen erbringen sollen, werden über Tagespauschalen und Hybrid-DRGs finanziert. Sie sollen die Grundversorgung sicherstellen und im wesentlichen Leistungen der Allgemeinen Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie erbringen. Möglich ist der Ausbau zu Primärversorgungszentren mit einer Angliederung von Kurzzeitpflege, aber auch stationärer Langzeitpflege.
Krankenhäuser mit Stroke Units, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben und Notfallversorgung sowie Unikliniken erhalten spezielle Zuschläge.
Als Folge der Umstellung der Vergütung und der Beseitigung von Fehlanreizen soll die einzelfallbezogene Prüfung der Krankenhausabrechnungen durch die Kassen entfallen. Elektronische Krankhausinformationssysteme sollen den Dokumentationsaufwand deutlich reduzieren, insbesondere für die Leistungsabrechnung.
Notwendige Investitionen für den Strukturwandel werden 2025 noch aus dem Krankenhausstrukturfonds, ab 2026 über einen Zeitraum von zehn Jahren aus einem mit 50 Milliarden Euro dotierten Transformationsfonds finanziert, der zur Hälfte aus Mitteln der GKV gespeist wird. Dies sei gerechtfertigt, so Lauterbach, um zu gewährleisten, dass die Mittel tatsächlich zur Modernisierung der Versorgung und nicht als reine Liquiditätshilfen verwendet werden.
Das Gesetz ist nach Prüfung durch das Bundesjustiz- und -innenministerium nach Lauterbachs Angaben nicht zustimmungspflichtig. Hingegen sind die aus dem Gesetz folgenden Rechtsverordnungen, die ab Herbst mit den Ländern beraten werden, im Bundesrat zustimmungspflichtig. Darin geregelt werden die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen in ein ausdifferenziertes System, wie es beispielsweise die medizinischen Fachgesellschaften fordern, und die Regeln für die Mittelverwendung aus dem Strukturfonds. Dies soll bis zum Frühjahr 2025 abgeschlossen sein. Lauterbach geht davon aus, dass die komplette Krankenhausreform, also auch die Gesetze zur Neuordnung der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes, noch in dieser Legislaturperiode fertiggestellt sein wird. Die Realisierung werde allerdings rund zehn Jahre in Anspruch nehmen.
Die Reform wird von medizinischen Fachgesellschaften, dem Verband der Uniklinika und den meisten Krankenhausexperten, darunter auch vom Sachverständigenrat Gesundheit, im Prinzip begrüßt. Kritik kommt von den Krankenkassen, die steigende Belastungen der Beitragszahler durch die Finanzierung des Transformationsfonds erwarten, ohne dass die qualitativen Verbesserungen garantiert sind. Die KBV wendet sich ebenfalls gegen diese Art der Finanzierung und sieht darin eine unfaire Bevorzugung der Krankenhäuser. Sie sieht darin einen Verstoß gegen das Beihilferecht der EU.