Die Genmedizin wird in den kommenden Jahren personalisierte, hochwirksame Therapien für Krebspatienten ermöglichen, so die Hoffnung der Expertinnen und Experten. Deutschland hat im Bereich der Forschung zur Genomsequenzierung einen erheblichen Anteil, ebenso bei der Subtypisierung verschiedener Krebsarten, hält Radioonkologe und Strahlenbiologe Prof. Michael Baumann fest. Jedoch ist es essentiell, dass diese Forschungsfortschritte auch bei Krebspatienten in der Versorgung ankommen. Dafür sind Strukturveränderungen und ein signifikanter Bürokratieabbau notwendig. Denn: bisherige Zulassungs- und Erstattungskonzepte für Therapeutika und Behandlungen stoßen in der Onkologie an ihre Grenzen, da es sich um ein solch dynamisches Feld mit vielen Innovationen handelt. Außerdem spricht die in Zukunft wachsende Zahl an Krebspatientinnen und -patienten für eine Vereinfachung der bisherigen Versorgungsstrukturen. Dies gilt auch im Bereich der Prävention, sei es beispielsweise durch einen Ausbau des nationalen Krebspräventionszentrums.
Renate Haidinger, Medizinjournalistin und Patientenrechtevertreterin, spricht sich vor allem dafür aus, das progressionsfreie Überleben in Studien als relevantes Kriterium für die Wirksamkeit von Medikamenten einzustufen. Dies ist in vielen Ländern bereits der Fall, in Deutschland allerdings wird das progressionsfreie Überleben nicht berücksichtigt.
In den vergangenen Jahren hat die Genmedizin große Sprünge gemacht und gilt als Hoffnungsträger im komplexer werdenden Bereich der Onkologie. Jedoch gibt es zahlreiche Herausforderungen, die vielleicht größte: Genommedizin der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen, und das auch in ländlichen Regionen. Außerdem ist bisher fraglich, wer die Kosten für eine solche Behandlung übernimmt und wie hoch der Bürokratieaufwand bei einem Kostenerstattungsantrag sein wird. Die Expertinnen und Experten merken an, dass es heute zwischen sechs und neun Monaten dauert, bis für einen Krebspatienten eine Abrechnungsziffer vorhanden ist. Dieser Bürokratieaufwand ist für die ärztliche Seite auf Dauer nicht zu stemmen, gerade nicht für Niedergelassene.
Bei einem Aspekt sind sich alle Expertinnen und Experten einig: In puncto Digitalisierung muss es schneller vorangehen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens liege zwar vor, bis zum Inkrafttreten werde allerdings noch einige Zeit vergehen. Auch hinsichtlich des Europäischen Gesundheitsdatenraums lässt sich sagen, dass Erkenntnisse aus diesen Datenmengen, nicht nur im Bereich der Onkologie, aufgrund diverser datenschutzrechtlicher Beschränkungen für Betroffene noch nicht nutzbar gemacht werden können. Und das, obwohl dem Europäischen Gesundheitsdatenraum zahlreiche Vorteile entspringen könnten, beispielsweise eine schnellere Diagnosestellung, die Weiterentwicklung von Behandlungsmöglichkeiten sowie eine umfassende Surveillance seltener Krankheiten und genomischer Varianten, so Dr. Antonius Helou.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass erfolgreiche Innovation sowie klinische Translation zur verbesserten Behandlung von Krebspatienten und -patientinnen von diversen Faktoren abhängig sind. Laut Prof. Christof von Kalle ist erfolgreiche Innovation multidisziplinär und digital. Außerdem basiert sie auf intelligenten Konzepten für Datennutzung und -Teilung, sodass Therapien verbessert und Behandlungen personalisiert werden können. Zudem ist es essentiell, dass patientenbezogene Real-World-Daten strukturell gefördert werden und auch Erkenntnisse für weitere Entwicklungen bieten. Als Schlusswort hält Alexia Parsons, Leiterin der Projektgruppe "Nationale Dekade gegen Krebs" im BMBF, fest:
"Gute Versorgung beginnt bei guter Forschung. Was gute Forschung ist, entscheiden auch Patientinnen und Patienten."