Antikörper wirkungslos gegen Alzheimer Logo of esanum https://www.esanum.de

Erneute Enttäuschung für Antikörper bei M. Alzheimer

In zwei globalen Phase-III-Studien konnte der gegen Beta-Amyloid gerichtete Antikörper Gantenerumab den kognitiven Abbau bei Menschen mit frühem M. Alzheimer nicht signifikant verlangsamen. Ein Déjà-vu?

Ergebnisse der GRADUATE-Studie zur Gantenerumab

Dies kam nicht so ganz überraschend, denn bereits im Jahr 2014 war die erste Phase-III-Studie nach negativen Ergebnissen einer Interimsanalyse vorzeitig abgebrochen worden.2 Basierend auf den früheren Erfahrungen hatten viele Wissenschaftler und Analysten dem Medikament schlechte Erfolgschancen in den beiden neuerlichen Studien eingeräumt und waren von der Entscheidung des Unternehmens überrascht, es mit höheren Dosen des Antikörpers erneut zu versuchen, schreibt die Fachzeitschrift Science.2

Drei verschiedene Anti-Amyloid-Antikörper, viele offene Fragen

Anfang 2022 gab es vielversprechende Nachrichten aus der großen klinischen Studie CLARITY zu einem anderen Anti-Amyloid-Antikörper: Lecanemab. Die mit Lecanemab behandelten Alzheimer-Erkrankten zeigten immer noch einen geistigen Abbau, aber dieser schritt um 27% langsamer voran als unter Placebo. Die Länge des Studienzeitraums (18 Monate) machte es einfacher, Unterschiede zu detektieren. Die Studie schloss außerdem nur Menschen ein, die Anzeichen von Amyloid im Gehirn aufwiesen (was auf etliche neuere Studien zutrifft). Und auch wenn der Unterschied nicht sehr groß ausfiel, gab er Anlass zur Hoffnung.3

Doch auch zur Alzheimer-Therapie mit dem Antikörper Lecanemab gibt es noch viele offene Fragen, insbesondere zur Sicherheit und zum Nutzen des Medikaments. Zum einen bedeutet die Behandlung keine Heilung der Alzheimer-Erkrankung, sie verbessert den Zustand der Betroffenen nicht. Neurologen sind sich nicht einig, ob die berichtete Verlangsamung des kognitiven Abbaus für viele Patienten oder Betreuer spürbar wäre und ob der Effekt über längere Zeit nachlässt oder stabil bleibt. Die Raten von Hirnschwellungen und Hirnblutungen sind in dieser Wirkstoffklasse zudem immer wieder ein Caveat und mögliche Zusammenhänge mit schweren Hirnblutungen beunruhigen viele Wissenschaftler in der Alzheimer-Forschung.4 "Ich glaube nicht, dass die in dieser Studie festgestellten Wirkungen die Risiken eindeutig überwiegen, und trotz der allgemeinen Euphorie über eine mögliche neue Behandlung werde ich meinen Patienten raten, weiter zu warten", kommentierte Dr. Matthew Schrag, PhD, Assistenzprofessor am Vanderbilt University Medical Center das Nutzen-Risiko-Verhältnis.4

Die Inzidenz von Amyloid-bedingten Auffälligkeiten in der Bildgebung (ARIA), das heißt von Hirnödemen und Mikroblutungen, die bei dieser Antikörperklasse häufig auftreten, lag in den mit Gantenerumab behandelten Armen der GRADUATE-Studien bei 25% und damit deutlich über dem für Lecanemab berichteten Wert.2

Mit Aducanumab erlangte ein Amyloid-Antikörper 2021 die Zulassung, jedoch gab es um diese Entscheidung viele Diskussionen, wir berichteten. Das Medikament konnte zwar Amyloid-Plaques reduzieren, aber die Effektivität war bestenfalls mäßig und die Daten zum klinischen Nutzen, also zur Milderung der Symptome der Betroffenen, nicht überzeugend.2,3

Amyloid-Hypothese als Therapieansatz zunehmend hinterfragt

Anlass für Gesprächsstoff gibt nun die Frage, was die enttäuschenden Ergebnisse der jüngsten Studien über die Grundvorstellung aussagen, dass eine direkte Schädigung der Neuronen durch Beta-Amyloid ursächlich für die Alzheimer-Krankheit sei.

Einige sehen die Datenlage mit diesem Ansatz kompatibel und führen neben Ergebnissen früherer Studien auch ins Feld, dass Gantenerumab auf einen anderen Teil des Amyloid-Proteins abzielt als andere Antikörper und in den GRADUATE-Studien die Amyloid-Last in einem geringeren Maß reduzierte als vom Hersteller erwartet.2 Selbst Befürworter der Amyloid-Hypothese hatten im Vorfeld geringe Hoffnungen für den Erfolg von Gantenerumab. "Gantenerumab war der schwächste Kandidat in der Reihe [der Antikörper], daher überrascht es mich nicht, dass dieser Antikörper nicht funktioniert hat", sagt Bart De Strooper, Direktor des UK Dementia Research Institute, gegenüber Science."

Viele in diesem Bereich hoffen auf bessere Ergebnisse eines anderen Anti-Amyloid-Antikörpers, Donanemab, der sich derzeit auf der Zielgeraden einer Phase-3-Studie befindet.

Andere betrachten die Pipeline der Anti-Amyloid-Antikörper aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre insgesamt mit zunehmender Skepsis und schlagen vor, nach anderen Targets zu suchen. Einige denken dabei mehr in Richtung der Früh- und Spätprävention von Alzheimer. "Mindestens ein Jahrzehnt vor den offensichtlichen Symptomen muss es subtile Anzeichen der Krankheit geben, sagt De Strooper. Zu verhindern, dass sie sich verschlimmern, ist eine weitere Chance."3

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Quellen: