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CHAPAS-4: Meilenstein für pädiatrische HIV-Zweitlinientherapie

Eine neue Studie hebt TAF-FTC und Dolutegravir als die wirksamsten und sichersten Zweitlinien-ART-Schemata für HIV-infizierte Kinder in Afrika südlich der Sahara hervor.

90 % der Kinder mit HIV leben in Afrika südlich der Sahara

Die weltweit steigende Zahl HIV-positiver Kinder, die eine antiretrovirale Erstlinientherapie (ART) erhalten, führt zu einem erhöhten Bedarf an ART-Zweitlinientherapien nach virologischem Versagen. Die meisten HIV-infizierten Kinder leben in Afrika, wo die Erstbehandlung häufig auf nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) basiert. Die aktuellen Leitlinien empfehlen jedoch, bei Versagen der Erstlinienbehandlung auf Medikamente einer neuen Klasse umzustellen. Dazu gehören Proteaseinhibitoren oder Ritonavir-verstärkte Integraseinhibitoren in Kombination mit zwei nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs).

Die Bestimmung des sichersten und wirksamsten Grundgerüsts und Ankerarzneimittels für die pädiatrische Zweitlinien-ART bleibt ungewiss. Zwar wird für Jugendliche sowohl bei der Erst- als auch bei der Zweitlinien-ART ein Backbone auf der Basis von Tenofovir-Disoproxilfumarat (TDF) empfohlen, doch schränken Bedenken hinsichtlich seiner Auswirkungen auf Knochen- und Nierengesundheit die Verwendung bei Kindern ein. Tenofovir Alafenamid Fumarat (TAF), ein Prodrug von Tenofovir, bietet aufgrund der geringeren Dosierung ein besseres Sicherheitsprofil für Nieren und Knochen, ist aber bei afrikanischen Kindern nur begrenzt verfügbar und einsetzbar.

Alternative Medikamente wie Dolutegravir und verstärkte Proteaseinhibitoren versprechen eine anhaltende Unterdrückung der Viruslast mit einer hohen Resistenzbarriere. Allerdings behindern Herausforderungen wie begrenzte Formulierungen und hohe Kosten ihren weit verbreiteten Einsatz in pädiatrischen Bevölkerungsgruppen.

Die Ergebnisse der CHAPAS-4-Studie

Zwischen Dezember 2018 und April 2021 wurden an verschiedenen Standorten in Uganda, Sambia und Simbabwe insgesamt 919 Kinder (mittleres Alter 10 Jahre; 54% männlich) in die Studie aufgenommen. Alle wiesen eine nachgewiesene HIV-RNA von über 400 Kopien/ml auf, trotz einer NNRTI-basierten ART.

Backbone-Vergleich:

TAF-FTC erreichte eine virale Suppression von unter 400 Kopien/ml nach 96 Wochen bei 89,4% der Teilnehmer, verglichen mit 83,3% in der Standard-of-Care-Gruppe (Unterschied +6,3 Prozentpunkte; 95% CI, 2,0-10,6; P = 0,004). Dies zeigt sowohl eine Nicht-Unterlegenheit als auch eine klinische Überlegenheit. Unerwünschte Ereignisse vom Grad 3-4 traten bei 13,8% (TAF-FTC) und 13,9% (SOC) auf, ohne signifikanten Unterschied (P = 0,93).

Vergleich der Ankermedikamente:

Dolutegravir führte zur höchsten Rate an virologischer Suppression (92,0%) und übertraf damit die kombinierte Atazanavir/r- und Lopinavir/r-Gruppe deutlich (Differenz +9,7 pp; 95% CI, 4,8-14,5; P < 0,001). Darunavir/r erreichte die vordefinierte Überlegenheitsspanne nicht (Differenz +5,6 pp; 95% CI, 0,3-11,0; P = 0,04). Atazanavir/r war Lopinavir/r nicht unterlegen (Differenz +3,4 pp; 95% CI, -3,4-10,2; P = 0,33). Die Zahl der schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse war bei Dolutegravir am niedrigsten (5,2%) und bei Atazanavir/r am höchsten (vor allem aufgrund von Hyperbilirubinämie).

Die Kombination von TAF-FTC und Dolutegravir zeigte überlegene Wirksamkeit und Sicherheit

TAF-FTC zeigte eine überlegene virologische Wirksamkeit mit zusätzlichen metabolischen Vorteilen. In der TAF-FTC-Gruppe wurde eine Verbesserung der Wachstumsparameter beobachtet. Wichtig ist, dass die Nierensicherheit akzeptabel war, und die Verfügbarkeit der Fixdosiskombination macht dieses Grundgerüst zu einem guten Kandidaten für eine Aufstockung in ressourcenarmen Gebieten.

