Neue Therapieoptionen für Myasthenia gravis und Neuromyelitits optica Logo of esanum https://www.esanum.de

Neue Therapieoptionen für seltene neuroimmunologische Erkrankungen

Beide sind selten, beide sind autoimmun bedingt, für beide stehen inzwischen innovative, zielgerichtete Therapien zur Verfügung: Myasthenia gravis (MG) und Neuromyelitits optica (NMO).

Wissenswertes zu MG und NMO

NMO: Schübe noch gravierender als bei der MS

Lange Zeit als Sonderform der Multiplen Sklerose (MS) eingeordnet, weist die Neuromyelitis optica (NMO) viele Gemeinsamkeiten mit der deutlich häufigeren Autoimmunerkrankung auf. In einem unterscheiden sich beide jedoch relevant: im Verlauf. Die Schubrate ist bei der NMO mit 80–90% deutlich höher als bei der MS. Zudem bildet sich die Symptomatik nach einem Schub häufig nicht oder nicht vollständig zurück. Oberstes Therapieziel ist es daher, Schübe möglichst zu verhindern, um das Fortschreiten der Erkrankung mit zunehmender Behinderung aufzuhalten.

Hier hat sich in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung von einer rein symptomatischen hin zu einer pathophysiologisch orientierten Therapie vollzogen. Neue Immuntherapeutika greifen an unterschiedlichen Stellen gezielt in die Entzündungskaskade ein. Wie gut das funktioniert, zeigen die Zulassungsstudien. So erreichten etwa die beiden Komplementinhibitoren Eculizumab und Ravulizumab mit über 90% eine nahezu vollständige Schubrisikoreduktion.

MG neu gedacht: das Prinzip der Krankheitsaktivität

Hier spannt sich der Bogen hin zur Myasthenie. Denn auch sie geht u.a. auf eine Aktivierung des Komplementsystems zurück, die hier zu einer dauerhaften Entzündungsreaktion an der Postsynapse führt. Das klinische Bild äußert sich typischerweise in einer fluktuierenden, belastungsabhängigen Muskelschwäche. 

In der neuen S2k-Leitlinie "Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome" hat sich mit dem Konzept der Krankheitsaktivität ein Paradigmenwechsel vollzogen, der auch die Therapie umfasst. Während früher bei der MG ein Eskalationsansatz von anfänglich niedrig bis hin zu hochpotenten Immunsuppressiva verfolgt wurde, orientiert sich die Behandlung heute an der Aktivität der Erkrankung. Bei aktiven, generalisierten Formen der MG kommen nun als Add-on zur Standardtherapie ebenfalls zielgerichtete Therapien wie die neuen Komplementinhibitoren zum Einsatz. 

Vor Einleiten der Immuntherapie: Impfen nicht vergessen

Eines ist bei den neuen Immuntherapeutika allerdings zwingend zu beachten, sei es bei der NMO oder der MG: Vor Therapiebeginn mit einem Komplementinhibitor ist eine Meningokokken-Impfung obligat. Denn speziell bei Meningokokken-Infektionen spielt das Komplementsystem eine entscheidende Rolle. Um die Patienten zu schützen, muss daher vor der Immunblockade eine ausreichende Immunität aufgebaut werden. Im besten Fall erfolgt die Impfung zwei Wochen vor Beginn der Therapie. Duldet die Behandlung keinen Aufschub, kann überlappend eine antibiotische Prophylaxe verabreicht werden.

Eine frühzeitige Immunisierung ist auch bei anderen Impfungen dringend geboten, solange die Immunkompetenz noch intakt ist – wird aber in der Praxis zu wenig umgesetzt. Über 80% aller immunsupprimierten Patienten mit einer klaren Impfindikation weisen zahlreiche Impflücken auf.

Konkret empfohlen werden u.a.

Fazit für die Praxis

Neue, hochwirksame Immuntherapien bei der Neuromyelitis optica und der Myasthenia gravis haben das Therapiespektrum dieser beiden seltenen neuroimmunologischen Erkrankungen maßgeblich erweitert. Die prophylaktische Therapie sollte frühzeitig begonnen und mit den Patienten individuell besprochen werden.
 

Myasthenie

Weitere Informationen zur Myasthenia gravis und möglicher Therapieoptionen finden Sie im Infocenter Neurologie.

DGN-Kongress 2023: Neurodegenerative Erkrankungen im Fokus 

Der DGN-Kongress vom 8. bis zum 11. November 2023 im CityCube Berlin hat den Fokus auf neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson gelegt. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat mit ihrem Programm 2023 die neurologischen Folgen einer alternden Gesellschaft in den Mittelpunkt gerückt. esanum berichtet vom DGN Kongress zum Beispiel auch über den Einfluss der Neuroinflammation bei MS oder das Leitlinien-Update zur Epilepsie. Hier finden Sie die aktuelle Berichterstattung.

Quelle:
  • Session Aktuelle Chancen und Herausforderungen in der Therapie seltener neuroimmunologischer Erkrankungen, DGN Kongress 2023, Berlin, 08.-11.11.2023.