Impfungen spielen nach wie vor eine zentrale Rolle beim Schutz von Einzelpersonen und der Gesellschaft. Nicht nur hinsichtlich Infektionskrankheiten sind sie Präventionsmittel Nummer Eins, sondern sie schützen auch vor weiteren Folgen dieser Krankheit, beispielsweise vor Antibiotikaresistenzen. Insbesondere die COVID-19-Pandemie zeigte, wie effektiv Impfungen vor Infektionen bzw. schweren Verläufen dieser schützen konnte, hält Dr. Gerit Solveig Korr, Referatsleiterin 633 "Impfungen, STIKO" am Bundesgesundheitsministerium, fest.
Korr plädiert auf dem Impfgipfel dafür, Impflücken zu schließen, beispielsweise durch eine Prüfung des Impfausweises im Jugendalter bzw. beim Eintritt ins Erwachsenenleben. Denn durch Impfungen ist eine Eliminierung von Infektionskrankheiten möglich, wie beispielsweise die endemische Eliminierung von Masern und Röteln in Deutschland – seit 2020 unterschreitet Deutschland die geforderte Inzidenz der WHO, weshalb die beiden Infektionskrankheiten momentan als eliminiert gelten. Doch der Klimawandel bringt neue Herausforderungen: Veränderte klimatische Bedingungen führen dazu, dass sich Vektoren vermehrt in den Norden ausbreiten, beispielsweise die asiatische Tigermücke, die bereits jetzt in deutschen Breitengraden grassiert und somit neue Infektionskrankheiten einschleppt.
Momentan stagniert die nationale Impfquote, ist bei einigen Infektionserkrankungen sogar rückläufig. Viele im Kindesalter empfohlene Impfungen werden nicht vollständig verabreicht oder rechtzeitig vollendet. Daher ist es essentiell, das Impfsystem weiterzuentwickeln und digitale Lösungen anzubieten, um die Impfquoten wieder anzuheben, sind sich die Expertinnen und Experten einig.
Prof. Tomas Jelinek, Medizinischer Direktor am Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin (BCRT), spricht sich für niedrigschwellige Angebote aus. Denn es reiche nicht, Impfstoffe lediglich herzustellen, sie müssen auch zu den Menschen gebracht werden. Möglichst einheitliche und schnell umsetzbare Empfehlungen sind dafür essentiell. Gerade in der Reisemedizin hat man einen der besten Zugänge zu Erwachsenen, kann hier also optimal den Impfstatus überprüfen und sie zu Impfungen motivieren. Gerade innovative Angebote, wie Impfangebote in Outdoor-Läden kommen bei den Menschen gut an, werden allerdings von behördlicher Seite nicht immer gerne gesehen. Jelinek plädiert allerdings genau für solche "unkonventionellen" Angebote und erinnert an Corona-Impfungen in Einkaufszentren – genau solche niedrigschwelligen Angebote holten die Leute ab.
Außerdem ließen sich die Impfquoten steigern, so Alexander Greven und Marcel Weigand, die eine Umfrage unter rund 5.000 Bundesbürgerinnen und -bürgern durchgeführt haben, indem man die Erinnerungen an Impfungen steigert. Dabei könnte beispielsweise ein digitaler Impfpass helfen (z.B. als App auf dem Smartphone), der nicht nur alle bisherigen Impfungen festhält, sondern auch automatische Erinnerungen für anstehende Impfungen an den Besitzer ausspielt. Hier stellt sich jedoch die Frage, wie man unterschiedliche Generationen auf unterschiedlichen Informations-Kanälen erreicht.
Sind Impfungen und die Digitalisierung des Impfsystems Thema, so stellen sich natürlich auch immer ideologische und Kostenfragen. Von ärztlicher Seite ergibt sich aus der Digitalisierung ein weiterer bürokratischer Mehraufwand, denn bisher lief die Digitalisierung des Gesundheitswesens alles andere als problemlos. Medizinische Fachangestellte verbringen bereits jetzt einen Großteil ihres Tages mit bürokratischen Aufgaben. Durch sich ständig ändernde Anforderungen, spüren die Arztpraxen bisher noch nichts von einer Alltagserleichterung durch die Digitalisierung. Implementiert man also beispielsweise einen digitalen Impfpass, müssen MFA bereits in der Berufsschule hierzu ausführlich unterrichtet werden, um weiteren Mehraufwand einzudämmen.
Das befragte Bürger-Panel äußerte insbesondere Bedenken zum Datenmissbrauch und der Nutzung von Infos ohne eigene Kenntnisse. Auch wurden einige Verunsicherungen genannt, die beispielsweise hinsichtlich normaler Nebenwirkungen geäußert wurden. Hier ist vor allem eine stärkere Kommunikation mit Patientinnen und Patienten vonnöten, um ihnen mögliche Ängste vor Impfungen zu nehmen und sie zur Prävention zu motivieren.
Prof. Heidrun M. Thaiss, Vorstandsvorsitzende des Nationalen Aktionsbündnis Impfen, resümiert:
"Impfungen sind die wirksamste präventive Maßnahme, die wir haben. Das muss in der Bevölkerung klar werden."