polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) Logo of esanum https://www.esanum.de

PCOS: weit mehr als eine gynäkologische Erkrankung

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist für die betroffenen Frauen nicht nur belastend und oft stigmatisierend, sondern stellt auch ein erhebliches kardiometabolisches Risiko dar. Neue Leitlinien würdigen diesen wichtigen Aspekt erstmals.

Neu: Anti-Müller-Hormon zur Bestimmung der PCOM

Nach den modifizierten Rotterdam-Kriterien müssen mindestens zwei der drei oben genannten Charakteristika vorliegen, um die Diagnose PCOS stellen zu können. Darüber hinaus müssen andere Differentialdiagnosen ausgeschlossen sein. Neu ist hier die Aufnahme des Anti-Müller-Hormons als Surrogat für eine PCOM in die Leitlinien. Die laborchemische Bestimmung kann statt des sonographischen Nachweises erfolgen und erleichtert damit vor allem internistischen Kollegen die Diagnostik.

Doch jenseits dieser klassischen Merkmale ist inzwischen bekannt, dass PCOS häufig auch mit einem metabolischen Syndrom und einer Insulinresistenz assoziiert ist. Vermutlich entwickelt sich ein pathophysiologischer Teufelskreis aus einem Androgenexzess im Ovar, verbunden mit Insulin als Co-Gonadotropin, das die Sexualhormonproduktion in der Hypophyse stört und so ebenfalls die Androgenproduktion anfacht. Verstärkt wird dieser Prozess durch eine Adipositas mit konsekutiver chronischer Inflammation. 

4-fach erhöhtes Risiko für Diabetes bei PCOS

Dennoch wird die Bestimmung einer Insulinresistenz aktuell nicht empfohlen, da schlicht noch kein guter klinischer Parameter dafür existiert. Wie wichtig er allerdings ist, zeigen Daten zu verschiedenen Risiken, mit denen PCOS einhergeht. So ist in der Schwangerschaft das Risiko für eine gestationsbedingte Hypertonie und Präeklampsie deutlich erhöht, ebenso für einen Gestationsdiabetes, der bei schwangeren Frauen mit PCOS doppelt so häufig wie bei Gesunden auftritt.

In Summe wird bei allen Frauen mit PCOS ein 4-fach erhöhtes Diabetesrisiko sowie ein 1,7-fach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen angenommen. Das schlägt sich schließlich auch in einer erhöhten Mortalität nieder.

Empfohlen wird daher ein kardiometabolisches Screening auch bei jungen Frauen mit PCOS. Es soll eine Gewichtskontrolle, die Bestimmung von Glucose und Lipiden sowie Blutdruckmessungen umfassen.

Antidiabetika bei PCOS noch nicht zugelassen

Die Behandlung des PCOS mit Blick auf die damit assoziierten internistischen Risiken steht derzeit noch auf einer unzureichenden Datenbasis. So kann etwa Metformin in dieser Indikation nur im Off-Label-Use eingesetzt werden. Die Leitlinien empfehlen es gleichwohl als erste Wahl bei einer Insulinresistenz, erhöhten Glukose- und Lipidwerten sowie zur Zyklusregulierung in der Adoleszenz. Ob die Behandlung mit Metformin in der Schwangerschaft fortgeführt werden sollte, wenn sie bereits zuvor begonnen wurde, ist mit der bestehenden Datenlage noch nicht zu beurteilen. 

Genauso offen ist der Einsatz moderner Antidiabetika. Zwar zeigte sich unter GLP1-Rezeptoragonisten ein Rückgang der Androgene, außerdem stieg die Anzahl spontaner Ovulationen und Schwangerschaften an; derzeit sind sie ohne sichere Verhütung jedoch noch nicht zugelassen. Vielversprechende erste Ergebnisse gibt es auch für SGLT-2-Inhibitoren, die die Insulinresistenz erheblich senken konnten und zu einem Rückgang der Hyperinsulinämie um 70 % führten. Aber auch hier liegt noch keine Zulassung vor.

Das könnte sich in Zukunft ändern. Die neuen Leitlinien werden hoffentlich den Blick auf das polyzystische Ovarsyndrom als umfassendes gynäkologisches und metabolisches Krankheitsbild schärfen und die Forschung dazu vorantreiben. 

Quellen:
  1. Reger-Tan, Susanne (Essen): Metabolisches Syndrom bei PCOS – neue Leitlinie. Session „Diabetes Update 2024“, DGIM-Kongress 2024, Wiesbaden, 13.-16.04.2024.
  2. Helena Teede et al. International Evidence-based Guideline for the Assessment and Management of Polycystic Ovary Syndrome 2023. Monash University. https://doi.org/10.26180/24003834.v1.