Schuppige Läsion am Ellenbogen: Kasuistik Dermatologie Logo of esanum https://www.esanum.de

Kasuistik: Der Ellenbogen heilt nicht – trotz zahlreicher Behandlungen

Ein 54-jähriger Patient wird vorstellig, nachdem sich ein zunächst krustiges Knötchen deutlich vergrößert hat und nicht abheilt. Lokale und innere Behandlungen zeigten bisher keine Wirkung. Lösen Sie den Fall?

Mann mit nicht heilender, schuppig-krustig Hautläsion am Ellenbogen

Anamnese:

Eine noch in Spanien durchgeführte Lokalbehandlung "auf Schuppenflechte" war ebenso wenig wirksam wie lokale und innere Behandlungen "gegen Bakterien" und "gegen Pilz". Es bestanden zu keinem Zeitpunkt Systemzeichen wie Fieber, Schüttelfrost o.ä..

Hautbefund: 

Am linken Ellenbogen findet sich eine etwa hühnereigroßer, zentral großflächig ulzerierter Knoten mit gelblich-verruköser Oberfläche. Die Läsion ist scharf abgegrenzt (Abb. 1). 

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Abb. 1: In Projektion auf das linke Ellenbogengelenk imponiert ein etwa 10 x 8 cm durchmessendes entzündlich-knotiges Infiltrat mit graugelb-verruziformer Oberfläche und scharfer Randbegrenzung (a). Es besteht die Tendenz zu exophytischem Wachstum (b). Zentral findet sich ein maximal 8 cm durchmessendes Ulkus mit teils schmierig belegtem, teils zerklüfteten Ulkusgrund (c). Die weitere Umgebung erscheint reizfrei. 

Labor (SI-Einheiten): 

CRP 7, Leuko 10, grenzwertig erhöhte Transaminasen. Übriges Routinelabor einschließlich der Nierenwerte unauffällig.

Bakteriologie:

Im Ulkusabstrich mäßig Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis, Enterobacter spp. und Stenotrophomonas maltophilia


Hier erfahren Sie, ob Sie richtig diagnostiziert haben:

Histologie aus Hautbiopsat:

Vd. a. Leishmaniose bei Aspekt zahlreicher Kinetoplasten in der Giemsa-Färbung. Kein Anhalt für Malignität.

Leishmania-Genus-PCR aus Hautbiopsie:

Nachweis von Leishmania major

Therapie und Verlauf:

Leishmaniosen stellen eine Gruppe von subtropischen oder tropischen Infektionskrankheiten dar. Sie werden durch Erreger der Gattung Leishmania ausgelöst, die ihrerseits durch verschiedene Vektoren, hauptsächlich durch den Stich infizierter Sandmücken (Phlebotomus), übertragen werden (Abb. 2).

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Abb. 2: Die blutsaugende Sandmücke ist nur wenige Millimeter groß.

In unseren Breiten war die Leishmaniose bislang eine eher seltene und exotische Krankheit, die allenfalls sporadisch als Mitbringsel bei Auslandsreisenden auftrat. Doch dies ändert sich insbesondere mit der Zunahme der Migration und der Flüchtlingsströme. 2016 kamen 46% der 425 000 Asylsuchenden aus Leishmaniose-Endemieländern wie Syrien, Afghanistan und Pakistan. Die Weltgesundheitsorganisation beziffert derzeit die kutane Leishmaniose (CL) mit 0,7 bis 1,2 Millionen und die viszerale Leishmaniose (VL) von circa 0,2 bis 0,4 Millionen Neuerkrankungen pro Jahr. 

Als Hauptendemiegebiete gelten der Mittelmeerraum, der Nahe und Mittlere Osten, das südliche Russland, China, Indien, Pakistan, weite Teile Afrikas sowie sowie Zentral- und Südamerika. Durch die klimatischen Veränderungen rücken die Endemieregionen näher und auch Spanien zählt mittlerweile dazu. So sollen in Spanien inzwischen die Hälfte aller Stadthunde mit Leishmanien infiziert sein. Die Leishmaniose ist nicht direkt von Mensch zu Mensch oder vom Säugetier zum Menschen übertragbar. 

Im vorliegenden Fall waren die typische Anamnese mit Auslandsaufenthalt und das berichtete langsam progrediente Wachstum aus einer solitären Papel wegweisend für den blickdiagnostischen Verdacht. 

Die Diagnose kann nur mittels kleiner Hautbiopsie (mindestens 3 mm) vom Ulkusrand sichergestellt werden. Dabei muss das Gewebe in NaCl (nicht in Formalin!) in ein Speziallabor für die die Erregeranzucht in Spezialmedien sowie eine Leishmania-Genus-PCR eingesandt werden. Die Leishmanien sind mit üblichen bakteriologischen Kultur- und Färbeverfahren nicht nachweisbar, eine Serologie ist nicht verfügbar. Mikroskopie und Histologie können allenfalls Verdachtshinweise bringen, erlauben aber keine sichere Diagnose oder gar den Speziesnachweis. Die Kenntnis der Leishmanienspezies jedoch ist von allergrößter Relevanz für die prognostische Einschätzung und auch für die einzuleitende Therapie. In Abhängigkeit von der Leishmanien-Spezies und der Immunitätslage können entweder nur Hautveränderungen (kutane Leishmaniose), Haut- und Schleimhautveränderungen (mukokutane Leishmaniose) oder zusätzlich auch Organveränderungen (viszerale Leishmaniose) auftreten. 

