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Die Geschichte des Nobelpreises

Medizin, Physik, Chemie: der Nobelpreis ist aus der heutigen Welt der Wissenschaft nicht mehr wegzudenken. Prof. Dr. Reinhard Renneberg begibt sich auf Zeitreise: von Alfred Nobel hin zu Emmanuelle Charpentier.

Die Erfindung des Nobelpreises: wer war Alfred Nobel?

Der Dreh-und Angelpunkt  des Museums ist  das handschriftliche Original des Testaments Alfred Nobels vom 27. November 1895. Das Testament schlug nach Nobels Tod am 10. Dezember 1896 in Schweden wie eine Bombe ein: 1,6 Millionen Schwedenkronen waren von Nobel für Verwandte und Freunde bestimmt. Das 20fache davon, 31,6 Millionen, wurden dagegen in “Fonds sicherer Wertpapiere” angelegt für eine Stiftung Nobels.  

Testament von Alfred Nobel

Testament von Alfred Nobel

Alfred Nobel selbst hatte das Testament konzipiert und mehrfach umgeschrieben. Er misstraute prinzipiell Rechtsanwälten  und so schien sein Testament leicht juristisch anfechtbar zu sein. Auch der damalige König von Schweden und Norwegen Oscar II war nicht von der Stiftungsidee begeistert. Man warf Nobel sogar mangelnden Patriotismus vor, weil der Preis Menschen der ganzen Welt offen stand, nicht nur Schweden und Norwegern. Er wäre außerdem "von Friedensfanatikern und Frauen" beeinflusst worden (was stimmt, siehe weiter unten). Geschlagene fünf Jahre brauchte die Abwicklung des Testaments. 1901 gab es erste Preise (u. a. für Emil Behring und Conrad Röntgen) von dem Geld, dessen jährliche Zinsen als Preis denen zuerteilt werden sollten, "die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben" und zwar auf den Gebieten Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Friedensarbeit.

Alfred Nobel: Naturwissenschaftler mit Sprachtalent 

Im ersten Raum des Museums lernt man Alfred Nobels Leben kennen. Geboren wurde er 1833. Sein Vater Immanuel Nobel war ein begeisterter Erfinder. Er besaß in Schweden eine Gummifabrik und erfand zum Beispiel eine aufblasbare Luftmatratze. Als Immanuel Nobel aber mit seiner Firma 1840 in Insolvenz ging, floh er nach St. Petersburg, um sich den Zahlungsverpflichtungen zu entziehen. Seine Familie ließ er zunächst in Schweden zurück, seine Frau und die drei Söhne Alfred, Ludvik und Emil. In Russland ging es mit Immanuel Nobel finanziell wieder bergauf. Er entwickelte Seeminen für den Zaren und baute mit der Unterstützung der russischen Militärbehörde eine Rüstungsfabrik. 

1842 holte Immanuel Nobel seine Familie nach Russland nach, als er finanziell große Erfolge erzielte. Seine drei Kinder erhielten hier Privatunterricht sowohl in naturwissenschaftlichen Fächern als auch in Literatur und in verschiedenen Sprachen. 

Alfred lernte begeistert Russisch und sprach später fünf Sprachen fließend, ein Polyglott. Das Sprachtalent half ihm bei seinen weltweiten Aktionen. Er interessierte sich besonders für Chemie, aber auch für Poesie. Die Begeisterung von Alfred für Literatur und dem Schreiben von Gedichten widersprach allerdings den Wünschen  des Vaters Immanuel. Er versuchte ihn davon abzubringen, in dem er Alfred auf Reisen schickte. So bereiste Alfred die USA, Schweden, Deutschland und Frankreich.

Schicksalhafte Begegnung mit italienischem Chemiker Ascanio Sobrero

Als 17-Jähriger wurde er zu  dem bekannten Chemiker Professor Théophile-Jules Pelouze in Paris geschickt. Schicksalshaft war dort 1850 Nobels Begegnung in Paris mit dem italienischen Chemiker Ascanio Sobrero, der durch Kombination von Glycerin, Salpeter- und Schwefelsäure 1847 Nitroglycerin synthetisiert hatte. Auf Druck oder Schlag explodierte diese farb- und geruchlose Flüssigkeit sofort. 

Aus der chemischen Summenformel C3H5(ONO2)3  des Nitroglycerins ahnt auch der Nicht-Chemiker bereits, daß hier Stickstoff (N) mit ausreichend Sauerstoff (O) kombiniert ist. 

Bei deren Wechselwirkung entstehen Gase mit einem über 1.000 mal größerem Volumen als der Ausgangsstoff, 5.000 Grad Hitzeentwicklung und kurzzeitig 20.000 Atmosphären Druck – ein idealer Sprengstoff, aber hochgefährlich zu handhaben!

Nitroglycerin: Erfolg und Schicksalsschlag für Familie Nobel

Im Jahr 1853 zog es Alfred Nobel wieder nach St. Petersburg. Sein Vater verdiente aufgrund des Krimkrieges mit seiner Rüstungsfabrik viel Geld. Als Russland jedoch den Krieg verlor, ging auch seine Rüstungsfabrik Pleite. Die Familie zog wieder zurück nach Schweden. Vater und Sohn forschten dort auf dem Gebiet der Sprengstoffchemie  in einem dafür eigens eingerichteten Labor. Im Jahr 1862 waren sie soweit, dass sie selber Nitroglycerin herstellen konnten. Trotz der permanenten Explosionsgefahr starteten die Nobels zielstrebig deren Produktion und Anwendung.

