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Zahl der Kaiserschnittentbindungen steigend

Weltweit steigt in den letzten Jahren die Kaiserschnittrate. Immer mehr Frauen in sowohl entwickelten- als auch Schwellenländern entbinden nicht mehr auf dem natürlichen Wege sondern werden einer O

Weltweit steigt in den letzten Jahren die Kaiserschnittrate. Immer mehr Frauen in sowohl entwickelten- als auch Schwellenländern entbinden nicht mehr auf dem natürlichen Wege sondern werden einer Operation unterzogen.

In Europa liegt die Kaiserschnittrate derzeit bei 22% aller Geburten währenddessen sie in den USA auf 33,2% geschätzt wird. Damit liegt der Anteil in den USA annähernd in dem Bereich, der auch in Deutschland angenommen wird. Hierzulande hat sich die Anzahl der Kaiserschnittentbindungen zwischen den Jahren 1991 (15,3%) und 2012 (31,7%) mehr als verdoppelt. Bei einem Zuwachs dieser Größenordnungen stellt sich unweigerlich die Frage nach der Ursache.

Eine Frage, der nun Prof. Dr. med. Ilonnis Mylonas, Oberarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Prof. Dr. med. Klaus Friese, Direktor der Klinik, im Rahmen einer Übersichtsarbeit nachgegangen sind. Veröffentlicht wurde die Studie (DOI: 10.3238/arztebl.2015.0489) im Juli 2015 im Deutschen Ärzteblatt. Die Arbeit basiert auf einer selektiven Literaturrecherche in den in Deutschland gängigen medizinischen Datenbanken. Des Weiteren bezogen die Beiden Pressemitteilungen, Auswertungen des Statistischen Bundesamtes und Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) mit in ihre Übersicht ein.

Gründe für die Zunahme sind äußerst vielfältig

In den Vergangenen Jahren wurde akribisch diskutiert und argumentiert, worin die Gründe für die rasante Zunahme der Sectiorate liegen könnten. Wenn man sich mit dieser Thematik auseinandersetzt, wird einem sehr schnell bewusst, dass die Ursachen überaus vielfältig und nicht immer sofort ersichtlich sind. Wissenschaftlicher Fortschritt, soziologische sowie kulturelle Veränderungen und nicht zuletzt veränderte rechtliche Konsequenzen haben zu dem grundlegenden Wandel in der Akzeptanz eines Kaiserschnittes sowohl vonseiten der Patientinnen als auch aus ärztlicher Sicht mitbeigetragen. Faktoren wie diese haben gemeinsam mit der öffentlichen Wahrnehmung, dass es sich bei der Kaiserschnittentbindung um einen risikoarmen Eingriff handelt, aus Sicht vieler Experten zu der steigenden Rate beigetragen.

Kaiserschnitte sind in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht absolut indiziert

Steht eine Geburt unmittelbar bevor, muss entschieden werden auf welchem Wege das Kind zur Welt gebracht werden soll.  Dabei sollte immer der Weg gewählt werden, der das Wohl von Mutter und Kind am besten gewährleistet. Bei der Frage ob ein Kaiserschnitt in Frage kommt werden absolute und relative Indikationen unterschieden und in Betracht gezogen. Daneben gibt es noch die Möglichkeit eines elektiven Kaiserschnitts, der ausschließlich auf Wunsch der Mutter durchgeführt wird und keinerlei medizinische Notwendigkeit hat. Absolute Indikationen, wie zum Beispiel ein Amnioninfektionssynmdrom, Eklampsie oder anatomische Anomalien, sind nur in 10% aller Schnittentbindungen Grund für den Eingriff. Folglich wird die große Mehrheit der Kaiserschnitte aufgrund von relativen Indikationen wie zum Beispiel einer protrahierten Geburt oder einem vorangegangenen Kaiserschnitt durchgeführt.

