Weiterbildung zum Facharzt Anästhesiologie
Fachärzte für Anästhesiologie betreuen Patienten bei operativen Eingriffen und intensivmedizinischen Maßnahmen. Wie läuft die Weiterbildung ab?
Voraussetzungen für die Facharztausbildung in der Anästhesiologie
Mit dem erfolgreich abgeschlossenen Medizinstudium erhalten Mediziner ihre Approbation und dürfen fortan als Ärzte tätig werden. Im Anschluss an das Studium beginnt die berufsbegleitende Weiterbildung zum Facharzt, etwa in der Anästhesiologie. Sobald die Facharztausbildung erfolgreich abgeschlossen wurde, dürfen Mediziner ihren Facharzttitel tragen.
Dauer der Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesiologie
Die Facharztausbildung Anästhesiologie dauert 60 Monate, also 5 Jahre. Sie muss bei einem Weiterbildungsermächtigten an einer Weiterbildungsstätte gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 absolviert werden. 12 Monate der Weiterbildung müssen in einem anderen Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung absolviert werden, 18 Monate im ambulanten Bereich und 12 Monate in der Intensivmedizin.
Inhalte der Facharztausbildung in der Anästhesiologie
Anästhesisten betreuen Patienten vor, während und nach operativen oder diagnostischen Eingriffen, bei denen eine Anästhesie nötig ist. Sie wählen anhand der gesammelten Daten zum Patienten das geeignete Anästhesieverfahren, überwachen während der Operation die vitalen Funktionen des Patienten und stellen auch nach dem Eingriff sicher, dass dem Patienten keine gesundheitlichen Probleme durch die Anästhesie entstehen.
Die Anästhesiologie ist in die drei Bereiche Allgemeinanästhesie, Regionalanästhesie und Lokalanästhesie unterteilt. Die Inhalte der Facharztausbildung sind in der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer festgelegt. Zu den übergreifenden Inhalten zählen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien sowie die Basisbehandlung palliativmedizinisch zu versorgender Patienten. Weitere Inhalte der Weiterbildung sind:
Präanästhesiologische Vorbereitung
- Aufklärung von Patienten über Risiken von Anästhesieverfahren und -medikamenten sowie Einholung der rechtsgültigen Einwilligung
- präanästhesiologische Risikoevaluation, insbesondere Prädiktoren für schwierige Atemwege und schwierige Beatmung
- Identifikation und Umgang mit relevanten kardiovaskulären pulmonalen, neurologischen und muskulären Risikofaktoren
- Auswahl eines geeigneten Anästhesieverfahrens einschließlich
- präanästhesiologischer Vorbereitung unter Berücksichtigung einer Dauermedikation
- medikamentöser Prämedikation
- erforderlichem Monitoring
- Berücksichtigung des Erfordernisses präanästhesiologischer Nüchternheit
Anästhesiologische Verfahren und Techniken
- Atemwegsmanagement, technische Maßnahmen zur Behandlung des einfachen und des schwierigen Atemweges einschließlich der schwierigen Intubation (Difficult Airway), davon
- fiberoptische Techniken einschließlich fiberoptische Intubationen, davon können bis zu 50 Prozent durch Simulation erfolgen
- videoassistierte Intubationsverfahren
- Anästhesiologische Überwachung
- Postanästhesiologische Patientenversorgung
- Anästhesierelevante Ultraschallverfahren, insbesondere Notfallsonographie, transösophageale und transthorakale Echokardiographie
- Durchführung anästhesierelevanter Ultraschallverfahren bei unterschiedlichen Maßnahmen, insbesondere bei ZVK-Anlage, Pleurapunktion, sonographisch gesteuerter Gefäßpunktion und Regionalanästhesie
- Allgemeinanästhesien und intraoperative Beatmung einschließlich Einleitung, intraoperative Überwachung, Ausleitung, postoperative Patientenversorgung, postoperative Schmerztherapie
