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Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Viertel der angestellten Ärzte erwägt Aufgabe des Berufs

Angestellte Ärztinnen und Ärzten stellen ihren Arbeitgebern ein denkbar schlechtes Zeugnis aus, der GBA erweitert ASV um neue Diagnostik und digitale Anwendungen: mehr aus KW 32 erfahren.

Jeder vierte angestellte Arzt will aus seinem Beruf

Erneut haben angestellte Ärzte ihren Arbeitgebern ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. Jeder vierte erwägt, die ärztliche Tätigkeit ganz aufzugeben, unter den Ärzten in Weiterbildung sind es sogar 29 Prozent. Das geht aus dem elektronischen Monitor 2022 des Marburger Bundes hervor, mit dem die Arbeitsbedingungen angestellter Ärzte im Mai und Juni 2022 erhoben worden sind an dem 8.464 Ärztinnen und Ärzte (Rücklaufquote 21 Prozent) teilgenommen haben. Die Ergebnisse fallen ähnlich schlecht wie 2019 aus.

Die Umfrage zeigt die hohe Bedeutung von Ärztinnen, die mit 53 Prozent der Antwortenden die Mehrheit stellen, beim Nachwuchs in der Weiterbildung sind 63 Prozent Frauen. 31 Prozent aller antwortenden Ärzte arbeiten in Teilzeit, in der Teilgruppe der Fachärzte in  nichtleitenden Positionen sind es sogar 51 Prozent. 

Fünftel der Ärztinnen und Ärzte arbeitet mehr als 60 Wochenstunden

Eine wichtige Ursache für die Arbeitsunzufriedenheit dürfte die hohe Belastung sein: Jeder fünfte Arzt gibt seine Wochenarbeitszeit mit mehr 60 Stunden an, weitere 37 Prozent arbeiten zwischen  49 und 59 Stunden. Dementsprechend  hoch liegt das Ausmaß an Überstunden: 19 Prozent geben zwischen neun und 19 Überstunden pro Woche an, zwei Prozent  berichten von durchschnittlich 19 bis 29 Stunden. Bei nur knapp der Hälfte der Befragten wird die Arbeitszeit elektronisch erfasst, bei 29 Prozent existiert keinerlei Erfassung. Besonders schlecht schneiden dabei Unikliniken und ambulante Einrichtungen ab. Bei mehr als einem Viertel der Befragten werden Überstunden weder vergütet noch mit Freizeit ausgeglichen; bei knapp der Hälfte wird ein Freizeitausgleich praktiziert. 

Ein weiteres bedeutendes Ärgernis für angestellte Ärzte ist das Ausmaß an Verwaltungstätigkeiten (Datenerfassung und Dokumentation): 57 Prozent wenden täglich mehr als drei Stunden ihrer Arbeitszeit dafür auf, bei 13 Prozent sind es sogar vier bis teils weit über fünf Stunden. Eine wichtige Ursache dafür ist die schlechte IT-Infrastruktur medizinischer Einrichtungen: 55 Prozent bewerten den Digitalisierungsgrad als (eher) gering), zwei Drittel sind unzufrieden mit der IT-Ausstattung des Arbeitsplatzes, nur jeder Fünfte berichtet, dass ärztliche Anforderungen bei der Anschaffung neuer Software berücksichtigt werden. Nur 18 Prozent geben an, in seiner Einrichtung fänden regelmäßig IT-Schulungen  statt. 

Ein Drittel der Befragten berichten von einem Abbau ärztlicher Stellen seit Beginn des Jahres 2020. Am stärksten ausgeprägt war der Stellenabbau bei privaten Trägern (51 Prozent), am geringsten in Unikliniken (29 Prozent). Der weit überwiegende Teil  der Befragten (66 Prozent) beurteilt die personelle Besetzung dementsprechend als (eher) schlecht. Am günstigsten schneiden dabei noch ambulante Einrichtungen ab. 

