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Was hilft wirklich zur Diabetesremission?

Ein Drittel der Rentner in Deutschland ist von Typ-2-Diabetes betroffen. Häufig wird bereits früh im Krankheitsverlauf zu Medikamenten gegriffen, jedoch genügen oft Lebensstilinterventionen.

Individuelle Beratung nach Subtypen zur Diabetesremission

In Deutschland wird bei ca. einem Drittel der Rentner Diabetes Typ 2 diagnostiziert. Eine mangelnde Aufklärung über die Präventionsmöglichkeiten führt dazu, dass Patientinnen und Patienten erst gar nicht über eine Veränderung des Lebensstils nachdenken, sondern direkt in die Pillenbox greifen.2 Dies ist allerdings in vielen Fällen gar nicht nötig, so Prof. Scholl. 

Eine schwedische Kohortenstudie3 hatte schon im Jahr 2018 Hinweise dafür geliefert, dass sich beim Diabetes mellitus des Erwachsenen fünf Cluster mit unterschiedlichem pathophysiologischen und auch genetischen Profil unterscheiden lassen. 

  1. schwerer Autoimmun-Diabetes (severe autoimmune diabetes, SAID, 22 % d. Population)
  2. schwerer Insulin-defizienter Diabetes (severe insulin-deficient diabetes, SIDD, 3 % d. Population).
  3. schwerer Insulin-resistenter Diabetes (severe insulin-resistent diabetes, SIRD, 11% d. Population)
  4. milder Adipositas-bedingter Diabetes (mild obesity-related diabetes, MOD, 29 % der Population)
  5. milder altersabhängiger Diabetes (mild age-related diabetes, MARD, 35 % d. Population)

Neben dem Subtyp 1 (der am ehesten dem Diabetes Typ 1 entspricht), konnten vier Subtypen mit unterschiedlichem Grad der Insulinresistenz ausgemacht werden. Dementsprechend sollte eine individualisierte Beratung je nach Subtyp erfolgen.

Gegenläufig zur Aussage des Diabinfo-Portals ist beim Subtyp 3 (SIRD) beispielsweise eine strenge Kohlenhydratreduktion mit Intervallfasten sowie ein konsequentes Sportprogramm indiziert. Am einfachsten hingegen ist die Diabetesremission bei Subtyp 5 zu erreichen, denn hier kann ein Rückgang des Diabetes bereits durch eine moderate Kohlenhydratreduktion sowie die Steigerung der körperlichen Aktivität erfolgen, es genügt beispielsweise tägliches Spazierengehen. 

Bei allen Subtypen ist es essentiell, die Beratung so früh und so effizient wie möglich zu gestalten. Denn bei einer Diabetesdauer von unter einem Jahr erreichen 77% der Patientinnen und Patienten eine Remission ohne Medikation. 6-10 Jahre nach der Diagnosestellung sind es lediglich 31%.

Mahlzeitenersatz und Low-Carb-Diäten bei Typ-2-Diabetes 

Ernährung stellt den wichtigsten Baustein der Diabetesremission dar.2 Eine große Metaanalyse mit 1982 Patienten hat gezeigt, dass der Einsatz von Mahlzeitenersatz in der Startphase sehr effektiv ist, um den Blutzuckerspiegel zu senken.4 In einer weiteren Studie aus Katar wurden 147 Personen mit Diabetes Typ 2 eingeschlossen und engmaschig während einer dreiphasigen Intervention betreut. In der ersten Phase hielten die Betroffenen eine zwölfwöchige Formula-Diät, die ausschließlich Obst und Gemüse beinhaltete. Phase 2 bestand aus zwölf Wochen strukturierter Wiedereinführung natürlicher Nahrung. Während der dritten Phase steuerten die Teilnehmenden sechs Monate eigenständig kalorienreduzierte Kost. Bei der Kontrollgruppe erfolgte eine leitliniengerechte medikamentöse Diabetestherapie mit Empfehlung zur Nahrung und körperlicher Aktivität. Taheri et al. stellten fest, dass intensive Lebensstilinterventionen nach 12 Monaten zu einem signifikanten Gewichtsverlust, zur Remission des Diabetes bei mehr als 60 % der Teilnehmer und zur Normoglykämie bei mehr als 30 % der Teilnehmer führten.5

Eine weitere wichtige Komponente zur Diabetes-Remission stellt die Low-Carb-Diät dar. Mehrere Studien konnten belegen, dass eine Low-Carb-Diät viel effektiver ist, den Blutzuckerspiegel zu senken als die Low-Fat/High-Carb Diät.6,7 Daneben ist die traditionell-mediterrane Diät auch eines der wirksamsten Ernährungsmodelle zur Gewichtsreduktion und zur Senkung der Nüchternglukose.

