Neuausrichtung für Weiterbildung von Hausärzten gefordert Logo of esanum https://www.esanum.de

Wochenrückblick Gesundheitspolitik: GKV fordert neue Allgemeinmedizin-Ausbildung

Der GKV-Spitzenverband drängt auf Reformen in der Allgemeinmedizin-Weiterbildung. Es wird mehr Geld in die Prävention investiert, dafür wurden im Gesundheitssystem seit 2004 finanzielle Schäden in Millionenhöhe durch Betrug verursacht.

GKV-Spitzenverband: Förderung der Allgemeinmedizin nicht zielführend

Vor dem Hintergrund einer zu geringen Zahl an Weiterbildungsabschlüssen in der Allgemeinmedizin fordert der GKV-Spitzenverband eine stärkere Ausrichtung des Medizinstudiums an der hausärztlichen Versorgung und eine konsequentere Kapazitätsplanung für die Weiterbildung von Ärzten. Die Art der bisherigen Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung – 5.400 Euro monatlich, hälftig von GKV und PKV für insgesamt 7000 Stellen finanziert – hält der GKV-Spitzenverband für nicht zielführend.

Seit Beginn der Förderung im Jahr 1998 ist die Zahl der Weiterbildungsabschlüsse zwar von 1.700 auf etwa 1.900 gestiegen. Experten wie der Sachverständigenrat halten bis zu 3.000 Neuabschlüsse pro Jahr für erforderlich, um den Ersatzbedarf zu decken, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Feminisierung des Arztberufs und des wachsenden Anteils an Teilzeitarbeit.  Deutlich stärker, sei allerdings die Zahl der Facharztabschlüsse von 9.000 auf 12.000 gestiegen. Daher sei der Anteil der Hausärzte seit 1998 von 41 auf inzwischen 36 Prozent gesunken. 

Um Lösungen zu identifizieren, hat der GKV-Spitzenverband das Berliner IGES-Institut beauftragt, Förderkonzepte in anderen europäischen Ländern zu analysieren. Das Ergebnis: Länder mit starken, langfristig ausgerichteten Steuerungsinstrumenten seien erfolgreicher, um die zur Versorgung notwendige Zahl an Allgemeinärzten zu erreichen. Dazu zählten die Verankerung der Weiterbildung an allgemeinmedizinischen Instituten der Universiotätebn wie in Belgien und in den Niederlanden sowie die Festlegung von Weiterbildungskapazitäten für alle ärztlichen Disziplinen, orientiert am langfristigen Bedarf., 

Der GKV-SV will das Gutachten in die Lenkungsgruppe zur Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung einbringen und mit den dort Beteiligten – Bundesärztekammer, KBV, Deutsche Krankenhausgesellschaft und PKV – einen gemeinsamen Vorschlag für den Gesetzgeber zu entwickeln. 

Die KBV steht den von IGEDS gemachten Vorschlägen skeptisch gegenüber. Staatliche zentralistische Planung des ärztlichen Nachwuchses in anderen Ländern hätten vielmehr zum Ergebnis, dass generell unter Bedarf ausgebildet werde. Besonders drastisch sei dies in UK.

1,1 Milliarden Euro Schaden durch Fehlverhalten

Durch aufgedeckten Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen ist seit 2004 ein Gesamtschaden von 1,13 Milliarden Euro entstanden. Dies geht aus der amtlichen Kriminalstatistik hervor. An der Aufklärung mitbeteiligt waren die 2004 eingerichteten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen beteiligt. Die Dunkelziffer bleibt allerdings nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes hoch. Das Votum der Länderjustizminister von 2022, dazu wie in anderen europäischen Ländern belastbare kriminologische Studien zu starten, sei bislang von der Bundesregierung nicht aufgegriffen worden, wurde bei einer Diskussionsveranstaltung des GKV-Spitzenverbandes am Mittwoch kritisiert. 

Bemängelt wurde überdies, dass es zu wenige Spezialeinheiten bei Polizei und Staatsanwaltschaften gebe, die über die Fähigkeiten verfügen, die komplexe Betrugsmaterie aufzuklären. Notwendig sei ferner ein besserer Schutz von Hinweisgebern. 

Nach dem jüngsten Fehlverhaltensbericht 2020/21 belief sich der ermittelbare Schaden in den beiden Jahren auf 132 Millionen Euro. Davon konnten weniger als 50 Prozent zurückgeholt werden. Zu einem Brennpunkt hat sich laut Bericht die häusliche Krankenpflege entwickelt mit einem ermittelten Schaden von 29,6 Millionen Euro, von denen knapp 15 Millionen Euro gesichert werden konnten. Der erstmals verzeichnete Rückgang der verfolgten Neufälle um 17 Prozent auf knapp über 23.000 wird vor allem auf die Corona-Pandemie und die Aussetzung der Qualitäts-und Abrechnungsprüfungen durch die Medizinischen Dienste zurückgeführt.    