- Durchführung von Anästhesieverfahren, davon
- bei abdominellen Eingriffen
- bei Patienten mit mindestens ASA 3- Klassifikation
Anästhesie bei neurochirurgischen und neurointerventionellen Eingriffen
- Risiken und Vorteile unterschiedlicher anästhesiologischer Verfahren bei neurochirurgischen und neurointerventionellen Eingriffen
- Prinzipien und Besonderheiten der Anästhesiologie bei intrakraniellen Eingriffen
- Mitwirkung bei Anästhesien für intrakranielle Eingriffe
Kinderanästhesie
- Besonderheiten der pädiatrischen Anästhesiologie einschließlich Monitoring, Atemwegsmanagement, intravenöse und intraossäre Zugänge, Narkoseeinleitung, Narkoseaufrechterhaltung, Narkoseausleitung, postanästhesiologische Versorgung, Flüssigkeits- und Volumentherapie
- Durchführung von Anästhesien bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 5. Lebensjahr
- Reanimationstraining
Anästhesie bei Schwangeren und in der Geburtshilfe
- Durchführung von Allgemeinanästhesien, Regionalanästhesien und perioperativer Behandlung bei Schwangeren
- Schmerztherapie in der Geburtshilfe einschließlich bei Kaiserschnitten
- Durchführung von Anästhesieverfahren in der Geburtshilfe
Anästhesie bei Thoraxeingriffen
- Prinzipien und Besonderheiten der Anästhesiologie bei thoraxchirurgischen Eingriffen
- Perioperative Schmerztherapie einschließlich epiduraler, paravertebraler und intervertebraler Blockaden in der Thoraxchirurgie
- Mitwirkung bei Anästhesien für intrathorakale Eingriffe
Kardiovaskuläre Anästhesie
- Prinzipien und Besonderheiten der Anästhesiologie bei kardiochirurgischen und herznahen gefäßchirurgischen Eingriffen, insbesondere des kardiopulmonalen Bypasses und anderer kreislaufunterstützender Maßnahmen
Anästhesie bei Operationen im Kopf-Hals-Bereich
- Anästhesien bei Eingriffen im Kopf-Hals-Bereich auch mit schwierigem Zugang zum Atemweg in der Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Neurochirurgie oder
Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie
Regionalanästhesie
- Durchführung rückenmarksnaher Regionalanästhesien einschließlich intraoperativer Überwachung, postoperativer Patientenversorgung, postoperativer Schmerztherapie
- Durchführung peripher-regionalanästhesiologischer Verfahren einschließlich intraoperativer Überwachung, postoperativer Patientenversorgung, postoperativer Schmerztherapie
Anästhesie bei ambulanten Patienten
- Mindestanforderungen für die Anwendung anästhesiologischer Verfahren bei ambulanten Eingriffen
- Durchführung von Anästhesien bei ambulanten Eingriffen unter Beachtung der Rahmenbedingungen und des spezifischen Risikos sowie Sicherstellung der perioperativen Versorgung
Anästhesiologische Verfahren außerhalb des Operationssaales
- Gewährleisten von Sicherheitsstandards im Zusammenhang mit anästhesiologischen Verfahren bei CT-und MRT-Untersuchungen oder anderen minimal-invasiven und diagnostischen Eingriffen
- Transport des Patienten zu Untersuchungen und Eingriffen
Intensivmedizin
- Diagnostik und Therapie vital bedrohlicher Erkrankungen und Zustände auf einer Intensivstation oder Intermediate Care Station, insbesondere bei
- respiratorischer Insuffizienz
- kardialer Insuffizienz
- Ein- und Mehrorganversagen
- Delir
- endokriner Störung
- erhöhtem Hirndruck
- Sepsis
- Schock
- Trauma/Polytrauma
- Prävention, Diagnostik, Therapie und Management von Infektionen
- Intensivmedizinische Behandlung von Patienten mit Funktionsstörungen von mindestens zwei vitalen Organsystemen
- Analgosedierung von intensivmedizinischen Patienten
- Atemunterstützende Maßnahmen bei nichtintubierten Patienten, differenzierte Beatmungstechniken einschließlich Beatmungsentwöhnung bei langzeitbeatmeten Patienten