Da schlug das Schicksal zu: 1864 wurde der jüngere Bruder Emil mit sieben Mitarbeitern bei einer Explosion in der schwedischen Fabrik getötet. Ein gewaltiger Schock für Alfred und die Herausforderung, Nitroglycerin sicherer zu machen. Nachdem die schwedischen Behörden erkannt hatten, wie gefährlich das Arbeiten mit Nitroglycerin war, verboten sie Alfred Nobel in Stockholm alle Versuche mit Sprengstoffen.

"Sicherer" Sprengstoff: Alfred Nobel erfindet Dynamit

Nobel verlagerte sein Labor nach dem deutschen Krümmel bei Hamburg, wo es ihm gelang, Nitroglycerin im Großmaßstab  zu produzieren. In unzähligen Versuchen arbeitete er daran, die gefährliche Brisanz des Nitroglycerins zu verringern. Diatomeenerde (Kieselgur) vom gegenüberliegenden Elbufer in Krümmel war die Lösung! 1867 gelang ihm die Herstellung von Dynamit, in dem er genial das Nitroglycerin vom Kieselgur aufsaugen ließ und damit sicher transportierbar machte. Umsichtig patentierte er das Verfahren.

Durch das weltweite Interesse an "sicherem" Sprengstoff, machte er in kürzester Zeit mit der Produktion von Dynamit ein riesiges Vermögen. Weltweit wurden von ihm Firmen gegründet. Nobel hatte persönlich Anteile an 93 Firmen und  reiste um die Welt, um immer mehr Käufer zu werben. 

Weitere Forschungsergebnisse auf dem Sprengstoffgebiet

Trotz seiner ständigen Reisen forschte er auf dem Sprengstoffgebiet weiter. 1875 wurde von ihm eine weitere Sprengstoffart, die Spreng-Gelatine und 1887 das Ballistit (rauchschwaches Pulver) entwickelt, worauf er sofort weitere Patente anmeldete. Diese Erfindung bot Nobel zuerst der französischen Regierung an. Als diese jedoch ablehnte, verkaufte er die Erfindung den Italienern. Daraufhin wurde Nobel von der französischen Presse der Spionage bezichtigt. Man verhaftete ihn sogar und entzog ihm die Erlaubnis für Experimente. Konsequent zog Nobel 1891 nach San Remo in Italien, wo er bis zum Tod in seiner Villa lebte. Am Ende besaß er 33 Millionen Schwedenkronen – eine damals unglaubliche Summe. Das Geld war in Frankreich deponiert. Sein treuer Assistent Ragnar Sohlman schmuggelte es auf diplomatischem Weg nach Schweden. Sohlman wurde später einer der vier Gründer der Nobelstiftung.

Heute liegt das Stiftungsvermögen bei rund 3 Milliarden Schwedischen Kronen , 350 Millionen Euro. Das Preisgeld liegt  bei zehn Millionen Schwedischen Kronen, was rund 980.000 Euro entspricht. Vergangenes Jahr hatten sich das Preisgeld u. a. die in Berlin arbeitende, mir gut bekannte Französin Emmanuelle Charpentier und die US-Amerikanerin Jennifer A. Doudna für den Nobelpreis in Chemie geteilt.

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Bild: Emmanuelle Charpentier und Prof. King Chow (HKUST) mit dem Autoren des Textes, Prof. Dr. Reinhard Renneberg

Bertha von Suttner: entscheidender Anstoß für Nobelstiftung?

Auch im Nobelpreis-Museum wird als Höhepunkt die romantische Geschichte erzählt wie im Film "Eine Liebe für den Frieden": Bertha Sophia Felicita Freifrau von Suttner (1843 bis 1914) war eine österreichische Pazifistin, schrieb mit "Die Waffen nieder!" (als 46-Jährige) einen Weltbestseller und erhielt 1905 den Friedensnobelpreis.

Nobel begegnet Bertha 1876 zum ersten Mal in Paris. Sie war 33 und der Erfinder zehn Jahre älter. Bertha sollte Nobels Privatsekretärin werden. Die liebesenttäuschte arme Gräfin findet im Film Zuflucht bei dem alleinstehenden, reichen Erfinder. Esther Vilar schilderte im verfilmten Theaterstück "Mr & Mrs Nobel" (2011) die Pariser Begegnung der späteren Friedensstifter nicht nur als Beginn einer Freundschaft, sondern einer großen Liebe. Historische Belege für die Leidenschaft zwischen Suttner und Nobel gibt es zwar nicht, aber mir scheint es nicht unwahrscheinlich.

Im Film will Bertha von Suttner Kriege als unmoralisch ächten, als Zivilisationsbruch demaskieren und mit der Beschreibung des unendlichen Leids, das er bringt, die Menschen zum Frieden bewegen. Alfred Nobel glaubte eher an das Gleichgewicht des Schreckens; an perfekte Waffen, die jeden Krieg sinnlos machen, weil es keine Sieger mehr geben wird. Das von ihm erfundene Dynamit sah er als ersten Schritt zum ewigen Frieden. Bertha von Suttner gab also wahrscheinlich persönlich den alles entscheidenden Anstoß für die Stiftung der Nobelpreise. Sie selbst bekam den Friedensnobelpreis 1905 und erlebte (glücklicherweise) den Ausbruch des furchtbaren Weltkrieges nicht mehr.

Fortsetzung in "Medizin-Nobelpreis: Diphtherie-Serumtherapie bis Hepatitis-C-Entdeckung"

Referenzen:

  • Renneberg R et al. (2009) Bioanalytik für Einsteiger
  • Renneberg R et al. (2018)   Biotechnologie für Einsteiger (5.Auflage) Springer Spektrum Heidelberg
  • Nobelstiftung Stockholm
  • Wikipedia
  • Filmkritik: Eine Liebe für den Frieden