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Moderne Diabetestherapie: Hat Metformin ausgedient?

Mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten und SGLT-2-Inhibitoren stehen inzwischen wirksame Alternativen zum altbewährten Metformin zur Verfügung. Braucht es das Biguanid überhaupt noch?

Metformin und moderne Antidiabetika im Ranking

Was sagen die Leitlinien?

In einem sind sich die beiden einschlägigen Leitlinien zum Typ-2-Diabetes – Nationale Versorgungsleitlinie und Empfehlung der ESC (European Society of Cardiology) – einig: Statt der reinen Blutzuckerkontrolle und der Fokussierung auf den HbA1c werden kardiovaskuläre und renale Risikofaktoren viel stärker berücksichtigt. Ziel ist ein umfassendes Diabetesmanagement und eine individualisierte Therapie für jeden einzelnen Patienten.

Bei den Kardiologen steht der Schutz der Organe im Vordergrund. So werden bei Diabetikern mit arteriosklerotischer Herzerkrankung, Herzinsuffizienz oder chronischer Nierenerkrankung GLP-1-Rezeptor-Agonisten bzw. SGLT-2-Inhibitoren als Firstline-Therapie empfohlen. Liegt noch keine manifeste Endorganschädigung vor, zählt das kardiovaskuläre Risiko, das über einen komplexen Score ermittelt wird. Ist es hoch, bleibt es bei der o. g. Empfehlung, wobei Metformin eine Alternative darstellt; bei geringem bis mäßigem Risiko ist das Biguanid nach wie vor erste Wahl.

Die Nationale Versorgungsleitlinie ist davon nicht weit entfernt. Auch hier orientiert sich die Wahl der Medikamente am Risiko diabetesassoziierter kardiovaskulärer und renaler Ereignisse. Ist es gering, wird Metformin empfohlen; bestehen bereits Komorbiditäten, fällt die Wahl auf die neueren Antidiabetika. Bei einem hohen Risiko soll die Behandlung individuell bewertet werden.

Empfehlung versus Realität: Was wird verschrieben?

Es besteht also inzwischen Konsens darüber, dass bei manifester Herz-/Nierenerkrankung oder einem hohen Risiko dafür moderne Antidiabetika unabhängig vom HbA1c-Wert eingesetzt werden sollen. Doch die Behandlungsrealität sieht anders aus. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2020 (die neuen Empfehlungen existierten bereits) blieb Metformin mit 70 % der Verschreibungen das beliebteste Medikament. SGLT-2-Inhibitoren mit 16 % und GLP-1-Rezeptor-Agonisten mit 10 % waren dagegen noch weit abgeschlagen. Und das, obwohl alle Diabetiker per se ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, nicht wenige davon ein hohes bis sehr hohes.

Metformin hat unbestritten seine Vorzüge. Im 10-Jahres-Follow-up der großen UKPDS- Studie (UK Prospective Diabetes Study) hat es auch harte Endpunkte wie Myokardinfarkt und Gesamtmortalität reduziert, so dass ein kardiovaskulärer Nutzen zumindest vermutet wird. Daneben gibt es immer wieder Hinweise, dass der Wirkstoff auch bei anderen, z. B. Krebserkrankungen präventiv wirken könnte. Und schließlich ist er nebenwirkungsarm. Wo es Einschränkungen bei modernen Antidiabetika gibt (Stichwort Harnwegsinfektionen, Genitalinfekte oder Übelkeit), kann Metformin weiterhin priorisiert werden. 

Moderne Diabetestherapie: mehr als HbA1c-Senkung 

Zur Behandlung des Typ-2-Diabetes stehen heute erfreulicherweise zahlreiche Medikamente zur Verfügung, die nicht nur den Blutzucker senken, sondern auch das kardiovaskuläre Risiko reduzieren. Dabei hat Metformin neben den neueren Antidiabetika nach wie vor seinen Stellenwert. Wichtig ist, die Behandlung individuell und risikoadaptiert auf jeden Patienten abzustimmen. Denn eine moderne Diabetestherapie geht über eine bloße Blutzucker-Reduktion weit hinaus.
 

Quelle:

Meyhöfer, Svenja (Lübeck): Typ 2 Diabetes: Metformin als First-line Therapie auf dem Prüfstand. Session Diabetes Update 2024, DGIM Kongress 2024, Wiesbaden, 13.-16.04.2024.