Laut einer in JAMA Neurology veröffentlichten Studie(DOI: 10.1001/jamaneurol.2016.0039) lassen sich die Hinweise darauf bis zu 7 Tage nach der Verletzung nachweisen. Linda Papa, MD, MSC, ist die leitende Autorin der Studie. Sie ist Ärztin für Notfallmedizin und NIH finanzierte Wissenschaftlerin beim Orlando Health Network. Ihre Entdeckung würde das Zeitfenster für die Feststellung einer Gehirnerschütterung erheblich erweitern, wovon vor allem Patienten mit verzögert auftretenden Symptomen zukünftig profitieren könnten.
Die Symptome einer Gehirnerschütterung oder einer milden bis moderaten traumatischen Hirnverletzung sind oftmals subtil und treten nicht selten mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Tagen auf. Der neue Test könnte Ärzte dabei unterstützen Gehirnerschütterungen präziser zu diagnostizieren und somit sicherstellen, dass ihre Patienten richtig behandelt werden. Besonders bei pädiatrischen Patienten mit Schädeltraumen ist dies unbedingt erforderlich.
Es wird geschätzt, dass fast ein Viertel von einer Millionen Kindern, die jedes Jahr in Krankenhäusern behandelt werden, aufgrund einer Gehirnerschütterung eingeliefert wurde. Häufigste Ursache sind Sportverletzungen. Insgesamt muss im Durchschnitt fast 700 Mal pro Tag eine sogenannte Commotio Cerebri ärztlich versorgt werden. Nahezu alle Gehirnerschütterungen werden bei Kindern lediglich anhand von Symptomen diagnostiziert. Diese werden entweder beobachtet, wie Erbrechen oder Verlust des Gleichgewichts, oder durch das Kind beschrieben, wie zum Beispiel verschwommenes Sehen oder Kopfschmerzen. Keines der beiden Szenarien bietet den Ärzten jedoch eine objektive Möglichkeit, die Schwere der Verletzung einheitlich zu bestimmen.
Wenn Patienten nicht richtig diagnostiziert und entsprechend behandelt werden, kann dies langfristig zu Problemen bei den Geschädigten führen. Unbehandelte oder unterbehandelte Schädel-Hirn-Verletzungen können mit verlängert auftretenden Symptomen wie Kopfschmerz, Schwindel, Gedächtnisverlust und Depressionen einhergehen.
Laut Linda Papa ist ihr Test in der Lage, das gegenwärtige Spekulieren und Rätselraten um die Diagnose Gehirnerschütterung zu beenden, indem er es Ärzten zukünftig erlaubt einen spezifischen Biomarker im Blut dafür zu verwenden.
Bei dem von Papa erforschen Biomarker handelt es sich um das sogenannte glial fibrillary acidic protein (GFAP). Dieses Protein findet sich im Innern von Gliazellen. Gliazellen umgeben die Neuronen in unserem Gehirn und setzten das GFAP frei, wenn es zu einer entsprechenden Verletzung kommt. Was diese Proteine letztendlich einzigartig macht, ist, dass sie in der Lage sind die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und somit in die Blutbahn des Körpers gelangen. Diese Eigenschaft macht es besonders einfach den Biomarker mittels eines speziellen Tests zu detektieren. Darüber hinaus, ist es dem Forscherteam gelungen, GFAP bis zu einer Woche nach der Verletzung in noch messbaren Mengen nachzuweisen.
Die Arbeitsgruppe analysierte im Rahmen ihrer Untersuchungen fast 600 Patienten über einen Zeitraum von 3 Jahren. Gegengeprüft mit Hilfe von CT-Scans, war der Bluttest in der Lage milde bis moderate traumatische Hirnläsionen mit bis zu 97 prozentiger Genauigkeit zu erkennen. Diese Zahlen gelten für Patienten ab einem Alter von 18 Jahren. Der Bluttest konnte ebenfalls treffsicher anzeigen, bei welchen Patienten die Notwendigkeit einer lebensrettenden Operation bestand. Dies legt insgesamt nahe, dass sich der Bluttest tatsächlich dazu eignet Hirnverletzungen bis zu sieben Tage nach der Verletzung erfolgreich zu detektieren. Dieses vergleichsweise lange Zeitfenster ist aus klinischer Sicht besonders wertvoll, da viele Patienten mit Gehirnerschütterung erst Tage nach der Verletzung bei einem Arzt vorstellig werden.
Der Bluttest könnte ganz nebenbei auch dabei helfen die Zahl erforderlicher Computertomographien (CT) dramatisch zu reduzieren. Derzeit sind CT-Scans die präziseste Methode, um eine Hirnläsion zu diagnostizieren. Allerdings sind sie sehr teuer und mit einer hohen Strahlenbelastung verbunden. Ärzten ist es ein wichtiges Anliegen die Anzahl von CTs pro Patient so gering wie möglich zu halten. Vor allem Kindern sollte die Untersuchung, wenn möglich erspart bleiben, da sie besonders empfindlich gegenüber Strahlung sind.
Papa und ihre Kollegen verglichen die beiden Methoden bereits in einer im Herbst letzten Jahres veröffentlichten Studie, die ebenfalls in Orlando Health Krankenhäusern durchgeführt wurde. Sie untersuchten damals 152 Kinder innerhalb der ersten 6 Stunden nach dem Auftreten einer Gehirnerschütterung oder eines leichten bis moderaten Schädelhirntraumas. Die Ergebnisse zeigten, dass der Bluttest Hirnverletzungen mit einer Genauigkeit von 94 Prozent erkannte und damit annähernd so effektiv arbeitete wie state-of-the-art CT-Scans.
Dies könnte letztlich die Art und Weise ändern, wie wir zukünftig Gehirnerschütterungen diagnostizieren – nicht nur bei Kindern, sondern bei allen Menschen, die eine Kopfverletzung erlitten haben. Wir verfügen heutzutage über unzählige diagnostische Bluttests für die verschiedensten Teile des Körpers. Bis heute gab es jedoch keinen verlässlichen Test, der dabei hilft ein Trauma im Gehirn zu identifizieren – Linda Papa und ihr Team sind zuversichtlich, dass ihr Test das endlich ändern könnte.
Text: esanum /pvd
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