Wieder einmal soll auf uns Hausärzte, trotz unseres engen Zeitrasters, etwas abgewälzt werden. Ich frage mich, was ist denn noch alles unsere Aufgabe und wann sollen wir das noch schaffen?
Es geht um die Pflicht zur Hitzeberatung. Es ist wärmer geworden, ja, aber es gab auch immer mal heiße Sommer. Und da haben wir schon immer unseren Patienten erklärt, dass sie ausreichend trinken und sich Salze zuführen sollten. Wie Blutdruckmedikamente angepasst werden müssen. Das ist Standard und absolut nichts Neues.
Aber jetzt wird die Beratung verpflichtend, was auch bedeutet, dass viele Menschen auf die Idee kommen, das dann auch abzurufen, obwohl sie es meistens gar nicht brauchen. Also junge, fitte Leute wollen dann in der Folge einen Termin für die Hitzebratung. Das kostet uns immens viel zusätzliche Zeit, die wir nicht haben und die dann leider unproduktiv verschwendet wird. Denn Hitzeberatung brauchen nur vulnerable Patienten. Und bei diesen gehört es seit langem zu unserer alltäglichen, selbstverständlichen Arbeit. Nun soll also diese routinemäßige Beratung vergütet werden. Aber was bedeutet das denn? Wenn es beispielsweise 12 Euro gibt, von denen die Hälfte versteuert wird, dann ist das einfach irrelevant. Auch ein Punktwert bringt nichts, denn der ist bekanntlich variabel und sinkt, wenn mehr Punkte abgerufen werden. Bisher war es ganz normal, wenn wir Medikamente für Bluthochdruck verschreiben, gleich auch zu erklären, ab welcher Temperatur diese reduziert werden können. Das muss man dann auch mal kontrollieren. Auch, dass gerade alte Menschen bei Hitze sehr viel trinken müssen, damit die Durchblutung des Gehirns gewährleistet ist. Ebenso, dass man über das Schwitzen Mineralstoffe verliert, sodass Getränke mit Mineralstoffen empfohlen werden – das alles ist ärztlicher Standard. Dazu brauche ich keine extra Verpflichtung und auch keine besondere Dokumentation.
Was mich vor allem stört: Ich nehme dahinter eine unangenehme Bevormundung wahr. Es soll genau festgelegt werden, was alles gemacht werden muss. Das greift in die Individualität der Arzt-Patienten-Beziehung ein. Und ich sehe auch eine Art Alarmismus, der derzeit um sich greift. Es herrscht der Gedanke vor: Es wird alles ganz, ganz schlimm! Und darum müssen wir uns alle auf das Schlimmste vorbereiten. Und das dann eben nicht in Eigenverantwortung, sondern es muss immer jemand schlaue Vorgaben machen.
Der Katalog der hausärztlichen Präventions-und Beratungspflichten ist ohnehin sehr lang. Wir sollen die Jugendlichen über Drogen, Nikotin, safer Sex aufklären, über gesunde Ernährung und Unfallschutz informieren – und jetzt noch alle über Bedrohungen durch Hitze und Krieg. Und das alles mit der Maßgabe von vier Minuten Kontaktzeit!
Da aber Beamte und Politiker das nicht selbst leisten können, ist immer die Frage: Wer könnte das denn machen? Und da sind mal wieder die Hausärzte dran!
Derzeit finde ich eine weitere Idee des Gesundheitsministers ziemlich schräg: Wir Hausärzte sollen künftig nämlich die Bevölkerung aufklären, wie sie sich im Katastrophenfall, etwa auch im Kriegsfall, zu verhalten hat. Also, wie man sich verhalten soll, wenn zu wenig Strom und Wasser verfügbar sind, wie mit den knappen Ressourcen umgegangen werden muss, wieviel Wasservorräte man anlegen soll, welche Nahrungsmittel als Vorrat sinnvoll sind. Das alles sollen künftig wir Hausärzte im Gespräch mit den Patienten durcharbeiten, wenn diese Idee sich durchsetzt.
Ich sehe das überhaupt nicht als meine Aufgabe an. Ich bin doch nicht die Mutter meiner erwachsenen Patienten!
Ich sehe es so: Wenn wir wirklich einmal in solche bedrohlichen Situationen kommen, die hier gedanklich vorweggenommen werden, ist es selbstverständlich, dass wir Ärzte helfen und alles zu leisten, was irgend möglich ist, sodass man für die Allgemeinheit eintritt. Und das empfinde ich nicht nur als ärztliche Pflicht, das ist auch mein selbstverständliches Bedürfnis. Auch deswegen ist man übrigens mal Ärztin geworden – um einen Beitrag zu leisten und zu helfen. Aber bis dahin möchte ich in Ruhe meinem eigentlichen Beruf als Hausärztin nachgehen, selbst entscheiden, was für meine Patienten gut und wichtig ist, meiner eigenen fachlichen Expertise folgen, meine Patienten nach bestem Wissen und Gewissen individuell behandeln und beraten – und ich erwarte von den Verantwortlichen ein gewisses Maß an Vertrauen und Respekt für meine fachliche Expertise, die über viele Jahre immer mehr gewachsen ist. Aktuell finde ich den Umgang mit uns Hausärzten einfach nur extrem nervig.