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Psychedelisch-Augmentierte Psychotherapie: Wissenschaft vs. Erwartung

Viele Patienten suchen die Psychedelisch-Augmentierte Psychotherapie mit vollkommen überzogenen Erwartungen auf. Wie sollten Therapeuten vorgehen?

Psychedelische Therapie: voranschreitendes Wissen, aber kleine Studiensettings

Netflix-Serien, überschwängliche Zeitungsartikel: Die Psychedelisch-Augmentierte Psychotherapie – kurz: PAP – als heilbringendes Wundermittel ist in aller Munde. Herrschte vor einigen Jahren noch tiefes Misstrauen und Vorurteile gegenüber „Drogentherapien“, so habe sich die Situation inzwischen umgekehrt – die (medizinische) Realität könne diesen überzogenen Erwartungshaltungen aber bei Weitem nicht gerecht werden, betont Dr. med Andrea Jungaberle eindringlich. Gerade dieser Punkt müsse auch jeder Patientin und jedem Patienten, die sich in die PAP begeben möchte, unbedingt klar gemacht werden.

Trotz voranschreitendem medizinischen Wissen zur Anwendung von psychoaktiven Substanzen – etwa im Rahmen der EPIsoDE-Studie – muss laut Jungaberle unbedingt festgehalten werden, dass viele der Stoffe sich zwar in klinischer Erprobung befänden, allerdings der Weg zur konkreten wissenschaftlichen Anwendung aufgrund von politischer Regularien und sehr kleiner Studiensettings noch lang sei. Außer Ketamin – in begrenztem Maße – liegt hierzulande keine legale Zulassung vor. Konkrete Anwendungsmöglichkeiten der Augmentierten Psychotherapien seien insofern begrenzt.

Ärztinnen und Ärzte: keine Gurus 

Durch medial gehypte Erwartungshaltungen kämen nun allerdings mitunter Patienten in die Praxis, die von der PAP Extreme erwarten. Dann sei schnell einmal vom “Brain Reset” die Rede, die Rezeptoren sollten “wieder eingependelt” werden oder – wenn es ins Esoterische abdrifte – die Kommunikation mit dem “großen Geist des Universums” solle durch die Therapie eingeleitet werden. Einige Erwartungen, die Dr. Jungaberle bereits zu Ohren kamen:

  • “Es soll wieder alles so sein, wie vorher. Ich will mein Leben zurück.”
  • “Ich will endlich verstehen, welches Trauma hinter allem steckt. Da muss was sein. Das ist die Lösung für alle meine Probleme.”

Viele Leute erwarten von der Psychedelisch-Augmentierten Psychotherapie schnelle Lösungen, die ein wissenschaftlich fundiertes medizinisches Verfahren so natürlich nicht liefern könne. Die PAP könne es nicht bewerkstelligen, jahrzehntelange Traumata oder Depressionen einfach zurückzusetzen. “Wir können keinen Menschen neu machen”, betont Dr. Jungaberle. Menschen, die mit spirituellen Anliegen in die Praxis kommen, müsste sofort klar gemacht werden, dass die Therapie mit Psychedelika nicht zu diesem Zweck gedacht sei: “Ein Arzt ist kein Guru!”

Psychedelisch-Augmentierte Psychotherapie: keine falschen Erwartungen wecken

Es gäbe Fälle von Patienten, die bereits nach einer oder wenigen Sessions von einer Heilung berichten, hier betont Jungaberle aber eindringlich: Dabei handle es sich um absolute Ausnahmeerscheinungen. Im Regelfall handle es sich bei der Augmentierten Psychotherapie nämlich um einen langen, mitunter kräftezehrenden Prozess. Besonders schwierige Fälle: Mitunter kämen auch Patienten in die Praxis, die in der PAP ihre letzte Hoffnung sehen, bevor sie assistierten Suizid in Betracht ziehen. 

Wie ist also in solchen Fällen und generell bei Leuten mit überhöhten Erwartungen vorzugehen? Andrea Jungaberle fasst zusammen: 

  • keinen Patienten Hoffnungen geben, die nicht erfüllt werden können
  • von Anfang an im Gespräch auf Grenzen und Limitationen der PAP hinweisen
  • Behandlung niemals ohne realistische Therapieziele starten
  • verdeutlichen: Psychedelisch-Augmentierte Psychotherapie ist ein langwieriger, anstrengender Prozess
  • Behandlung von Patientinnen und Patienten, die mit zu vorgefasster Meinung in die Praxis kommen ggf. ablehnen; dies gelte leider auch für solche, die in der PAP die letzte Option vor dem Suizid sehen
Referenzen:

Dr. med. Andrea Jungaberle: Therapieziele und Erwartungsmanagement in der Psychedelisch-Augmentierten Psychotherapie (PAT). INSIGHT Conference 2023; 01.09.2023, 10.00 - 10.30 Uhr.