Kutane Leishmaniose ist die typische Reise-Leishmaniose 

Die auch im vorliegenden Fall nachgewiesene kutane Leishmaniose ist die typische Reise-Leishmaniose. Sie wird zumeist durch Leishmania tropica oder L. major, gelegentlich auch durch L. infantum oder L. aethiopica hervorgerufen. Auch der aktuelle Fall folgte dem typischen Verlauf einer juckenden Papel am Einstichort mit langsam progredienter Entwicklung eines großen ulzerierten hyperkeratotischen Knotens über den Verlauf von Wochen. Die hyperplastische Knotenbildung ist das Ergebnis eines frustranen Versuchs der Makrophagen, die intrazellulären Leishmanien abzutöten. Da der Mensch nur Zufallswirt ist und sich nur ein Teil des Entwicklungszyklus im menschlichen Gewebe abspielt, kommt es bei stabiler Immunitätslage zur Spontanheilung. Dies kann allerdings Monate bis Jahre dauern und hinterlässt kosmetisch ungünstige, atrophische hyperpigmentierte Narben. Zudem kommt es immer wieder zur Superinfektion mit bakteriellen Keimgemischen, wie sich auch hier im Abstrich zeigen ließ. Prädilektionsstellen sind unbedeckte Körperregionen wie Gesicht, Nacken, Arme oder Beine. Die lokalisierte kutane Leishmaniose wird zumeist aus dem Mittelmeerraum, dem Nahen und dem Mittleren Osten mitgebracht.   

Die mukokutane Leishmaniose findet sich vor allem in Zentral- und Südamerika. Ursächlich ist die Übertragung von Leishmanien des Subgenus Viannia, z.B. L. V. braziliensis oder L. V. guyanensis. Gefürchtet ist die Ausbreitung in die Nasenschleimhäute und in den Mund-Rachenbereich mit der Folge zerstörerischer Immunreaktionen mit dramatischer Mutilation des Mittelgesichts. Auch genitaler Befall ist möglich. 

Die viszerale Leishmaniose verläuft unbehandelt letal. Sie kommt vor allem in Afrika und in Indien, aber auch in den Mittelmeerländern, vor. Der hier relevante Erreger L. donovani befällt das retikuloendotheliale System, also Milz, Leber, Knochenmark und Lymphknoten. Es folgt ein schleichendes Siechtum mit Gewichtsverlust, Blutbilddepletion, Knochenmarkdepression und Hepatosplenomegalie mit tödlichem Verlauf nach 1 bis 2 Jahren. Die charakteristische schwarzgraue Hyperpigmentierung des Gesichts war namensgebend für diesen Leishmaniose-Typ: "Kalar Azar - der schwarze Tod".

Die Therapie der lokalisierten kutanen Leishmanioseformen richtet sich nach dem Progress des Befundes. Bei kleinen, initialen Knötchen können Kryotherapie oder Exzision erfolgreich sein. Größere Befunde werden mit den leishmaniziden Antimonpräparaten Natriumstibogluconat oder Meglumin-Antimonat in mehreren Sitzungen zirkulär umspritzt, bis die Läsion einschmilzt. Auch im vorliegenden Falle konnte so eine Abheilung erreicht werden (Abb. 3). Die zumeist in den Endemieländern gegebene Empfehlung, auf die Spontanheilung zu warten, ist keine sinnvolle Option. 

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Abb. 3: Periläsionale Injektion von Meglumin-Antimonat um und unter die Läsion. Dabei werden 1-3 ml alle 2-3 Tage appliziert. Langsame Rückbildung des hyperkeratotischen Knotens nach hier schon 3-wöchiger Therapie.

Die viszerale Leishmaniose ist eine Indikation für eine leishmanizide Systemtherapie, die aber oft nebenwirkungsreich und sehr teuer ist. Zur Anwendung kommen Natrium-Stibogluconat, Miltefosin, Pentoxifyllin, Amphotericin B oder Ketoconazol.

Aufgrund der geringen Erkrankungszahlen sind leishmanizide Medikamente gar nicht oder nicht für die Indikation der Leishmaniose zugelassen. Oft müssen die Präparate über die internationale Apotheke oder individuell aus dem Ausland beschafft werden.

Wichtig ist stets auch die differentialdiagnostische Betrachtung. Auf Reisen in die die Tropen oder Subtropen werden Insektenstichreaktionen, die schankriforme Pyodermie (therapierefraktäre Hautinfektionen durch ein fusospirilläres bakterielles Keimgemisch) oder Kuh- und Schafpocken erworben. Wichtig ist es auch eine Hauttuberkulose, einen Lupus Erythematodes und Hauttumoren im Sinne der NMSC, vor allem aber Basaliome und Spinaliome, abzugrenzen.

Fazit: Leishmaniose in der Praxis

Die Leishmaniose ist eine Protozoeninfektion, die durch den Stich der infizierten Sandmücke auf den Menschen übertragen wird. Bislang als Urlaubsdermatose eine exotische Rarität, wird die Zunahme der Migration aus Leishmaniose-Endemieländern Ärzte und Ärztinnen nicht nur mit mehr, sondern auch mit komplizierter und potenziell sogar letal verlaufenden Fällen konfrontieren. Beinahe die Hälfte aller Asylsuchenden stammt aus Endemieregionen für die Leishmaniose. Wichtig ist es, unter Bewertung der jeweiligen Auslandsanamnese und bei typischem klinischem Aspekt, an die Möglichkeit einer Leishmaniose zu denken. Die Diagnose kann nur bioptisch und in Speziallaboren gesichert werden. Je nach Vorliegen einer kutanen, mukokutanen oder gar viszeralen Leishmaniose stellt sich die Indikation einer lokalen oder systemischen leishmaniziden Therapie mit leider bislang in Deutschland nicht zugelassenen und oft gar nicht verfügbaren Medikamenten. 

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