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Depressionen und Ängste sind bei Krebs häufig – wie einbeziehen?

Depressionen und Ängste sind häufige, aber oft vernachlässigte Komplikationen bei Krebs und beeinflussen die Lebensqualität, die Therapieadhärenz und das Überleben.<sup>1</sup>

Kommunikativer Umgang bereits in der Regelversorgung wichtig

Wie Ängste und depressive Symptome im Arzt-Patienten-Gespräch erkennen?

Für das Screening auf Depressionen und Ängste kann zunächst ein Ultrakurz-Fragebogen, wie das Patient Health Questionnaire (PHQ-4), herangezogen werden:

Wie oft fühlten Sie sich in den letzten 2 Wochen durch die folgenden Beschwerden beeinträchtigt? 

  • Wenig Interesse oder Freude an Ihren Tätigkeiten
  • Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit
  • Nervosität, Ängstlichkeit oder Anspannung
  • Nicht in der Lage sein, Sorgen zu stoppen oder zu kontrollieren

Jede Frage kann beantwortet werden mit "Überhaupt nicht" (0 Punkte), "An einzelnen Tagen" (1 Punkt), "An mehr als der Hälfte der Tage" (2 Punkte), "Beinahe jeden Tag" (3 Punkte). Eine Summe ≥ 6 ist als "gelbe" und ≥ 9 als "rote" Flagge für das Vorliegen einer Angst- bzw. depressiven Störung zu interpretieren.2

Welche Kommunikationstechniken helfen, die Belastung zu lindern?

Für onkologisch tätige Ärzte existieren inzwischen mehrere Kommunikationstrainingsprogramme, deren Umsetzbarkeit in Studien geprüft wurde, wie etwa das COMSKIL-Modell. Bereits in der Regelversorgung, aber insbesondere bei akuten Krisen mit Angst und Depressivität, können die richtigen kommunikativen Fähigkeiten anxiolytisch und antidepressiv wirken.

Ein guter kommunikativer Umgang beinhaltet emotionale Entlastung und Stabilisierung, vermittelt Sicherheit und Hoffnung, bezieht nonverbale Signale des Patienten mit ein und sendet kongruente Botschaften (Inhalte und nonverbales Verhalten des Behandlers selbst stimmen überein).2

Weitere wichtige Punkte für die Praxis

Der Schweregrad der Depression wird bspw. von Faktoren beeinflusst wie funktionellen Einschränkungen oder mangelnder sozialer Unterstützung.1 Doch auch ein frühes oder gut behandelbares Tumorstadium sollte nicht dazu verleiten, das Depressionsrisiko zu unterschätzen. Der Datenlage nach sind Depressionen bei Krebspatienten in palliativer Betreuung interessanterweise nicht häufiger als bei Patienten, die aktiv mit Krebs leben.1

Neben den biopsychosozialen Auslösern und Progredienzängsten spielen auch direkte neuropsychiatrische Effekte bestimmter Tumoren und Therapien eine Rolle für die Entwicklung von Depressionen.
Einige Karzinomarten, wie Bauchspeicheldrüsen- und Lungenkrebs, können Botenstoffe freisetzen, die als Auslöser für Depressionen vermutet werden und einige Therapien sind ebenfalls mit Depressionen assoziiert.1 So können Kortikosteroide bei hoher Dosierung Hypomanie (oft mit psychotischen Zügen) und bei längerfristiger niedriger Dosierung Depressionen verursachen. Auch für konventionelle Chemotherapeutika, Hormondeprivationstherapien, neuere Immuntherapien und zielgerichtete Wirkstoffe, Strahlentherapie und Krebsoperationen gibt es entsprechende Daten.1

Last, but not least: Einige Antidepressiva können bestehende Krebssymptome verschlimmern und weisen Interaktionspotenzial mit bestimmten Chemotherapeutika auf.1
Neben der Korrektur reversibler Ursachen (wie Vitamin B12-Mangel, Hypothyreose, SIADH oder Hyperkalzämie) sollten Faktoren, welche eine Depression verstärken (wie etwa Schmerzen) zuerst optimal eingestellt werden.1

Quellen:
  1. Pitman, A., Suleman, S., Hyde, N. & Hodgkiss, A. Depression and anxiety in patients with cancer. BMJ 361, k1415 (2018).
  2. Weißflog, G. & Götze, H. Kommunikativer Umgang mit Angst und Depressivität bei Krebspatienten im Arzt-Patienten-Gespräch. Onkologie 29, 801–807 (2023).

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