- Differenzierte Flüssigkeits- und Volumentherapie einschließlich Transfusions- und Blutersatztherapie
- Enterale und parenterale Ernährung, Erstellung eines Ernährungsplans sowie Therapie von Stoffwechselentgleisungen
- Punktions- und Katheterisierungstechniken, auch sonographisch gesteuert, davon
- zentralvenöse Zugänge
- arterielle Zugänge
- Pleurapunktionen, Pleuradrainagen
- Tracheo- und Bronchoskopien
- Perkutane Tracheotomien
Schmerzmedizinische Verfahren
- Nervenblockaden, insbesondere zur perioperativen regionalen Schmerztherapie einschließlich Katheterverfahren
- Verfahren zur pharmakologischen und nichtpharmakologischen Schmerztherapie
- Grundlagen der Behandlung chronischer Schmerzen
Notfall- und Zwischenfallmanagement, Trauma und Verbrennungen, Rettungswesen
- Reanimation von Patienten aller Altersgruppen
- Transportbegleitung von Intensivpatienten einschließlich der Vorbereitung zum Interhospitaltransfer
- Ossärer Zugang
- Erstversorgung beim Traumapatienten einschließlich Brandverletzten
- Zwischenfalltraining
Logbuch für die Weiterbildung zum Anästhesisten
Im Ausbildungs-Logbuch dokumentiert der Ausbilder alle Inhalte und Kenntnisse, die der Anwärter während der Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesiologie erworben hat. Dazu gehört allgemeines ärztliches Wissen wie Ethik und Recht, Patientengespräche, psychosomatische Grundlagen, Pathogenetik von Krankheiten, Befunddokumentation, labortechnisch gestützte Nachweisverfahren, medizinische Notfallsituationen, Wechselwirkungen von Arzneimitteln, Schmerztherapie, Interpretation radiologischer Befunde, Betreuung von Schwerstkranken und Sterbenden, Folgen von psychosozialen, interkulturellen und umweltbedingten Einflüssen auf die Gesundheit, dazu gehören Folgen des Klimawandels oder das Problem der weiblichen Genitalverstümmelung.
Inhalte für die Weiterbildung in der Anästhesiologie sind unter anderem Kenntnisse zu den Anästhesieverfahren, zur Behandlung akuter Schmerzzustände und akuter Störungen der Vitalfunktionen einschließlich Beatmungsverfahren und notfallmäßiger Schrittmacheranwendung sowie über notfallmedizinische Maßnahmen.
Das Logbuch muss mit dem Zulassungsantrag für die Facharztprüfung an die zuständige Ärztekammer ausgefüllt und unterschrieben eingereicht werden.
Welche Perspektiven haben Fachärzte für Anästhesiologie
Der Fachbereich Anästhesiologie ist einer von vier Fachbereichen mit den meisten berufstätigen Ärzten. Laut Bundesärztekammer gab es 2020 insgesamt 26.274 berufstätige Anästhesisten in Deutschland, davon 11.639 Frauen. 2015 waren es noch 22.875 Fachärzte im Fachgebiet Anästhesiologie. Mit einer großen Auswahl an Teilzeitmodellen ist die Anästhesiologie vor allem für Frauen ein attraktives Fachgebiet.
Wie hoch ist das Gehalt von Anästhesisten?
Assistenzärzte in der Anästhesiologie verdienen während ihrer Facharztausbildung zwischen 4.695 Euro und 8.005 Euro, angefangen beim Einstiegsgehalt für Ärzte an kommunalen Kliniken bis zur höchsten Stufe an Universitätskliniken in Deutschland. Das Gehalt von Ärzten orientiert sich an den jeweiligen Tarifverträgen.
Referenzen:
Musterweiterbildungsverordnung 2018, Seite 29ff, zuletzt aktualisiert: Juni 2021 (Link: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Weiterbildung/20210630_MWBO_2018.pdf) letzter Zugriff: 14. Februar 2022, 13:00 Uhr
Ärztestatistik zu berufstätigen Ärzten der Bundesärztekammer 2020 (Link: https://www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/aerztestatistik/berufstaetige-aerzte/) letzter Zugriff: 14. Februar 2022, 13:45 Uhr