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CRISPR/Cas9: Kennen Sie die wahre Geschichte (Teil I)?

Kennen Sie die Ursprünge von CRISPR/Cas9? Prof. Dr. Reinhard Renneberg nimmt vier Entdeckergruppen unter die Lupe.

CRIPSR/Cas-Entdecker in Japan: Seltsame Strukturen in Darmbakterien 

In zweiten Hälfte der 1980er Jahre gab es an der alten japanischen Universität von Osaka ein mikrobiologisches Labor. Der 26-jährige Japaner Yoshizumi Ishino arbeitete hier in der Gruppe seines Lehrers Prof. Atsuo Nakata an der Doktorarbeit.

Universität und Labor in Osaka © Osaka University

Prof Nakata und sein Student Ishino 1986 © Prof.Y Ishino

Er fand nach fünf langen Monaten des Entzifferns (Sequenzierens) der DNA etwas sehr sehr Seltsames in den normalen Darmbakterien:

Eine völlig verrückte Struktur in der sequenzierten DNA: 5 homologe (gleiche) DNA-Sequenzen von jeweils 29 Nucleotiden Länge! Und die fünf homologen 29er DNA-Stücke, die sich alle in Gruppen (Clustern) konzentrieren, die nannte er clustered repeats ! 
1987, ein Jahr später, druckte das amerikanische Journal of Bacteriology am November 27th 1987 die Ergebnisse Ishinos und Nakatas ab, quasi eine der Geburtsurkunden für CRISPR

Der letzte Satz der Artikels lautete bescheiden: "Die biologische Bedeutung der clustered repeats ist noch unbekannt." Yoshizumi Ishino verteidigte später erfolgreich seine Doktorarbeit und Atsuo Nakata ging in den verdienten Ruhestand als Professor emeritus. Wie wir heute wissen, war diese Arbeit Ishinos der Funke, aus dem die Flamme der CRISPR-Revolution schlagen sollte… 

Spanien: Was haben halophile Archaebakterien mit CRISPR/Cas zu tun?

Francisco Mojica und die Salzlagunen der Costa Blanca

… in den Salzlagunen der Costa Blanca. Drei Jahre später, 1990,  am Mittelmeer. Student Francisco Mojica, Sohn eines Schuhmachers, fleißig und zielstrebig, kein sehr üppiger Haarwuchs, aber immer gut gelaunt. Das ist er heute noch, obwohl mit noch weniger Haaren… und der Nobelpreis für CRISPR knapp an ihm vorbeiging… Er freut sich aber, wie er mir glaubwürdig in einer e-Mail schrieb, von Herzen mit Emmanuelle und Jennifer für das gemeinsame "Baby" CRISPR

Salzlagune

Francisco Mojica 1991 während eines Forschungsaufenthalts an der Paris-Sud Universität

Professor Mojica heute © alle F. Mojica

1990 begann Mojica mit seiner Doktorarbeit zu halophilen (salzliebenden) Archaebakterien. Die sehr häufig vorkommende Art hieß Haloferax mediterranei. Das sind urtümliche Einzeller ohne Zellkern, also wie auch Escherichia coli Prokaryoten, nicht mit Nucleus wie bei den Eukaryoten. Die DNA "schwimmt" also ohne Schutz und Verpackung in der Zelle. Halophile Archaea leben gleich “vor der Haustür” der Universität Alicante, in den Salzlagunen der Costa Blanca. 

CRISPR/Cas9: Fehler beim Sequenzieren der DNA? 

"Wie verträgt Haloferax die im Vergleich zum freien Mittelmeer 10-mal stärkere Salzkonzentration in den Salzlagunen?" war das Thema seiner Promotion. 
Reine theoretische Grundlagenforschung! Aus rein theoretischem Interesse sequenzierte Mojica dann mühsam die DNA von Haloferax. Zu seinem ungläubigen Erstaunen fand er 14 identische DNA Sequenzen! Sie wiederholten sich in regelmäßigen Abständen. Außerdem schienen sie Palindrome zu sein. Man konnte sie also vor- und rückwärts lesen. Also wie "Anna" oder "Otto". 

Zuerst dachte Mojica prompt, er hätte einen Fehler beim Sequenzieren der DNA gemacht. Sequenzieren war damals nämlich noch eine sehr sehr umständliche Sache. Zwei Jahre später dann, 1992, als Mojica immer noch, wieder und wieder die immer gleichen clustered repeats fand, suchte er endlich, ob nicht irgend jemand etwas Ähnliches publiziert hatte. Heute würde er einfach “googeln”. Aber das heutzutage alles beherrschende GOOGLE gab es erst sieben Jahre später… Tatsächlich fand Mojica nach langem mühsamen manuellen Suchen in der Uni-Bibliothek einen Artikel im amerikanischen Journal of Bacteriology der Japaner Ishino und Nakata über E.coli von 1987… 

Tandem repeats als CRISPR/Cas-Grundlage

“Wenn beide, Escherichia coli und Haloferax mediterranei, echt ähnliche wiederholte DNA-Sequenzen und spacer Segmente haben, dann muss das doch eine allgemein wichtige biologische Bedeutung haben,” dachte Mojica bei sich (wie er mir in einer Email auf Anfrage schrieb). 
1995 nannte er die DNA-Wiederholungen in einem Artikel “Tandem-Wiederholungen”, tandem repeats. 1997 kehrte Mojica von kurzen PostDoc-Aufenthalten in Salt Lake City, Paris und Oxford in das vertraute spanische Alicante heim und startete nun endlich eine eigene Arbeitsgruppe. 

Das war zwar super für ihn, aber Forschungsmittel für Grundlagenforschung waren sehr knapp! Die spanischen Geldgeber gaben ihm den gut gemeinten Rat, seine irre Idee der repeats zu begraben, es gäbe das oft und sei nicht bemerkenswert. Ein historischer Irrtum der Projektträger, wie wir heute wissen: Einer der CRISPR-Nobelpreise wäre sicher nach Spanien gegangen! 

Andererseits überlegte Mojica logisch:

“Wenn Bakterien und Archaea beide aber nur geringe Reserven an genetischem Material besitzen, können sie es sich einfach nicht leisten, so viele DNA-Sequenzen zu verschwenden, ohne daß diese Sequenzen eine wichtige Funktion hätten…”


Anders gefragt: Warum gibt es clustered repeats?

Mehr dazu im zweiten Teil unter: CRISPR/Cas9: Kennen Sie die wahre Geschichte?