Die Ersatzkassen haben nach Informationen des NAV Virchowbundes den Versorgungsvertrag mit dem Gesundheitskiosk im Hamburger Problem-Stadtteil Billstedt-Horn gekündigt. Begründet wird dies unter anderem mit den Eingriffen des GKV-Finanzstablisierungsgesetzes, das die Kassen dazu verpflichtet, einen erheblichen Teil ihrer Rücklagen zu mobilisieren.
Der Vorgang ist bemerkenswert: Erst vor wenigen Wochen hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt, nach denen entsprechend dem Modellprojekt in Hamburg in Deutschland schrittweise bis zu 1000 solcher Gesundheitskioske auf Initiative der Kommunen errichtet werden sollen. Die Betriebskosten sollen ganz überwiegend von den Kassen getragen werden. Zweck der Kioske ist es, in sozialen Brennpunkten niedrigschwellige Gesundheitsberatung und Primärversorgung anzubieten. Das Hamburger Projekt war ein Modell, das vom Ärztenetz Billstedt-Horn und vom NAV Virchowbund initiiert und vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Evaluation als positiv bewertet wurde. Derartige Projekte sollen in die Regelversorgung übernommen werden. Nach dem Ausstieg der Ersatzkassen müssten nun voraussichtlich aus eingearbeitete und hochmotivierte Mitarbeiter entlassen werden. Damit schwebe das "Damoklesschwert über dem Fortbestand des Hamburger Gesundheitskioskes".
Mit rund 700.000 neuen Versicherten allein in den ersten acht Monaten dieses Jahrs verzeichnet die gesetzliche Krankenversicherung einen Rekordzuwachs an Versicherten auf aktuell 73,8 Millionen Menschen. Es handelt sich dabei zu einem großen Teil um geflüchtete Menschen aus der Ukraine – und das bereitet den Kassen erhebliche Sorgen. Während in den Jahren zuvor meist relativ gute verdienende Rückkehrer aus anderen EU-Ländern bei den Kassen für steigende Mitgliederzahlen sorgten, bedeutet die neue Klientel erhebliche Finanzrisiken. Solange Flüchtlinge den Status von Asylbewerbern haben, erstattet der Staat Leistungen der GKV. Menschen aus der Ukraine können sich aber seit Juni unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland bei den Job-Centern arbeitssuchend melden und erhalten damit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. In diesem Fall beträgt die Erstattung an die GKV nur rund 100 Euro im Monat, was die durchschnittlichen Krankheitskosten nicht abdeckt. Das Defizit, das diese Gruppe der Leistungsempfänger verursacht, lag zuletzt bei zehn Milliarden Euro. Im Unterschied zu Flüchtlingen aus anderen Ländern gelingt die Integration der Menschen aus der Ukraine – meist gut gebildete Frauen – relativ rasch die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Bereits im Juni hatten 95.000 Menschen einen Arbeitsplatz.
Dennoch könnte die GKV dieses Jahr noch – entgegen den Prognosen des Schätzerkreises vom Herbst, der ein Defizit von zwei Milliarden Euro prognostiziert hatte – einen geringen Überschuss erwirtschaften, heißt es im Monatsbericht der Bundesbank. Wesentliche Ursache sind stärker steigende Beitragseinnahmen (plus 4,5) und ein erhöhter Bundeszuschuss. Gleichwohl hält die Bundesbank die Elemente des GKVFinG für nicht zielführend. Dagegen wird für die Pflegeversicherung schon in diesem Jahr ein Fehlbetrag von 1,5 Milliarden Euro erwartet.
Für das kommende Jahr wird hingegen in der GKV als Folge weiter steigender und des abgesenkten Bundeszuschusses ein Fehlbetrag von 17 Milliarden Euro erwartet. Die prekäre Lage soll durch das GKV-FinG stabilisiert werden, das der Bundestag am vergangenen Freitag in erster Lesung beraten hat. Das Sparpaket enthält unter anderem die umstrittene Rücknahme der Neupatienten-Regelung, mit der Leistungen für diese Versicherten extrabudgetär finanziert wurden. Unisono wird dies von der Ärzteschaft heftig kritisiert. Am kommenden Mittwoch berät der Gesundheitsausschuss über das Gesetz, am Nachmittag findet dazu eine öffentliche Anhörung statt.
Gesundheitsökonomen der Uni Hamburg und der TU Berlin, des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, des BKK Dachverbandes und des Deutschen Krankenhausinstituts haben ein Konzept für eine sektorengleiche Vergütung entwickelt. Das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel ist eine Stärkung der ambulante Medizin und eine Entlastung der Kliniken.
Das Konzept sieht zwei Realisierungsstufen vor. Ausgehend vom bestehenden Katalog ambulant erbringbarer Poceduren (AOP-Katalog) soll in der ersten Phase an die existierenden Fallpauschalen angeknüpft werden, von denen ausschließlich stationär anfallende Kosten abgezogen werden. Dies führt zwar temporär zu einer Überfinanzierung, die zugleich aber einen initialen Anreiz zur ambulanter Erbringung stationärer Leistungen setzt. In einer dreijährigen Übergangsphase werden gemeinsame Datengrundlagen für eine transparente Neukalkulation geschaffen. In einer zweiten Phase werden, basierend auf einheitlichen Leistungsdefinitionen nach dem Baukastenprinzip flexibel zusammensetzbare sektorengleiche Leistungsgruppen gebildet und mit Pauschalen vergütet.
Die Konzeption basiert auf Vorschlägen des Gesundheits-Sachverständigenrates von 2018 und ist im Rahmen des Projekts "Einheitliche sektorengleiche Vergütung" vom Innovationsfonds des GBA finanziert und evaluiert worden.
Nach Daten der Techniker Krankenkasse ist die Impfquote der über 60-Jährigen in der vergangenen Grippesaison 2021/22 von 47 Prozent im Vorjahr auf 44 Prozent gesunken. Der EU-Zielwert von 75 Prozent wird damit massiv verfehlt. Vor der Corona-Pandemie hatten sich nur 36 Prozent der älteren Menschen gegen Influenza impfen lassen. Über alle Altersgruppen hinweg hatten in der vergangenen Saison nur 17 Prozent der TK-Versicherten eine Gruppeschutzimpfung erhalten.
Vor dem Hintergrund einer im Vergleich zu den beiden Vorjahren deutlich höheren Kontaktdichte mit anderen Menschen steigt die Wahrscheinlichkeit gerade für vulnerable Gruppen, sich in der neuen Grippesaison an Influenza zu infizieren. Für diese Menschen ist daher sowohl eine Boosterung mit neuen Corona-Vakzinen wie auch mit Grippeimpfstoff empfehlenswert.
Nach Daten der Akkreditierten Labore (ALM) ist in der 37. Kalenderwoche (12. bis 18. September) zum zweiten Mal in Folge die Zahl der PCR-Tests um fünf Prozent auf 491.712 gestiegen. Zugleich stieg die Positivenrate von 33,5 auf 35,4 Prozent. Der Anstieg in den beiden letzten Wochen sei zu erwarten gewesen, er sei der Anfang einer sich verändernden Infektionslage im beginnenden Herbst, so der ALM-Vorsitzende Dr. Michael Müller.