Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist eine seltene, progressive und lebensbedrohliche Multisystem-Erkrankung, welche durch die Trias Hämolyse, Thromboembolie und Knochenmarksdysfunktion charakterisiert ist. Entsprechend mannigfaltig und belastend ist die Symptomatik. Mit dem monoklonaler Anti-C5-Antikörper Eculizumab steht seit Jahren eine hocheffektive und gut verträgliche Therapie zur Verfügung, die den meist recht jungen Patienten bei frühzeitiger Behandlung beste Chancen bezüglich Überleben und Krankheitskontrolle bietet.
Die PNH beruht auf einer erworbenen, aber genetisch begründeten Veränderung in den hämatopoetischen Stammzellen. Sie tritt mit einer Inzidenz von rund 1 / 1.000.000 auf, zeigt ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis sowie einen Altersgipfel zwischen 25 und 45 Jahren.
Der Name der auch als Marchiafava-Anämie bezeichneten klonalen Erkrankung sollte nicht allzu wörtlich genommen werden: Weder verläuft die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie primär anfallsartig – sondern vielmehr chronisch-progredient – noch sind die Krankheitsmanifestationen auf die Nachtstunden begrenzt. Und auch die renale Ausscheidung von Hämoglobin findet sich nur bei rund 26 % der Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose.
Recht typisch sind hingegen die diversen Beschwerden, die sich aus den Kardinalsymptomen Thrombophilie, Zytopenie und vor allem der hämolytischen Anämie ableiten. Dieses sind beispielsweise Nierenfunktionsstörungen, Dyspnoe, Dysphagie, Kopf- und Abdominalschmerzen, Fatigue, erektile Dysfunktion sowie Thrombenbildung. Ursache für viele dieser Beschwerden ist neben der durch Zerfall der roten Blutkörperchen resultierenden Anämie, auch die aufgrund dieses Prozesses verringerte Verfügbarkeit von Stickoxid (NO). Da dieses für die Relaxation der glatten Muskulatur sorgt, kommt es bei einem Mangel entsprechend zu Kontraktionen und einer Engstellung der Gefäße.
Die häufigsten Todesursachen bei PNH-Betroffenen sind Nierenversagen sowie thromboembolische Ereignisse venöser und arterieller Art. Die Mortalitätsrate innerhalb der ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung beträgt bis zu 35 % und ist weitgehend unbeeinflusst von jeglichen supportiven Therapien.
Die Krankheitsmanifestationen und Verläufe können individuell sehr variabel sein, sodass bis zur Diagnosestellung nicht selten viele Jahre vergehen und häuftig schon irreversible Organschäden vorliegen.
In der PNH-Diagnostik hat sich die Durchflusszytometrie mithilfe von peripherem Blut in den letzten Jahren als Standardmethode etabliert.
Auch Personen aus Hochrisiko-Gruppen sollten laut Leitlinien und Konsensusempfehlungen mehrerer Fachgesellschaften in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden, um im Erkrankungsfall zeitnah intervenieren zu können. Zu diesen gehören unter anderem Patienten mit aplastischer Anämie oder myelodysplastischem Syndrom (MDS). Da ein erhöhter LDH-Wert als Prädiktor für das Auftreten von thromboembolischen Ereignissen gilt, sollte bei einem Laborwert von ≥ 1,5 x ULN (upper limit of normal) besonders engmaschig gescreent werden.
Die Behandlung der PNH richtet sich nach dem klinischen Erscheinungsbild, wobei in asymptomatischen Fällen ein Zuwarten nach der Devise „watch and wait“ erlaubt ist. Ansonsten wird je nach Schweregrad symptomatisch therapiert. Prophylaktische Antikoagulation kann ebenso indiziert sein, wie eine Antibiotika-Therapie zur Vermeidung infektgetriggerter hämolytischer Krisen. Auch sollte immer die Notwendigkeit einer Substitution von Eisen, Folsäure und Vitamin B12 geprüft werden.
Die allogene Knochenmarkstransplantation, als einzig kurative Maßnahme, wird aufgrund ihres hohen Mortalitätsrisikos nur in speziellen Fällen anvisiert und die Indikation spätestens seit Entwicklung des Anti-C5-Antikörpers besonders kritisch hinterfragt.
Mittel der Wahl bei symptomatischer hämolytischer PNH ist heute der humanisierte monoklonale C5-Antikörper Eculizumab, der die Bildung der terminalen Komplementstrecke hemmt, und damit die Hämolyse verhindert. Der Nutzen dieses ersten, einzig lizenzierten und mittlerweile langjährig bewährten Wirkstoffs konnte in einer Vielzahl von Studien belegt werden.
Besonders beachtlich ist die Steigerung der 5-Jahresüberlebensrate von rund 67 % bei rein supportiver Therapie auf 96 % bei Gabe des Anti-C5-Antikörpers. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die PHN-Betroffenen damit eine mit Gesunden vergleichbare Lebenserwartung erzielen können.
Entsprechend finden sich auch bei den diversen Krankheitsmanifestationen signifikante Verbesserungen durch Eculizumab (Soliris®): So zeigte sich bei 87 % der Probanden eine anhand des LDH-werts erkennbare Senkung der intravasalen Hämolyse, wodurch wiederum 93 % aus diesem Kollektiv eine stabile oder gebesserte Nierenfunktion aufwiesen. Die Zahl von thromboembolischen Ereignissen ging bei bestehender Antikoagulation mit Gabe von Eculizumab um 94 % zurück. Weitere Studien ermittelten einen Rückgang der Fatigue um 74 %, eine Reduktion der Dyspnoe um 50 % und eine Abnahme des Transfusionsbedarfs um 73 %.
Die Eculizumab-Langzeittherapie zeigt sich nicht nur als hochwirksam, sondern dabei auch äußerst verträglich: so war das Nebenwirkungsprofil in Studien beispielsweise dem der Placebogruppe vergleichbar. Ein leichter Kopfschmerz als häufigstes Begleitsymptom blieb meist auf die frühe Induktionsphase beschränkt. Zur Infektionsprophylaxe sollte spätestens zwei Wochen vor Therapiebeginn lediglich eine Meningokokken-Impfung durchgeführt werden.
Im Hinblick auf die schwerwiegenden, oft letalen Komplikationen der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie sollte es ein wichtiges Anliegen sein, Patienten frühzeitig zu identifizieren und sie einer adäquaten Behandlung zuzuführen. Da sich die Betroffenen mit ihren variablen und vielfältigen Symptomen erfahrungsgemäß an Ärzte unterschiedlichster Fachrichtungen wenden, muss auch interdisziplinär das Wissen um und das Bewusstsein für diese seltene, aber so effektiv therapierbare Krankheit steigen.
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