Erhöhte Hba1c-Werte bei Diabetes mellitus gehen mit einer ganzen Reihe an Risiken für das kardiovaskuläre System einher. Sedding führte dem Auditorium wichtige Kennzahlen hierzu vor Augen. In der vorgestellten Studie ging bereits ein 1%iger Anstieg des Hba1c-Wertes mit einer Erhöhung des Risikos für das Auftreten eines tödlichen und nicht tödlichen Herzinfarkts um 14% einher. Derselbe Hba1c-Anstieg führte hinsichtlich des tödlichen und nicht tödlichen Schlaganfalls immerhin zu einer Risikoerhöhung um 12%. Die größte Auswirkung hatte ein 1%iger Anstieg des Hba1c-Wertes auf eine Amputation/Tod durch pAVK. Hier zeigte sich ein Risiko-Anstieg um 43%. Bezüglich der Herzinsuffizienz (HF) konnte eine Risiko-Erhöhung von 16% verzeichnet werden. Zu bedenken ist, dass die von Sedding vorgestellten Daten aus dem Jahr 2000 stammen.1,2
Bei einem Blick auf die epidemiologischen Daten der letzten Jahrzehnte war eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko hat bei diabetischen Patienten von 1990 bis 2010 stetig abgenommen. Auch das Risiko eines kardiovaskulär bedingten Todes bei Typ-2-Diabetes konnte reduziert werden.1,3,4
Sedding gab zu bedenken, dass trotz dieser zunächst positiv wirkenden Zahlen die Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen bei Typ-2-Diabetikern im Vergleich zu Nichtdiabetikern etwa doppelt so hoch wären. Darüber hinaus habe die Inzidenz und Prävalenz der Herzinsuffizienz bei Typ-2-Diabetes – relativ gesehen –zugenommen.1,5,6 Den von Anker et al. auf der EASD 2020 vorgestellten Daten konnte man entnehmen, dass Typ-2-Diabetiker im Vergleich zu Nichtdiabetikern ein extrem signifikant erhöhtes Risiko besaßen aufgrund einer Herzinsuffizienz hospitalisiert zu werden bzw. an dieser zu versterben.1,7
Fast 90%ige Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität bei Typ-2-Diabetikern mit Herzinsuffizienz
Sedding stellte dem Auditorium aktuelle epidemiologische Daten zur Herzinsuffizienz bei Typ-2-Diabetikern aus dem Jahr 2022 vor. Diesen zufolge entwickelten Typ-2-Diabetiker 2- bis 5-mal häufiger eine Herzinsuffizienz. Bei 30% der Typ-2-Diabetiker lag eine Herzinsuffizienz bereits vor, wobei die Dunkelziffer aktuell noch sehr hoch wäre, so Sedding. Bei 28% der Typ-2-Diabetiker wäre eine vorhandene Herzinsuffizienz noch nicht diagnostiziert worden. Bei einem Großteil dieser nichtdiagnostizierten Fälle wäre die Ejektionsfraktion reduziert gewesen (75% Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF); 25% Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF)). Eine weitere erschreckende Beobachtung wäre, dass sich das Altersspektrum der Herzinsuffizienz bei Typ-2-Diabetes maßgeblich in Richtung der jüngeren Patienten hin verschoben hätte. Sedding betonte in seinem Vortrag, dass das gemeinsame Vorliegen eines Typ-2-Diabetes mit einer Herzinsuffizienz mit einer 50-90%igen Risikoerhöhung bezüglich der kardiovaskulären Mortalität assoziiert wäre.1,8
SGLT2-Hemmer als einzige Substanzklasse mit positivem Effekt auf die Herzinsuffizienz
Sedding stellte seiner Zuhörerschaft die Vor- und Nachteile verschiedener Antidiabetika vor. Antidiabetika unterscheiden sich deutlich in ihrem Einfluss auf die Hospitalisierungsrate bei Herzinsuffizienz. So konnte bei der Klasse der Thiazolidindione und Saxagliptin ein signifikant erhöhtes Risiko für die Hospitalisierungsrate bei an Herzinsuffizienz (hHF) leidenden Diabetikern beobachtet werden. Natrium-Glukose-Co-Transporter-2-Inhibitoren (SGLT2-Hemmer) hingegen gingen mit einer signifikanten Verringerung des Risikos für hHF einher. In einer groß angelegten Meta-Analyse zeigte sich bei Typ-2-Diabetikern ein signifikanter Rückgang der hHF mit SGLT-2-Hemmern im Vergleich zu Placebo oder anderen Antidiabetika. Sedding betonte, dass SGLT-2-Hemmer die Prognose der diabetischen Patienten entscheidend verbessern könnten.1,9
SGLT2-Hemmer verringern das Risiko für einen kardiovaskulären Tod bei Typ-2-Diabetikern und bei Nichtdiabetikern mit HFrEF
In den beiden Studien DAPA-HF (zur Bewertung von Dapagliflozin) und EMPEROR-Reduced (zur Bewertung von Empagliflozin) konnte gezeigt werden, dass SGLT2-Hemmer das kombinierte Risiko eines kardiovaskulären Todes oder einer Krankenhauseinweisung aufgrund einer Herzinsuffizienz für folgende Patientengruppen reduzieren konnten:
