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Was Ärzte über psychedelische Therapie wissen sollten

Drogen für die seelische Gesundheit? Das kommt manchen vielleicht immer noch seltsam vor. Dr. Andrea Jungaberle erklärt, was Ärzte über neuartige Therapieformen mit psychedelischen Substanzen wissen müssen.

Psychedelika-Therapie: LSD, Psilocybin und Ketamin im klinischen Test

Psychische Erkrankungen nehmen seit Jahren zu. Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Angst- oder Zwangsstörungen und auch Suchterkrankungen stehen im Fokus neuer Therapieansätze, die mit psychoaktiven Substanzen arbeiten.

Psilocybin, LSD, MDMA, DMT sind einige davon, die derzeit in Phase-II und Phase-III-Studien getestet werden. Sie erzielen bemerkenswerte Therapieerfolge, die mit herkömmlichen pharmakologischen Therapien nicht erreicht werden; zugelassen sind sie jedoch bisher nicht. Lediglich Ketamin wird als Off-Label-Behandlung bereits angewendet.

Was Ärztinnen und Ärzte über psychedelische Therapie wissen müssen, wie sie sich weiterbilden und was sie tun können, um ihren Patienten Therapiemöglichkeiten aufzuzeigen, weiß Dr. med. Andrea Jungaberle, Fachärztin für Anästhesie und Notfallmedizin, Mitgründerin der MIND Foundation und ärztliche Leiterin der OVID-Klinik in Berlin. 

Augmentierte Psychotherapie mit Ketamin

In der OVID Praxis für Augmentierte Psychotherapie arbeiten Andrea Jungaberle und ihr Team mit veränderten Bewusstseinszuständen und Psychotherapie. Neben Atemtechniken (Breathwork) kommt hier auch Ketamin zum Einsatz. Fünf- bis sechsmalige Gaben von Ketamin plus Psychotherapie, um die Erfahrung mit der psychotropen Substanz zu integrieren, bilden den Rahmen der Behandlung. Patienten kommen überwiegend mit Depressionen in die Therapie, aber auch generalisierte Angststörungen, Zwangsgedanken oder PTSD können mit Ketamin erfolgreich behandelt werden: "Also alles, wo Menschen sehr eingeengt sind, in sehr engen Bahnen denken, sehr rigide sind, da hilft das Auflockern in diesen Zuständen, besonders das emotionale Auflockern, sehr gut, wenn man das therapeutisch gut abfängt", berichtet Jungaberle. Auf die Frage nach der Nachhaltigkeit des Therapieerfolgs antwortet sie: "Nach einem halben Jahr sagen viele, 'ja so ganz gut wie direkt nach der Therapie geht es mir nicht mehr, aber längst nicht so schlecht wie zuvor'. Manche sagen, 'ja, es kam wieder hoch, aber mit dem, was ich bei euch gelernt habe, ist es mir gelungen, mich dem anders zu stellen' und manche, die dann doch wieder Antidepressiva brauchen, sagen 'ich habe bei euch wieder ein Gefühl dafür bekommen, wer ich eigentlich bin, wenn ich nicht depressiv bin'. Dieses Gefühl, sich selbst zu erleben, ohne unter der Glocke der Depression zu sitzen, hilft vielen dann auch wieder aus der Depression heraus. Ich würde schon sagen, dass die Therapien nachhaltig sind, aber Nachhaltigkeit ist bei psychischen Erkrankungen, gerade bei so etwas langanhaltendem wie chronischen Depressionen, schwer zu definieren."

Die privaten Krankenkassen übernehmen häufig den Therapieanteil bei der ketamin-unterstützten Therapie. Teilweise gelingt auch eine Gesamt-Kostenübernahme, jedoch nur dann, wenn damit andere, größere Kosten, wie zum Beispiel ein längerer stationärer Aufenthalt, verhindert werden können. Auch bei den gesetzlichen Krankenkassen konnte zumindest die Kostenübernahme des psychotherapeutischen Anteils bereits erzielt werden. Die Hälfte der Kosten für die augmentierte Psychotherapie müssen die Patienten aber in der Regel selbst tragen.