Das immer höher werdende Alter der Mütter stellt einen wichtigen Grund für den Anstieg dar. Mittlerweile liegt der Prozentsatz werdender Mütter in Deutschland über 35 bei 22%. Ein Alter bei dem vor noch nicht allzu langer Zeit von Risikoschwangerschaft die Rede war. Das hohe Alter allein stellt jedoch keine wirkliche Indikation für einen Kaiserschnitt dar. Vielmehr sind es die mit einem höheren Alter vermehrt auftretenden Risikofaktoren, die den Eingriff nötig werden lassen. Risikofaktoren wie zum Beispiel arterielle Hypertension oder Diabetes Mellitus. Beide Erkrankungen stellen dann relative Indikationen zur Sectio dar.

Vormarsch von Adipositas trägt zur erhöhten Kaiserschnittrate bei

Diabetes Mellitus Typ II ist aber auch eine, vom Alter unabhängig immer häufiger auftretende, Vorerkrankung werdender Mütter. Grund dafür ist die weltweit steigende Zahl übergewichtiger oder adipöser Menschen. Adipositas stellt bekanntermaßen einen der wichtigsten Risikofaktoren für die Zuckerkrankheit dar, was die immer höher werdende Zahl erkrankter Mütter erklärt. Zudem steigt mit höherem Gewicht die Wahrscheinlichkeit für weitere Erkrankungen wie zum Beispiel Bluthochdruck.

Rolle des Wunschkaiserschnitts deutlich unbedeutender als gedacht

Ein weiterer Grund für die steigende Sectiorate ist der vermehrte Einsatz reproduktionsmedizinischer Verfahren. Durch sie kommt es noch immer häufig zu Mehrlingsschwangerschaften. In solchen Fällen sind Schnittentbindungen oftmals indiziert. Allerdings scheinen auch vermehrte Sorgen um das Kind seitens der Mütter eine Rolle zu spielen. Damit wären wir bei einer anderen entscheidenden Ursache – dem Wunschkaiserschnitt. Er ist der am häufigsten genannte Grund für die vielen Schnittentbindungen. Doch warum entscheidenden sich Frauen ganz bewusst für eine operative und gegen eine vaginale Geburt?

Die meisten Frauen tun dies aus Angst vor möglichen Komplikationen, wie zum Beispiel sexueller Dysfunktion oder Inkontinenz, die nach einer herkömmliche Geburt auftreten können. Ängste wie diese werden oft unter dem Begriff der Tokophobie zusammengefasst – also der Angst vor einer Spontangeburt. Sie ist der häufigste Grund für einen Wunschkaiserschnitt. In einer skandinavischen Studie mit 1635 Schwangeren fand man heraus, dass 15,8% eine ausgeprägte und 5,6% der Frauen eine sehr ausgeprägte Angst vor der Geburt haben. Die einzelnen Gründe für die Angst sind vielfältig und reichen von der Angst vor Komplikationen für das Kind bis hin zu psychiatrischen Erkrankungen seitens der Mütter. Doch wenngleich der elektive Kaiserschnitt häufig als wichtige Ursache aufgeführt wird sieht die Realität etwas anders aus.  Die Autoren haben bei ihrer Recherche nämlich herausgefunden, dass der Wunschschnitt weltweit nur 0,4-5% aller Kaiserschnitte ausmacht. Der Einfluss dieses Phänomens muss also ernsthaft bezweifelt werden. In Deutschland wird der Anteil übrigens auf immerhin 13% geschätzt.

Deutlich höher liegt in Deutschland der Anteil durchgeführter Kaiserschnitte aufgrund von vorangegangenen Geburten per Schnittentbindung. Laut den Münchener Autoren liegt dieser bei ganzen 24%. Obwohl heutzutage eine Re-Sectio nicht zwingend erforderlich ist, wird sie aus Gründen der Sicherheit dennoch von den meisten Ärzten bevorzugt. Eine Übersichtsarbeit stellte beispielsweise fest, dass bei einer Vaginalen Geburt nach einem früheren Kaiserschnitt zwar seltener Komplikationen als bei einer Re-Sectio auftreten, diese aber weitaus gefährlicher für Mutter und Kind sind.