Der große Sektor der vertragsärztlichen Versorgung kann dabei als relativ unauffällig gelten: Hier wurden 745 Schadensfälle mit einem Schaden von 9,8 Millionen Euro (4,7 Millionen Euro konnten gesichert werden) registriert. Zum Vergleich: Neben häuslicher Krankenpflege dominieren der Arzneimittelbereich (26,9 Millionen Euro Schaden) und Fahrtkosten mit 12,1 Millionen Euro.

KV Berlin plant mit weniger Behandlungsfällen

Patienten in Berlin könnten zukünftig länger auf einen Arzttermin warten müssen. Das wäre eine Folge des in der vergangenen Woche von der KV-Vertreterversammlung beschlossenen neuen Honorarverteilungsmaßstabs. Danach werden die aus der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) finanzierten Regelleistungsvolumina (RLV) derart umgestaltet, dass das RLV je Patient/Fall aufgewertet, die Zahl der geplanten Fälle jedoch abgesenkt wird. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Zahl der Patienten, für die ein Arzt ein Budget im Rahmen seiner MGV hat, geringer werden muss, wenn er vermeiden will, Patienten ohne Vergütung zu behandeln.

Die KV reagiert damit auf den jüngsten Honorarabschluss für den Orientierungswert und die Weiterentwicklung der MGV, aber auch auf die erheblichen Honorareinbußen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und die darin enthaltene Streichung der Neupatientenregelung.  

Lauterbach: Impfzahlen "überhaupt nicht ausreichend"

Als "enttäuschend und nicht ausreichend" hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die aktuellen Impfzahlen im Herbst insbesondere bei der vulnerablen Gruppe der über 60jährigen Menschen bewertet. Dies gelte sowohl für die Auffrischung der Corona-Schutzimpfung als auch für die Influenza-Impfung, sagte Lauterbach in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Lage sei schwierig, es gebe abermals neuen Varianten. Allerdings gebe es noch keinen Grund für Kontaktbeschränkungen, dazu sei die Immunisierung der Gesamtbevölkerung zu hoch. 

Gut drei Viertel der Gesamtbevölkerung sind grundimmunisiert, am höchsten sind die Impfquoten in Bremen und Hamburg (92 und 87 Prozent), am niedrigsten in Sachsen (56 Prozent) und den anderen Ostländern. Die Gruppe der über 60 Jahren hat zwar eine höhere Rate an Erstimpfungen, aber nur die wenigsten (vier Prozent) mehr als zwei Auffrischungsimpfungen, die für diese Gruppe besonders wichtig wären.

Kassen investieren mehr in Prävention

Die Ausgaben der Krankenkassen für Gesundheitsförderung in Lebenswelten, Betrieben und einzelne Versicherte sind im vergangenen Jahr um neun Prozent auf 584 Millionen Euro gestiegen. Dies geht aus dem Präventionsbericht des GKV-Spitzenverbandes und des Medizinisches Dienstes Bund hervor. Allerdings wurde das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 (631 Millionen Euro) noch nicht erreicht.  

Die Ausgaben zur Stärkung der Gesundheitskompetenz insbesondere Schulen, Kitas und Kommunen stiegen auf  159 Millionen Euro (plus acht Prozent). Erreicht wurden damit rund 9,3 Millionen Menschen. Stark gestiegen ist der Aufwand für Kursangebote: um 17 Prozent auf 168 Millionen Euro. 

Pro Generika: Lieferengpässe 2023 sprunghaft mehr als verdoppelt

Die Zahl der Lieferengpässe – gerechnet in Produkten mit eigener Pharmazentralnummer – ist von 261 im Juli 2022 auf 529 im Januar 2023 und schließlich auf 700 im Juli dieses Jahres gestiegen. Seitdem bleibt die Zahl der Lieferengpässe auf einem konstant hohen Niveau, obwohl das ALBVVG zumindest für die Teilmärkte der Kinderarzneimittel und der Antibiotika die Preise flexibilisiert hat. Experten erwarten für den Winter – in Abhängigkeit von der Mächtigkeit von Infektionswellen – eine Verschärfung der Versorgungssituation.

Bislang unproblematisch ist dagegen ist Versorgung mit Biosimilars. Bislang wurde – im Juli dieses Jahres – nur ein Lieferengpass berichtet.  Vor diesem Hintergrund warnt der Branchenverband Pro Generika davor, bei der staatlichen Preisregulierung in Bezug auf Biosimilars nicht die Fehler wie bei den chemischen Wirkstoffen zu wiederholen. 

Neuer DEGIM-Geschäftsführer

Maximilian G. Broglie, 80, seit 2003 Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DEGIM), hat sein Amt an Nachfolger übergeben: den Juristen Dr. Oliver Franz, ehemaliger Bürgermeister und Gesundheitsdezernent der Stadt Wiesbaden und die Betriebswirtin Ourania Menelaou. Der gelernte Jurist Broglie war ein angesehener Fachanwalt für Medizinrecht und leitete von 1980 bis 2003 den Berufsverband Deutscher Internisten. Seit seiner Amtsübernahme bei der DEGIM hat sich die Zahl der Mitglieder auf inzwischen über 30.000 mehr als vervierfacht und gilt als größte medizinische Fachgesellschaft Europas.