Breit neutralisierende Antikörper als Gamechanger? Logo of esanum https://www.esanum.de

mRNA-Vakzine und breit neutralisierende Antikörper

mRNA-Vakzine sollen es ermöglichen, direkt im Körper virale Proteine zu induzieren und das Immunsystem zur Bildung breit neutralisierender Antikörper gegen HIV anzuregen.

Anforderungen an die HIV-Impfstoffentwicklung

Wir befinden uns aktuell 40 Jahre nach der Entdeckung des HI-Virus und trotz zahlreicher Fortschritte in der Therapie der HIV-Infektion, ist es bisher nicht gelungen, eine kurative oder präventive Impfung gegen HIV zu entwickeln. Einen neuen Schub hat die HIV-Impfstoff-Forschung nun durch die Erfolge der mRNA-Technologie im Fall von SARS-CoV-2 bekommen. Doch ganz so "einfach" ist das bei HIV dennoch nicht.

Die ideale HIV-Vakzine

Eine Impfung gegen HIV zu entwickeln, ist keinesfalls leicht. Viele der bisher getesteten Impfstoffkandidaten waren in den Studien nicht wirksam und vermittelten keinen oder keinen ausreichenden Schutz gegen die Infektion. Die RV144-Studie testete den bis dato einzigen Kandidaten-Impfstoff, der zumindest einen 31%-igen Schutz vor Neuinfektion bot. Ein Wert, der natürlich nicht ausreicht, um als Vakzine weiterentwickelt zu werden.

Darüber hinaus sind klassische antigenbasierte Impfstoffe sehr wahrscheinlich nicht geeignet, um eine nötige ausreichende Aktivierung der antikörperbasierten sowie der zellulären Immunantwort zu induzieren.

Ein idealer HIV-Impfstoff müsste jedoch eine breit neutralisierende Antikörperantwort als ersten Infektionsschutz ausbilden sowie eine robuste CD8+-T-Zellantwort generieren, um die früh infizierten Zellen zu eliminieren. Letzteres ist besonders wichtig, um HIV an der Bildung von Reservoiren zu hindern.

Hohe HIV-Mutationsraten erfordern hohe Variabilität einer Impfung

Eines der größten Probleme bei der HIV-Impfstoffentwicklung ist die hohe Mutabilität des HI-Virus. Die virale Reverse Transkriptase arbeitet mit einer hohen Fehlerquote, sodass beim Umschreiben des viralen RNA-Genoms in DNA Fehler passieren. Dies führt am Ende dazu, dass Virusvarianten gebildet werden, die veränderte Hüllproteine tragen oder wichtige Glykosylierungen verloren haben. Für unser Immunsystem ist es somit zusätzlich erschwert, dem Virus beständig zu folgen, um es zu eliminieren.

Hinzu kommt der Umstand, dass das Virus sehr schnell nach der Infektion in die Wirtszellen-DNA integriert. Um das Virus bereits am Eindringen in diese Zielzellen zu hindern, werden lang-anhaltende Antikörpertiter mit einer sehr breit bindenden Spezifität nötig sein.

Aus aktuellen Studien ist bekannt, dass der Einsatz sogenannter breit neutralisierender Antikörper (bnAb) tatsächlich die Viruslast verringern kann. Werden die Antikörpergaben jedoch wieder eingestellt, repliziert das Virus erneut und die Virustiter steigen an. Derzeit gelten bnAb daher als eine Alternative zur aktiven HIV-Impfung und werden intensiv erforscht.

Forschende – wie Prof. Barton Haynes vom Duke Human Vaccine Institute and Center for HIV-AIDS Vaccine Immunology in den USA – versuchen zudem, die bnAb mit einem modernen mRNA-Vakzin zu kombinieren.

mRNA-Vakzine, die breit neutralisierende Antikörper induzieren

Die Idee: Ein mRNA-Impfstoff, der für verschiedene Protein-Varianten der HIV-Hüllproteine kodiert. In den Muskelzellen der Geimpften werden aus dieser mRNA-Information Proteinvarianten realisiert, die das Immunsystem anregen, eine große Bandbreite an Antikörpern zu bilden. Erkennen diese Antikörper verschiedene HIV-Stämme gleichermaßen, sprechen Forschende von breit neutralisierenden Antikörpern (kurz: bnAb).

Darüber hinaus bieten mRNA-Impfstoffe weitere Vorteile gegenüber klassischen Proteinimpfstoffen:

  1. erhöhte Sicherheit mit Blick auf einen zellfreien Herstellungsprozess,
  2. erhöhte Wirksamkeit,
  3. einfache und schnelle Produktion und damit auch schnellere Anpassungsmöglichkeiten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Eigenschaften von mRNA-Impfstoffen – ihre Sicherheit, die einfache Produktion sowie die Fähigkeit, komplexe Proteindesigns zu kodieren – sie zu einer erstklassigen Plattform für die Entwicklung von HIV-Impfstoffen machen.

 

Weitere Beiträge finden Sie auf unserer Kongress-Seite zur AIDS 2022.

Über Neuigkeiten zu HIV und anderen Infektionskrankheiten sprachen auch die Referenten beim STI-Kongress 2022. Hier finden Sie die Berichterstattung zum STI-Kongress 2022.

 

Quelle: 
Symposium SY34 „Advances in combatting HIV with broadly neutralizing antibodies”. AIDS 2022, Montreal