Vaginale Geburten stellen ein Risiko für viele Ärzte dar

Nicht zuletzt gibt es aber auch rechtliche Aspekte, die einen Beitrag zu dem rasanten Anstieg der Kaiserschnittrate geleistet haben. In den letzten Jahren zeigte sich eine Entwicklung hin zu immer häufigeren Klagen gegen Ärzte aufgrund von vermeintlichen Behandlungsfehlern. Mittlerweile ist es keine Seltenheit, dass Patienten in solchen Fällen Schadensersatz in Millionenhöhe verlangen. Vor allem in den USA ist diese Entwicklung dramatisch. Aus Angst vor solchen Klagen hat sich der Entbindungsmodus zunehmend in eine möglichst risikoarme und defensive Richtung entwickelt. Zudem sind durch die Klagen die Versicherungsprämien in den USA für Ärzte im Bereich der Geburtshilfe stark angestiegen. Teilweise liegen sie 1000 Mal höher als in anderen ärztlichen Fachbereichen. Viele Ärzte meiden deshalb eine geburtshilfliche Betreuung, wodurch in den USA ganze Landstriche ohne Geburtshelfer auskommen müssen.

Auch ein Kaiserschnitt birgt Risiken

Der Kaiserschnitt ist schon längst als eine sichere Alternative zu einer herkömmlichen Geburt anerkannt. Doch trotz der diversen Gründe für eine Sectio, die Friese und Mylonas mühevoll ausgearbeitet haben, sollte man nicht vergessen, so die Autoren, dass es sich dabei nach wie vor um einen invasiven Eingriff mit vielen Risiken handelt.

Sieht man einmal von intraoperativen Komplikationen wie zum Beispiel Infektionen oder Organverletzungen ab, beschränken sich die Risiken in erster Linie auf den postoperativen Verlauf. Kurzfristig kann es zum Beispiel zu Thrombosen kommen. Vor allem bei weiteren Schwangerschaften nach einem Kaiserschnitt sind Komplikationen nicht die Seltenheit. Uterusrupturen, Infertilität oder sogar Plazentationsanomalien, zum Beispiel Placenta previa, increta oder accreta, sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Doch nicht nur die Mutter kann von den Folgen einer Schnittentbindung betroffen sein. Immer mehr neue Studien berichten davon, dass auch das Neugeborene selbst betroffen sein kann. Neugeborene die mittels elektiver Sectio entbunden wurden haben eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von respiratorischen Komplikationen. Auch wenn die Symptome meist mild ausfallen, müssen viele von ihnen kurzfristig auf einer neonatologischen Station überwacht werden.

Langzeitstudien fanden zudem heraus, dass Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt gebracht wurden im Vergleich zu Vaginalgeburten, ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Asthma, Diabetes Mellitus Typ 1, Lebensmittelallergien, allergische Rhinitis und sogar Autismus haben. Die Datenlage diesbezüglich ist allerdings lückenhaft und bedarf weiterer Forschungsarbeit, da es auch viele Arbeiten gibt, die solche Risiken nicht nachweisen konnten.

Nichtsdestotrotz gibt die WHO eine recht eindeutige Empfehlung zur Anwendung des Kaiserschnitts ab. Laut ihr ist ein Kaiserschnitt mit einem erhöhten Risiko für sowohl Mutter als auch Kind assoziieret und sollte deshalb einer vaginalen Geburt immer nur dann vorgezogen werden, wenn alle Beteiligten von dem Eingriff eindeutig profitieren. Diese Empfehlung basiert auf einer Studie zum Thema Komplikationen für Kind und Mutter nach Kaiserschnitten, die über 4 Jahre hinweg in 24 Ländern durchgeführt wurde.

Text: esanum /pvd

Foto: Martin Valigursky/Shutterstock.com