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Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Bundesverfassungsgericht bestätigt Masern-Impfpflicht

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die Impfpflicht gegen Masern, der GBA legt neue Beschlüsse vor: mehr aus KW 33 erfahren.

Bundesverfassungsgericht bestätigt Impfpflicht gegen Masern und entsprechende Nachweise

Mit Beschlüssen vom 21. Juli hat das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden mehrerer Eltern gegen die vor gut zwei Jahren beschlossene verpflichtende Impfung von Kindern gegen Masern, den damit verbundenen Nachweispflichten und den Konsequenzen bei Nichtimpfung zurückgewiesen. Mit den am 18.08. veröffentlichten Beschlüssen bestätigte das Gericht auch die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes von Kombinationsimpfstoffen, mit denen zugleich auch eine Immunisierung gegen Mumps, Röteln und Windpocken erfolgt.

Die Beschwerden seien zulässig: Denn die beanstandeten Regelungen greifen in das Elternrecht nach Artikel 6 Absatz 2 und in das Grundrecht auf gesundheitliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 ein, so das Gericht. Die Beschwerden haben aber keinen Erfolg, weil die getroffenen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig sind. Zur Begründung führt das Gericht im einzelnen  aus:

Der Gesetzgeber verfolge mit der Impfpflicht den Schutz "eines überragend gewichtigen Rechtsguts, der auch dringlich ist", so die Richter des Ersten Senats. Denn angesichts der sehr hohen Ansteckungsgefahr bei Masern und den mit einer Masernerkrankung verbundenen Risiken eines schweren Verlaufs bestehe eine beträchtliche Gefährdung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit Dritter. Dem Schutz gefährdeter Menschen habe der Gesetzgeber zu Recht Vorrang vor den Interessen der beschwerdeführenden Eltern und Kinder eingeräumt. Dies gelte auch deshalb, weil die bislang erreichte Impfquote nicht ausreichend sei. 

Eindeutig fällt auch die Risikobewertung durch das Gericht aus: eine Masernerkrankung berge das Risiko eines tödlichen Krankheitsverlaufs  (subakute sklerosierende Panenzaphalitis), hingegen träten bei Impfungen nur milde Nebenwirkungen auf, ein echter Impfschaden sei "extrem unwahrscheinlich". Als Folge einer höheren Impfquote müsse auch die Eradikation von Masern  durch Erreichen einer Herdenimmunität in Betracht gezogen werden. Ferner diene dies auch dem individuellen Gesundheitsschutz des einzelnen Kindes – und gerade dies sei ebenfalls bei verfassungskonformer Auslegung des Elternrechts nach Artikel 2 zu beachten.

Es sei auch nicht unzumutbar, dass nur Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, denn die in Mehrfachimpfstoffen enthaltenen  Wirkstoffe seien wegen ihrer positiven Risiko-Nutzen-Relation von der Ständigen Impfkommission empfohlen. 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als gute Nachricht für Eltern und Kinder. Masern könnten lebensgefährlich sein; es sei deshalb Aufgabe des Staates, Infektionen in Kitas und Schulen zu verhindern.

Beschluss vom 21. Juli 2022; 1 BvR 469/20, 1 BvR 472/20, 1 BvR 470/20

Barmer: Hohe Krankheitslast durch Corona Ende Juli

Nach einer Corona-bedingten Rekord-Arbeitsunfähigkeit in der fünften Pandemiewelle im Frühjahr verzeichnete die Barmer im Laufe des Juli erneut einen steilen Anstieg von Arbeitsunfähigkeiten, die länger als sechs Wochen dauerten und somit zum Anspruch auf Krankengeld führten. So waren in der dritten Juliwoche (17. bis 23. Juli) 67.800 versicherte Beschäftigte allein der Barmer betroffen, die länger als sechs Wochen wegen einer Corona-Erkrankung arbeitsunfähig waren.  Überproportional hohe Krankenstände gab es  in Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, die niedrigste Krankschreibungsrate hatten Sachsen und Sachsen-Anhalt.  

Bei der zweitgrößten deutschen Krankenkasse sind 8,7 Millionen Menschen versichert. Unter den Annahme, dass die Versicherten der Barmer in etwa repräsentativ für ganz Deutschland sind, würde die durch Corona verursachte Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen aufgrund einer Corona-Erkrankung in der dritten Juliwoche fast 650.000 Menschen in Deutschland betroffen haben.  

Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses

Patientenbefragung zu Herzkathetereingriffen: Der Gemeinsame Bundesausschuss startet im Rahmen seiner Qualitätssicherung eine Befragung von Patienten, die sich einem Herzkathetereingriff unterzogen haben. Praxen und Kliniken sind daher seit Juli verpflichtet, dem GBA monatlich Adressdaten der betroffenen Patienten zu übermitteln, so dass den Patienten bis zu zwölf Wochen nach der Intervention ein Fragebogen zugesandt werden kann. Die Auswertung ausgefüllter Fragebögen erfolgt durch das IQTIG; es übermittelt die Ergebnisse als Feedback an die Kliniken und Praxen. Das Projekt soll zunächst bis 2026 laufen.  

Kryokonservierung von Eierstockgewebe wird Kassenleistung: Zusätzlich zu Ei- und Samenzellen haben gesetzlich Krankenversicherte nun auch einen Anspruch auf Kryokonservierung von Eierstockgewebe bei einer potenziell keimschädigenden Behandlung. Das schafft weitere Optionen für eine spätere Schwangerschaft. Betroffen sind vor allem Patientinnen, bei denen eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke vor einer Entnahme von Eizellen nicht möglich ist, zum Beispiel weil die Behandlung der Grunderkrankung sofort begonnen werden muss.  Die Regelung gilt für Frauen bis zum vollendeten 40. Lebensjahr. Wirksam wird die neue Leistung, wenn das BMG sie aufsichtsrechtlich genehmigt und der Bewertungsausschuss im EBM eine Leistungsposition beschlossen hat. Damit wird bis Frühjahr 2023 gerechnet.

Begleitung Behinderter im Krankenhaus: Aufgrund eines gesetzlichen Auftrags hat der GBA eine Richtlinie beschlossen, wonach Personen, die Menschen mit Behinderungen bei einem Krankenhausaufenthalt  begleiten, ab dem 1. November als Ausgleich des Verdienstausfalls einen Anspruch auf Krankengeld haben. Der medizinische Bedarf für eine Begleitung muss bei der Verordnung von Krankenhausbehandlung bescheinigt werden. Das Krankenhaus bescheinigt dem Begleiter die Mitaufnahme als Dokument für Arbeitgeber und Krankenkasse. 

Aktualisierung des DMP COPD: Auf Basis einer Auswertung der neuesten Leitlinien zur Versorgung von Menschen mit COPD hat der Gemeinsame Bundesausschuss das entsprechende Disease-Management-Programm überarbeitet. Aktualisiert wurden die Empfehlungen zur Arzneimitteltherapie, neu eingeführt wurde, dass eine Langzeit-Sauerstofftherapie mindestens 15 Stunden am Tag dauern muss. Bei einer sehr schweren COPD sollte als Ultima Ratio auch eine Lungentransplantation erwogen werden. Ferner sollten Patienten über die Risiken des Passivrauchens sowie des Konsums von E-Zigaretten intensiver aufgeklärt werden.