- Typ-2-Diabetiker mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF)
- Nichtdiabetiker mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF)
In einer vorspezifizierten Meta-Analyse der beiden Studien wurden u.a. die Auswirkungen auf den kardiovaskulären Tod oder die Gesamttodesursache bewertet. Insgesamt zeigte sich eine 13%ige Verringerung der Gesamttodesfälle. Die kardiovaskulär bedingten Todesfälle konnten durch die Medikation mit SGLT2-Hemmern um 14% gesenkt werden. Das kombinierte Risiko eines kardiovaskulären Todes oder einer ersten Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz konnte relativ um 26% reduziert werden.1,10 Sedding hob in seinem Vortrag hervor, dass durch die SGLT2-Hemmer sowohl für Typ-2-Diabetikern, als auch für Nichtdiabetiker nun eine effektive Behandlung der Herzinsuffizienz (HFrEF; LV-EF ≤ 40 %) möglich wäre.1,11
SGLT2-Hemmer verringern das Risiko für einen kardiovaskulären Tod bei Herzinsuffizienz unabhängig von der Auswurffraktion
Die beiden groß angelegten Studien DELIVER und EMPEROR-Preserved haben die therapeutischen Auswirkungen von SGLT2-Hemmer auf die kardiovaskuläre Mortalität bei HFpEF-Patienten (HFpEF: Herzinsuffizienz mit leicht reduzierter oder erhaltener Auswurffraktion) untersucht. In einer vorspezifizierten Meta-Analyse wurde neben diesen beiden Studien die SOLOIST-WHF-Studie in die Auswertung miteinbezogen. In diese Studie wurden Typ-2-Diabetiker, die wegen einer sich verschlechternden Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden, eingeschlossen. Sie erhielten entweder den SGLT2-Hemmer Sotagliflozin oder ein Placebo. Primärer Endpunkt war die Gesamtzahl der kardiovaskulär bedingten Todesfälle sowie der Hospitalisierungen und Notfallbesuche aufgrund einer Herzinsuffizienz gewesen. In der Meta-Analyse verringerten SGLT2-Hemmer das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle sowie von Krankenhausaufenthalten aufgrund einer Herzinsuffizienz bei einem breiten Spektrum von Patienten mit Herzinsuffizienz. Sie besaßen damit eine wichtige Rolle als Basistherapie bei Herzinsuffizienz -unabhängig von der Auswurffraktion oder dem Versorgungsumfeld.1,12 Dieser Effekt der SGLT2-Hemmer konnte für Nichtdiabetiker und Typ-2-Diabetiker beobachtet werden.1
SGLT2-Hemmer effektiv bei Nichtdiabetikern und Typ-2-Diabetikern mit HFrEF oder HFpE
SGLT2-Hemmer eignen sich damit zur Herzinsuffizienz-Therapie von Nichtdiabetikern und Typ-2-Diabetikern unabhängig von der Auswurffraktion.1
Fazit für die Praxis
- Herzinsuffizienz (HF) bei Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) ist mit einem erheblichen Anstieg der Sterblichkeit verbunden.
- Das gemeinsame Vorliegen eines Typ-2-Diabetes mit einer Herzinsuffizienz ist mit einer 50-90%igen Risikoerhöhung bezüglich der kardiovaskulären Mortalität assoziiert.
- Typ-2-Diabetiker entwickeln 2- bis 5-mal häufiger eine Herzinsuffizienz.
- Typ-2-Diabetiker erkranken in jüngerem Lebensalter an einer Herzinsuffizienz.
- Die Dunkelziffer für die Diagnosestellung einer Herzinsuffizienz bei T2DM ist hoch: Bei einem Drittel der Typ-2-Diabetiker bleibt die Herzinsuffizienz zunächst unerkannt.
- Die Klasse der Thiazolidindione und Saxagliptin besitzt ein signifikant erhöhtes Risiko für die Hospitalisierungsrate bei an Herzinsuffizienz (hHF) leidenden Typ-2-Diabetikern.
- SGLT-2-Hemmer verringern das Risiko für das Auftreten von hHF.
- SGLT2-Hemmer sind eine effektive Herzinsuffizienztherapie (HFrEF; LV-EF ≤ 40 %) für Nichtdiabetiker und Typ-2-Diabetiker.
- SGLT2-Hemmer verringern das Risiko für einen kardiovaskulären Tod bei Herzinsuffizienz unabhängig von der Auswurffraktion für HFrEF- und HFpEF-Patienten.
- Sedding, Daniel G., Prof. Dr. med., Komorbiditäten bei Herzinsuffizienz (Mechanismen, Therapeutische Besonderheiten), Vorsitz: Dr. Franz Goss; Prof. Dr. Stefan Frantz, 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 08:35 Uhr, 14. April 2023.
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