Im Kampf gegen Übergewicht und unausgewogene Ernährung setzt die Politik stark auf freiwillige Instrumente. Für eine Produktgruppe für die Kleinsten soll nun ein Verbot greifen. Kritikerinnen und Kritikern reicht es nicht.
Wie viel Zucker steckt im Kinderjoghurt? Und müssen die Cornflakes in der Packung mit den bunten Figuren wirklich so gesüßt sein? Wenn es um gesündere Ernährung geht, stehen Produkte besonders im Blick, die extra für Kinder angepriesen werden. Denn Fachleute betonen, wie wichtig frühe Gewohnheiten beim Essen und Trinken sind. Ärzteschaft und Verbraucherschutz dringen seit längerem auf ein schärferes Vorgehen gegen "Dickmacher" gerade für die Jüngsten. Für Baby- und Kleinkindertees soll jetzt ein generelles Zuckerverbot kommen - zusammen mit Hinweisen für die Eltern auf der Packung.
"Babys und Kleinkinder benötigen keine gesüßten Getränke", sagte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU). "Es sollte ihnen auch nicht von Anfang an 'antrainiert' werden." Deshalb hätten Zucker und weitere süßende Zutaten in Tees und anderen Getränken nichts zu suchen, die speziell an sie gerichtet sind. Klöckner hat daher ein Verbot auf den Weg gebracht, über das der Bundesrat entscheiden soll. Die zuständigen Ausschüsse der Länderkammer empfehlen Zustimmung.
Konkret sollen Kräuter- und Früchtetees für Säuglinge und Kleinkinder künftig keinen zugesetzten Zucker enthalten dürfen - und auch nicht Honig, Malzextrakt, Sirupe oder Dicksäfte. Vorgeschrieben werden soll außerdem ein Hinweis auf der Verpackung oder einem Etikett, beim Zubereiten auf die Zugabe von Zucker und anderen süßenden Zutaten zu verzichten. Dies solle es Eltern, Erziehenden leichter machen, den Ernährungsempfehlungen zu folgen, sagte Klöckner.
Kommen soll auch eine Kennzeichnung, ab welchem Kindesalter die Tees verwendet werden können - generell darf es nicht unter vier Monaten sein. Die Verordnung will Klöckner dann schnell erlassen. Konkret soll das Zuckerverbot 37 derzeit erhältliche Produkte erfassen, wie es in der Verordnung heißt. Die neuen Informationspflichten auf der Packung betreffen demnach laut einer Marktübersicht 85 Produkte.
Handlungsbedarf besteht nicht nur aus medizinischer Sicht. Gezuckerte Getränke erhöhten die Gefahr von Karies und Übergewicht, erläutert das Ministerium. Und in den ersten 1.000 Lebenstagen von Kindern würden wichtige Weichen fürs Ernährungsverhalten gestellt - einmal angestammte Gewohnheiten später zu ändern, sei dann schwieriger.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte die Pläne als "Ablenkungsmanöver". Gesüßte Kindertees seien ein Nischenprodukt, das im Einzelhandel ohnehin kaum mehr eine Rolle spiele, sagte Experte Oliver Huizinga. Vielmehr müsse Klöckner "ernsthafte Maßnahmen" ergreifen, wie sie auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ÄrztInnen seit Jahren gefordert werden. "Die Werbung an Kinder für unausgewogene Lebensmittel muss gesetzlich untersagt werden." Nötig sei unter anderem auch eine "Limo-Steuer" nach britischem Vorbild.
Dabei ist der Zuckerstopp für Babytees Teil eines Programms, mit dem die Bundesregierung eine gesündere Ernährung voranbringen will - vor allem mit Maßnahmen auf freiwilliger Basis. Und im Visier stehen auch Fett und Salz in Fertigprodukten. Eine vom Kabinett Ende 2018 beschlossene "Reduktionsstrategie" sieht vor, dass Hersteller sich zu Zutaten-Änderungen bis 2025 verpflichten. In Frühstückscerealien für Kinder soll zum Beispiel ein Zucker-Minus von mindestens 20 Prozent erreicht werden, in gesüßten Kinder-Milchprodukten von 15 Prozent.
Um Zusagen zu überprüfen, hat das bundeseigene Max-Rubner-Institut gerade eine Zwischenbilanz vorgelegt. Demnach ging der Zuckergehalt bei speziell für Kinder beworbenen Joghurts seit 2016 um 7,4 Prozent zurück. Allerdings ist er weiterhin höher als in Produkten, die sich nicht an Kinder richten. Freiwillige Verabredungen mit der Industrie funktionierten hinten und vorne nicht, kritisierte Foodwatch.
Ein weiteres Instrument soll das neue Nährwertlogo Nutri-Score sein. Das aus Frankreich stammende System bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe in eine Gesamtbewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an - auf einer fünfstufigen Skala von "A" auf dunkelgrünem Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes "C" bis zu einem roten "E" für die ungünstigste. Einen Rechtsrahmen für eine freiwillige Verwendung auf Packungen hat die Bundesregierung zur Genehmigung nach Brüssel geschickt. Erste Produkte damit sind schon in Supermärkten zu haben.