Dolutegravir erzielte die höchsten Unterdrückungsraten und hatte die niedrigste Rate an schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen unter allen getesteten Ankern. Die einmal tägliche Verabreichung, die hohe genetische Resistenzbarriere und das günstige Verträglichkeitsprofil sprechen für seine vorrangige Verwendung in der Zweitlinienbehandlung. Angesichts des zunehmenden Einsatzes in der Erstlinientherapie ist jedoch eine langfristige Planung für die integrasebasierte Sequenzierung unerlässlich.

Darunavir/r ist zwar wirksam, könnte aber aufgrund begrenzter pädiatrischer Formulierungen und höherer Kosten Probleme beim Zugang zur Therapie mit sich bringen. Atazanavir/r zeigte eine ähnliche Wirksamkeit wie Lopinavir/r, wurde jedoch mit einer erhöhten Hyperbilirubinämie und Problemen bei der Schmackhaftigkeit in Verbindung gebracht, was die Adhärenz beeinträchtigen könnte. Lopinavir/r wird zwar immer noch häufig eingesetzt, wies aber unter den getesteten Ankerwirkstoffen die geringste Wirksamkeit und die meisten unerwünschten Wirkungen auf.

Künftige Richtungen in der pädiatrischen HIV-Behandlung

Die CHAPAS-4-Studie liefert solide Belege für künftige pädiatrische HIV-Behandlungsstrategien. Sofern verfügbar, sollte die Kombination aus TAF-FTC und Dolutegravir als Zweitlinienoption bevorzugt werden. Die Umsetzung erfordert jedoch mehr als nur aktualisierte klinische Leitlinien. Ein breiterer Zugang zu optimalen Formulierungen, einschließlich kinderfreundlicher Festdosiskombinationen, ist unerlässlich. Die Studie unterstützt die Aufnahme dieser Kombinationen in das WHO-Programm zur Optimierung von Kinderarzneimitteln, das darauf abzielt, die wirksamsten Arzneimittel und Formulierungen für die Einführung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu priorisieren.

Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um Formulierungslücken zu schließen: Mehrere Ankerwirkstoffe, wie z. B. Ritonavir-verstärktes Darunavir, sind aufgrund hoher Kosten und fehlender ko-formulierter Tabletten nach wie vor schwer zu verwenden, was zu einer hohen Pillenlast für Kinder führt. Die Herstellung pädiatrisch geeigneter Festdosiskombinationen könnte die Adhärenz und Wirksamkeit verbessern.

Die Studie unterstreicht auch die Bedeutung eines frühzeitigen Wechsels vor einer fortgeschrittenen Immunsuppression. Die meisten Teilnehmer hatten relativ hohe Ausgangs-CD4-Werte, und die Ergebnisse waren in allen Studienarmen hervorragend, was den Nutzen eines rechtzeitigen Beginns der Zweitlinienbehandlung unterstreicht.

Schließlich ergab die wirtschaftliche Analyse, dass sowohl TAF-FTC als auch Dolutegravir im Vergleich zur Standardbehandlung und zu anderen Ankertherapien kostensparend waren. Dies ist ein überzeugendes Argument für ihre Aufnahme in die nationalen Rezepturen, insbesondere in ressourcenbeschränkten Gebieten.

Im Zuge der Weiterentwicklung der pädiatrischen HIV-Behandlung sollten zu den strategischen Prioritäten die Dezentralisierung von Diensten, die Vereinfachung von ART-Protokollen und die Erforschung von lang wirkenden Therapien wie injizierbarem Cabotegravir gehören. Entscheidend für die Schließung der pädiatrischen HIV-Behandlungslücke ist die Anpassung der Behandlungspfade an die lokalen Gegebenheiten bei gleichzeitiger globaler Koordinierung.

Quelle:
  1. Musiime V, Bwakura-Dangarembizi M, Szubert AJ, Mumbiro V, Mujuru HA, Kityo CM, Lugemwa A, Doerholt K, Chabala C, Makumbi S, Mulenga V, McIlleron H, Burger D, Natukunda E, Shakeshaft C, Linda KJ, Nathoo K, Monkiewicz L, Yawe I, Kapasa M, Nyathi M, Lungu J, Nduna B, Ndebele W, South A, Mwamabazi M, Musoro G, Griffiths A, Zyambo K, Nazzinda R, Zimba K, Zhang Y, Walker S, Turkova A, Walker AS, Bamford A, Gibb DM; CHAPAS-4 Trial Team. Second-Line Antiretroviral Therapy for Children Living with HIV in Africa. N Engl J Med. 2025 May 15;392(19):1917-1932. doi: 10.1056/NEJMoa2404597. PMID: 40367375.