- Brown A, Kim SJ, Detecting Elder Abuse in Dermatology: A Clinical and Practical Review, Journal of the American Academy of Dermatology (2023), doi: https://doi.org/10.1016/j.jaad.2023.02.003.
Schätzungsweise 10% aller älteren Menschen in den USA haben bereits eine Form von Misshandlung erfahren. Gemeldet wird aber nur ein Bruchteil davon. Auch Ärzte sind oft unsicher und wissen nicht, wie sie sich adäquat verhalten sollen. Dabei kommt vor allem Dermatologinnen und Dermatologen mit ihrem geschulten Blick für äußerliche Läsionen eine besondere Verantwortung zu.
Anzeichen für die Anwendung von Gewalt können beispielsweise Hämatome, Riss- oder Platzwunden, Frakturen, traumatische Alopezie und Skabies sein. Auf Vernachlässigung können Ulzera, wiederkehrende Genitaldermatitiden und unbehandelte Hauterkrankungen hindeuten. Hellhörig sollten außerdem wiederholte Stürze, frühere Traumata, unbehandelte alte Verletzungen und mehrere Verletzungen in verschiedenen Heilungsstadien machen. Stets verdächtig sind auch Diskrepanzen zwischen Anamnese und Befund.
All das erfordert Schulung und Übung. Doch genau daran hapert es, beklagen die Autoren der Studie. Sie ermutigen dazu, Screeningtools zu nutzen, mit denen sich Verdachtsfälle anhand weniger Fragen aufdecken lassen. So besteht etwa der Elder Abuse Suspicion Index (EASI) aus fünf einfachen Fragen, die in wenigen Minuten zu beantworten sind. Andere bewährte Screeninginstrumente sind der Brief Abuse Screen for the Elderly (BASE), die Conflict Tactics Scale (CTS), der Caregiver Abuse Screen (CASE) und der Hwalek-Sengstock Elder Abuse Screening Test (H-S/EAST).
Recht neu ist ein zweistufiges Verfahren zum Aufdecken von Misshandlung, das gut in Notaufnahmen integriert werden kann. In einem ersten Schritt werden zwei direkte Fragen nach Gewalterfahrungen gestellt. Wird eine davon bejaht, kommt ein ausführliches Screening, das Emergency Department Senior Abuse Identification (ED Senior AID) Tool, zum Einsatz. Es wird vom Pflegepersonal erhoben und ist auch für Patienten mit kognitiver Einschränkung geeignet. Es zielt auf alle Formen der Gewaltanwendung, von physischem und psychischen Missbrauch bis zur Vernachlässigung.
Wichtig sei es, so die Autoren abschließend, potentielle Opfer und Täter stets getrennt zu befragen und eine möglichst angenehme Untersuchungsatmosphäre für die Patienten zu schaffen. Denn Missbrauchserfahrungen können mit großer Angst, Verlegenheit und Scham behaftet sein.
Ärztinnen und Ärzte sind sowohl rechtlich als auch moralisch verpflichtet, Verdachtsfälle von Misshandlung bei älteren Menschen zu melden. Vor allem Spezialisten für die Haut sollten genau auf äußere Anzeichen von Gewalt achten. Dabei können einfache Screeningtools helfen, die sich problemlos in den Praxis- oder Klinikalltag integrieren lassen.