Vermittlung von Patienten

Die Patienten, die schon lange in Behandlung sind, aber nicht oder unzureichend auf andere Therapiemethoden ansprechen, sind häufig gut geeignet, um weitervermittelt zu werden. "Es ist so, dass man uns kontaktieren und einen Patienten kurz in einer Mail vorstellen kann. Wir sind immer gut erreichbar und reagieren auch schnell", so Jungaberle. "Dann tauschen wir uns aus und übernehmen den Patienten gegebenenfalls für einen gewissen Zeitraum, meistens für zwei oder drei Monate, von dem Kollegen. Nach der Behandlung wird er dann mit einer guten Überleitung wieder an den Kollegen übergeben. Es ist überhaupt nicht so, dass wir Patienten komplett übernehmen wollen, aber unser Bezugspsychotherapeut steht dann im Kontakt mit dem behandelnden Kollegen. Wenn dieser selbst geschult und mit der augmentierten Psychotherapie vertraut ist, können teilweise auch psychotherapeutische Sitzungen von ihm selbst durchgeführt werden."

Psychedelische Forschung gibt Anlass zu Optimismus

Die psychedelische Forschung boomt. Besonders Psilocybin werde derzeit für die Behandlung starker Depressionen (Major Depression) oder nicht behandelbarer Depressionen (Treatment Resistant Depression) erforscht, erzählt die Ärztin. In Berlin und Mannheim läuft aktuell die EPIsoDE-Studie, eine klinische Studie mit Psilocybin, unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Gründer, an der auch Andrea Jungaberle beteiligt ist. 

Hier wurde gerade die Hälfte der vorgesehen Patienten eingeschlossen; ungefähr 70 Teilnehmende können noch aufgenommen werden. Die Einschlusskriterien sind auf der Website einsehbar. "Da ist es dann so, dass man sich sechs bis acht Patienten im Screening ansieht und dann meistens einer für die Teilnahme geeignet ist. Das heißt, die Chancen sind da", sagt die Ärztin. "Da kann man gerne noch Patienten anmelden, wir freuen uns immer, wenn wir von den Kollegen kontaktiert werden." 

Erwartungsmanagement 

Bei posttraumatischer Belastungsstörung habe sich MDMA-gestützte Therapie als wirksam erwiesen, aber auch andere Psychedelika wie 5-MeO-DMT und Ayahuasca hätten großes Potential für Patienten im Rahmen von substanz-unterstützten Psychotherapien. 

Eine neue Substanzklasse sei gerade im Kommen - die Pseudodelics oder Pseudodelika. Dies seien Substanzen, die aus der gleichen Subtanzklasse kämen, aber keine psychoaktive Wirkung mehr haben. Diese arbeiten allein auf der hirnorganischen Ebene, erzeugen jedoch keine psychedelische Erfahrung. Die Anwendung werde zum Beispiel bei Cluster-Kopfschmerzen getestet.

Ayuhuasca werde im Rahmen von Traumatherapie eingesetzt, Ibogain sei in den Vereinigten Staaten sehr beliebt bei der Entwöhnung von Opiat-Patienten. Auch das Potential von Psilocybin und MDMA zur Behandlung von Suchterkrankungen werde derzeit weiter erforscht.

Bei all diesen Möglichkeiten und dem medialen Boom, den psychedelische Therapien ausgelöst haben, warnt Jungaberle dennoch vor zu großen Erwartungen: "Es ist nicht so, dass man eine Pille nimmt, die das Gehirn resettet, und dann ist alles wieder gut. Manche Menschen kommen mit einer sehr mechanistischen Vorstellung von ihrer Person und ihrer Funktionalität, dass man erst einmal daran arbeiten muss, dass ein Krankheitsverständnis entsteht. Dann kann mit Eigeninitiative und veränderten Bewusstseinszuständen gearbeitet und behandelt werden. Das ist eine große Aufgabe für uns, die Vorstellungen, die teilweise durch die plakative mediale Berichterstattung hervorgerufen werden, zu korrigieren."

INSIGHT 2023 und APT-Weiterbildung

Für interessierte Ärztinnen und Ärzte gibt es alle zwei Jahre die INSIGHT Conference, die sich 2023 mit dem Thema "Psychedelics: Bridging Therapy, Research, and Society" befasst und am letzten August-Wochenende in Berlin stattfindet. Außerdem bieten die OVID-Kliniken Berlin eine Weiterbildung für approbierte Mediziner an. Die zweijährige Ausbildung zum psychedelischen Therapeuten (Augmented Psychotherapy Training - APT) erfolgt hybrid in Online- und Präsenzveranstaltungen.