Um 40% erhöhte Mortalitätsrate durch häusliche Gewalt Logo of esanum https://www.esanum.de

Um 40% erhöhte Mortalitätsrate durch häusliche Gewalt

Eine britische Studie belegt die dringende Notwendigkeit, noch drastischer gegen häusliche Gewalt vorzugehen: Bei weiblichen Überlebenden von Missbrauchserfahrungen besteht eine um 40 Prozent erhöhte Mortalitätsrate durch kardiometabolische Erkrankungen.

Ein Drittel aller Frauen weltweit ist von häuslicher Gewalt betroffen

Häusliche Gewalt gegen Frauen stellt ein weltweites Problem dar. Schätzungen gehen davon aus, dass global ein Drittel aller Frauen im Laufe ihres Lebens sexuellen, körperlichen, psychischen, finanziellen oder emotionalen Missbrauch erfährt. Eine britische Studie belegt die Notwendigkeit, noch drastischer gegen häusliche Gewalt vorzugehen: Bei weiblichen Überlebenden von Missbrauchserfahrungen besteht eine um 40 Prozent erhöhte Mortalitätsrate durch kardiometabolische Erkrankungen.

Häusliche Gewalt stellt ein Problem dar, dass über alle Landesgrenzen hinweg und durch alle Kulturkreise hindurch besteht. Schätzungsweise ein Drittel aller Frauen erfährt im Verlauf des Lebens auf einer oder mehreren Ebenen Missbrauch. Laut BKA-Auswertung erfuhren allein in Deutschland im Jahr 2018 114.000 Frauen häusliche Gewalt oder Missbrauch, 122 kamen dabei zu Tode. Bei insgesamt 140.755 registrierten Fällen von Partnerschaftsgewalt waren 81 Prozent der Opfer weiblich.1

Im Rahmen einer aktuellen Studie2 konnte ein britisches Forschungsteam nachweisen, dass bei Überlebenden häuslicher Gewalt die Belastung weit über psychische und emotionale Faktoren hinausgeht: So konnten die Forschenden feststellen, dass die allgemeine Mortalitätsrate durch eine Vielzahl kardiometabolischer Erkrankungen bei missbrauchten Frauen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um 40 Prozent erhöht ist.

Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten und Typ-2-Diabetes stark erhöht

Für ihre Studie griffen die Forschenden auf die Daten von britischen Patientinnen zurück, die zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 1. Dezember 2017 erste Hilfe erhielten. Hierbei wurden - unabhängig von Alter und Lebensstilfaktoren - 18.547 Frauen, die häusliche Gewalt erfahren hatten, mit 72.231 Kontrollpersonen verglichen.

Durch ihre Untersuchungen wollte das Forschungsteam in Erfahrung bringen, mit welcher Häufigkeit es in den beiden untersuchten Gruppen zu kardiovaskulären Krankheiten, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und allgemeinen Todesfällen kam. Insgesamt traten bei 181 Frauen, die häusliche Gewalt erfahren hatten, kardiovaskuläre Erkrankungen auf, in der Kontrollgruppe waren 644 Frauen betroffen. Das entspricht einer Inzidenzrate von 31 Prozent (95% CI, 1.11–1.55; P=0.001).

Noch drastischer fiel das Ergebnis hinsichtlich Typ-2-Diabetes aus: Hier lag die Inzidenzrate sogar bei 51 Prozent (95% CI, 1.30–1.76; P<0.001). Im Hinblick auf Bluthochdruck konnten die Forschenden keine auffälligen Abweichungen erkennen (IRR: 0.99; 95% CI, 0.88–1.12; P=0.873). Insgesamt errechnete das Forschungsteam jedoch eine allgemeine Mortalitätsrate durch sämtliche untersuchten Umstände von 44 Prozent (95% CI, 1.24–1.67; P<0.001) bei häuslicher Gewalt.

Errechnete Zahlen vermutlich noch ein Understatement

Durch das relativ junge Einstiegsalter von 37 Jahren zu Beginn der Studie fiel die Mortalitätsrate im Allgemeinen – 948 der 91.778 Frauen verstarben – relativ gering aus. Dennoch konnte das britische Forschungsteam durch die aktuelle Forschungsarbeit errechnen, dass kardiometabolische Ursachen jährlich bei 6 von 1.000 Überlebenden häuslicher Gewalt zum Tode führen, bei Frauen ohne Missbrauchserfahrungen allerdings nur in 3,1 von 1.000 Fällen.

Die Forschenden befürchten allerdings, dass es sich bei den errechneten Zahlen noch um ein Understatement handeln könnte: So merken sie an, dass die Anzahl an Frauen, die häusliche Gewalt erfuhren, im Hinblick auf die Ergebnisse nationaler Erhebungen auffällig gering erscheint. So könnten einige der Frauen aus der Kontrollgruppe ebenfalls häusliche Gewalt erfahren haben, ohne dass dieser Umstand in den Daten entsprechend erfasst wurde. Dementsprechend könnte die Dunkelziffer deutlich höher ausfallen.

Häusliche Gewalt ist schwerwiegender Faktor bei kardiometabolischen Erkrankungen

Dr. Joht Singh Chandan, der leitende Studienautor, äußert sich gegenüber dem Nachrichtenportal "EurekAlert!": "Die Forschung zu den Auswirkungen häuslicher Gewalt steckt noch in den Kinderschuhen und nicht jede betroffene Frau entwickelt langfristig schwere Erkrankungen. Unsere Studie weist allerdings deutlich nach, dass häusliche Gewalt ein schwerwiegender Faktor hinsichtlich der Entwicklung kardiometabolischer Erkrankungen sein kann. Wir glauben, dass diese Beziehung vor allem durch die Nebenwirkungen akuter und chronischer Stresssituationen zustande kommt."3

Dr. Krish Nirantharakumar, ein Mitverfasser der Studie, resümiert: "Die Studienergebnisse zeigen die dringende Notwendigkeit, dass die Regierung den Fokus nicht nur auf Initiativen legt, die häusliche Gewalt verhindern. Ebenso wichtig ist es, Hilfestellen für Überlebende solch traumatisierender Ereignisse zu schaffen, um das Auftreten negativer gesundheitlicher Folgeerscheinungen zu verhindern."

Quellen:
1. https://www.tagesschau.de/inland/gewalttaten-frauen-deutschland-101.html
2. Risk of Cardiometabolic Disease and All‐Cause Mortality in Female Survivors of Domestic Abuse
Joht Singh Chandan MFPH , Tom Thomas MBBS , Caroline Bradbury‐Jones PhD , Julie Taylor PhD , Siddhartha Bandyopadhyay PhD , and Krishnarajah Nirantharakumar MD
Journal of the American Heart Association
DOI: 10.1161/JAHA.119.014580
3. https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-02/uow-mfa021320.php