Sport zur Diabetes-Remission

Ergänzend zur einer Ernährungsumstellung ist die Integration körperlicher Aktivität in den Alltag ebenfalls obligat zum Erreichen einer Diabetesremission. Studien haben gezeigt, dass regelmäßiges Training den Blutzuckerspiegel senken und das Risiko von Komplikationen im Zusammenhang mit Diabetes reduzieren kann. Dabei ist ein Minimum einer halben Stunde körperlicher Aktivität täglich erforderlich. Insbesondere aerobe Übungen wie Gehen, Laufen und Schwimmen können dazu beitragen, Gewicht zu verlieren und die Insulinempfindlichkeit zu verbessern. Krafttraining kann ebenfalls hilfreich sein, da es den Anteil der Muskelmasse erhöht, die Insulinempfindlichkeit verbessert und den Stoffwechsel anregt. 

Empfohlen wird eine Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining, deren optimale Dauer abhängig vom jeweiligen Diabetes-Subtyp ist: Während eine Stunde Ausdauertraining täglich und eine Stunde Krafttraining wöchentlich bei Subtyp 2 empfohlen wird, reichen eine Stunde Spazierengehen täglich und eine Stunde Gleichgewichtsübungen wöchentlich bei Subtyp 5, um den gleichen Effekt zu erreichen.

Zusammenfassend ist anzumerken, dass die Prävention und Therapie von Diabetes mellitus immer differenzierter und individueller wird. Die wichtigste Diät-Intervention, die als nächstes in die Leitlinien aufgenommen wird, ist die Formula-Diät bei Diagnosestellung und die strukturierte Wiedereinführung natürlicher Nahrung. In Zukunft sollte ebenso eine genauere Untersuchung von Personen mit Typ 2-Diabetes erfolgen, um den jeweiligen Diabetes-Subtyp zu bestimmen und dementsprechend eine spezifische Empfehlung zur Ernährung, körperlicher Aktivität und Langzeittherapie abgeben zu können.

Weitere Highlights vom DGIM 2023 finden Sie in unserer Kongressberichterstattung.

Referenzen:
  1. Skurk, T., Bosy-Westphal, A., Grünerbel, A. et al. Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit Diabetes mellitus Typ 2. Diabetologie 18, 449–481 (2022). https://doi.org/10.1007/s11428-022-00908-2
  2. Scholl, Johannes. "Diabetes - zurück auf Null: individuelle Beratung nach Subtypen", Session: Diabetesremission - so geht das!, DGIM Kongress 2023.
  3. Ahlqvist E, Storm P, Käräjämäki A, Martinell M, Dorkhan M, Carlsson A, Vikman P, Prasad RB, Aly DM, Almgren P, Wessman Y, Shaat N, Spégel P, Mulder H, Lindholm E, Melander O, Hansson O, Malmqvist U, Lernmark Å, Lahti K, Forsén T, Tuomi T, Rosengren AH, Groop L. Novel subgroups of adult-onset diabetes and their association with outcomes: a data-driven cluster analysis of six variables. Lancet Diabetes Endocrinol. 2018 May;6(5):361-369. doi: 10.1016/S2213-8587(18)30051-2. Epub 2018 Mar 5. PMID: 29503172.
  4. Min J, Kim SY, Shin IS, Park YB, Lim YW. The Effect of Meal Replacement on Weight Loss According to Calorie-Restriction Type and Proportion of Energy Intake: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. J Acad Nutr Diet. 2021 Aug;121(8):1551-1564.e3. doi: 10.1016/j.jand.2021.05.001. Epub 2021 Jun 16. PMID: 34144920. 
  5. Taheri S, Zaghloul H, Chagoury O, Elhadad S, Ahmed SH, El Khatib N, Amona RA, El Nahas K, Suleiman N, Alnaama A, Al-Hamaq A, Charlson M, Wells MT, Al-Abdulla S, Abou-Samra AB. Effect of intensive lifestyle intervention on bodyweight and glycaemia in early type 2 diabetes (DIADEM-I): an open-label, parallel-group, randomised controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol. 2020 Jun;8(6):477-489. doi: 10.1016/S2213-8587(20)30117-0. PMID: 32445735.
  6. Meng Y, Bai H, Wang S, Li Z, Wang Q, Chen L. Efficacy of low carbohydrate diet for type 2 diabetes mellitus management: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Diabetes Res Clin Pract. 2017 Sep;131:124-131. doi: 10.1016/j.diabres.2017.07.006. Epub 2017 Jul 8. PMID: 28750216.
  7. Snorgaard O, Poulsen GM, Andersen HK, Astrup A. Systematic review and meta-analysis of dietary carbohydrate restriction in patients with type 2 diabetes. BMJ Open Diabetes Res Care. 2017 Feb 23;5(1):e000354. doi: 10.1136/bmjdrc-2016-000354. PMID: 28316796; PMCID: PMC5337734.