Nur ein Drittel sieht gute Arbeitsbedingungen

Das Gesamturteil über die Arbeitsbedingungen angestellter Ärzte fällt daher alarmierend schlecht aus: 28 Prozent bewerten sie als schlecht oder sogar sehr schlecht, weitere 40 Prozent als mittelmäßig. Nur 32 Prozent geben die Note gut oder sehr gut. Bedenklich mit Blick in die Zukunft ist  das hohe Ausmaß an Enttäuschung bei den Ärzten in Weiterbildung. Zu einem Problem für den Fachärztenachwuchs könnte auch der hohe Frauenanteil  unter den Ärzten in Weiterbildung werden: Sie arbeiten mehr als doppelt so häufig in Teilzeitbeschäftigungen wie ihre männlichen Kollegen, offenbar, weil frauenspezifische Diskriminierungen persistieren. Die Folge ist, dass der Weg zur Facharztanerkennung für Frauen deutlich länger als bei Männern dauert.  

KBV und GKV rufen Erweiterten Bewertungsausschuss an

Angesichts unvereinbarer Vorstellungen über die zum 31. August fällige Weiterentwicklung des Orientierungswertes für die vertragsärztliche Versorgung haben die KBV und der GKV-Spitzenverband den Erweiterten Bewertungsausschuss angerufen. Vor dem Hintergrund der in den letzten Monaten auf über sieben Prozent gestiegenen Inflation  fordert die KBV eine Erhöhung des Orientierungswertes um sechs Prozent, der GKV-Spitzenverband hat vor dem Hintergrund massiver Finanzierungsdefizite eine Nullrunde angeboten. KBV-Chef Gassen nennt dies vor dem Hintergrund aktuell steigender Praxiskosten "empörend". In der Tat müssen in den Orientierungswert Kostenentwicklungen eingepreist werden – maßgeblich sind allerdings nicht die Veränderungen im laufenden, sondern im vorangegangen Jahr. Das würde bedeuten, dass die KBV die aktuell hohe Inflationsrate erst im nächsten Jahr geltend machen könnte.

GBA erweitert ASV um neue Diagnostik und digitale Anwendungen

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat neue diagnostische Untersuchungen und die Nutzung von Gesundheits-Apps in der ambulanten  spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) beschlossen, die inzwischen auch in Kraft getreten sind. Voraussetzung für die Verordnung von Apps ist deren Listung beim Bundesamt für für Arzneimittel und Medizinprodukte. Ferner wurden für verschiedene onkologische ASV-Anlagen und für die Anlage Mukoviszidose neue Untersuchungen aufgenommen. (Siehe www.g-ba.de; G-BA-Fachnews // Ambulante spezialfachärztliche Versorgung)

Pflegeversicherung lebt auf Kredit – BMG plant Finanzreform

Zur Liquiditätssicherung der Pflegeversicherung hat das Bundesamt für Soziale Sicherung ein Darlehen von einer Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Als Ursache für Liquiditätsengpässe nennt das Bundesgesundheitsministerium  pandemiebedingte Ausgaben für den Schutz Pflegebedürftiger. Bereits 2021 hatte die Soziale Pflegeversicherung mit einem Defizit von 1,35 Milliarden Euro abgeschlossen, verfügte aber noch über einen Mittelbestand von 6,85 Milliarden Euro (1,6 Monatsausgaben). Aufgrund von Mehrausgaben sank diese Reserve im ersten Halbjahr 2022 auf 4,9 Milliarden Euro und lag damit nur noch knapp über dem Rücklagensoll. Grund dafür sind Ausgaben für den pandemiebedingten Pflegeschutzschirm von 1,15 Milliarden Euro und Testkosten in Höhe von 1,18 Milliarden Euro. Aufgrund dieser Entwicklung plane das Bundesgesundheitsministerium an Reformvorschlägen, die noch dieses Jahr vorgelegt werden sollen.